Kategorie: Kapital und Arbeit |
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"Die Kollegen fühlen sich verkauft" |
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Auch nach sechs Wochen Arbeitskampf zeigen streikende Belegschaften großer Zeitungsverlage keine Ermüdungserscheinungen. In Wiesbaden wollen sie heute ihrer gewerkschaftlichen Verhandlungsführung Dampf machen. | |||
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Die Druckindustrie ist eine der letzten Bastionen der 35 Stunden-Woche. Doch der Bundesverband Druck und Medien (bvdm) will ohne Lohnausgleich zurück zur 40 Stunden-Woche und darüber hinaus wesentliche Teile der bisherigen Manteltarifvertrags (MTV) wie Zuschläge für Nacht- und Sonntagsarbeit streichen, die ein kleines "Schmerzensgeld" für das harte Leben von Schichtarbeitern sind. Wenn am Dienstag in einem Wiesbadener Luxushotel die Verhandlungsführer der Gewerkschaft ver.di mit den Spitzen des bvdm zur 15. Verhandlungsrunde zusammen kommen, dann werden auch mehrere hundert Streikende aus dem Rhein-Main-Gebiet anrücken und ihrer gewerkschaftlichen Verhandlungsführung signalisieren, dass sie hart bleiben soll. Wochenlang hatten große Teile der elektronischen und Printmedien den Arbeitskampf weitgehend ignoriert. Umso mehr ließ es die Streikenden aufhorchen, dass sich Frank Werneke, Verhandlungsführer für die Druckindustrie und stellvertretender ver.di-Bundesvorsitzender, am Freitag in einem Interview mit der FAZ ausführlich über mögliche Kompromisslinien in den heute anstehenden Verhandlungen äußern konnte und dabei die Möglichkeit andeutete, bis Mittwochabend ein "Einigungspapier" zu erstellen. Die Kritik der Streikenden bei der FSD geht über die Person Werneke hinaus. Sie fühlen sich von großen Teilen der 2001 feierlich gegründeten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di im Kampf zur Verteidigung der 35 Stunden-Woche allein gelassen. "ver.di insgesamt muss begreifen, dass der Fachbereich Medien alleine auf Dauer nicht die 35 Stunden-Woche halten kann", stellt Vertrauensmann Jürgen Landau fest. "Wir brauchen die volle Rückendeckung durch ver.di", mahnt auch Betriebsratsmitglied Emmanuel Korakis an. Auch Jörg Tenholtern kritisiert die Passivität weiter Teile der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di in diesem Arbeitskampf: "Abgesehen vom Fachbereich Medien und ein paar guten Fachsekretären ist dieser Gesamtdienstleister ver.di überhaupt kein Dienstleister, denn er bringt keine Leistung." Dass die Bemühungen, den Streik baldmöglichst abzublasen, auch im Zusammenhang mit dem beginnenden Bundestagswahlkampf stehen könnten, argwöhnt Korakis: "Die vorgezogene Bundestagswahl soll wohl auf dem Rücken der Belegschaften ausgetragen werden. ver.di zeigt sich SPD-treu, und die Arbeitgeber setzen auf eine CDU-Regierung. Den Politikern passt unser Streik offensichtlich nicht ins Konzept." Am heutigen Dienstag werden die Streikenden der FSD auf jeden Fall in Wiesbaden "lautstark anrücken und der Verhandlungsführung klarmachen, was unser Standpunkt ist", so Tenholtern. Hans-Gerd Öfinger |