Wie Verbrecher verjagt fühlten sich gut 90 Beschäftigte von XXXL Mann Mobilia im Mannheimer Stadtteil Vogelstang, als sie am Montagmorgen, 1. Februar 2016, ihre Arbeitsplätze im Zentrallager des Möbelhändlers aufsuchen wollten.
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Uniformierte Beschäftigte eines privaten Sicherheitsdienstes empfingen sie vor dem Gebäude, verwehrten ihnen den Zugang zum Arbeitsplatz und überreichten ihnen im Auftrag der Geschäftsleitung ein Schreiben, das ihnen zunächst die Sprache verschlug. „Hiermit werden Sie ab 1. Februar 2016 bis auf weiteres widerruflich von der Verpflichtung der Arbeitsleistung freigestellt“, hieß es darin im O-Ton.
Die Nachricht über den rüden Umgang und die faktische Aussperrung der ahnungslosen Beschäftigten schlug weit über die Rhein-Neckar-Region hinaus bei Gewerkschaftern und Politikern wie eine Bombe ein und löste eine Solidaritätswelle aus. So versammelten sich die „Freigestellten“, zu 80 Prozent Frauen, auf Initiative der Gewerkschaft ver.di einen Tag später im Mannheimer Gewerkschaftshaus und besprachen erste öffentliche Aktionen. Am Mittwoch protestierten sie am Tatort gegen den Coup. „Ist das der Dank für 32 Jahre Treue?“, hatte sich eine Angestellte auf ein selbstgemachtes Pappschild geschrieben. „Das ist eine XXXL-Sauerei“, so der Text auf einem anderen Schild. Tatsächlich stehen viele der Betroffenen seit Jahrzehnten im Möbelhaus in Lohn und Brot.
Der Konflikt verschärfte sich weiter, als die Geschäftsleitung den für das Zentrallager zuständigen Betriebsrat aufforderte, sein Büro spätestens bis zum 12. Februar 2016 zu räumen und andere, weit entfernte Räume zu beziehen. Betriebsrat und ver.di fordern die sofortige Rücknahme der „Freistellungen“ und den Verbleib des Betriebsrates in den bisherigen Räumlichkeiten. Am Donnerstag schlossen sich rund 300 Gewerkschafter aus dem Mannheimer Alstom-Werk dem Protest vor dem Zentrallager an. Ihnen droht seit der Übernahme von Alstom durch den US-Konzern General Electric ein massiver Arbeitsplatzabbau. „Résistance – Widerstand“, so die Aufschrift auf einem Transparent der Metaller. Weitere Zusammenkünfte und gemeinsame Aktivitäten der XXXL-Betroffenen sind geplant. ver.di unterstützt nach Angaben von Gewerkschaftssekretär Stephan Weis-Will ihren Kampf für eine Weiterbeschäftigung zu den bisherigen Bedingungen „mit allen rechtlichen und gewerkschaftlichen Mitteln“.
„Die Beschäftigten wie ausrangierte Möbelstücke auf die Straße zu werfen, ist zutiefst unmenschlich und verabscheuungswürdig“, kritisierte Baden-Württembergs Arbeitsministerin Katrin Altpeter (SPD) die „frühkapitalistische Herrschaftsmanier“ der Möbelhausmanager. „Ich hätte es nicht für möglich gehalten, dass ein Unternehmen im Jahre 2016 so mit seinen Mitarbeitern umspringt.“ Gewerkschafter aus anderen Bereichen, Kommunalpolitiker und regionale Parlamentarier schlossen sich den Protesten an und verlangten von der Geschäftsleitung eine Abkehr von der Konfrontation. Etliche empörte Kunden, die vor Ort oder über regionale Medien von den Vorgängen erfuhren, protestierten in E-Mails bei der Geschäftsleitung und gaben ihre Kundenkarten zurück.
Ob allein dieser Druck ausreicht, um die Chefs im Möbelhaus zum Einlenken zu bewegen, muss sich zeigen. Schließlich gehört die im Südwesten der Nachkriegszeit groß gewordene Möbelkette Mann Mobilia seit 2005 zum österreichischen Möbelhandelskonzern XXXLutz. Dieser bezeichnet sich selbst als „zweitgrößten Möbelhändler der Welt“ und macht negative Schlagzeilen mit seinem aggressiven Expansionskurs durch Aufkauf von Möbelhäusern, Zerschlagung und Umstrukturierung, Kündigungen und Hau-Ruck-Methoden zu Lasten von Beschäftigten, Betriebsräten und Tarifverträgen. Ähnlichen Szenen wie in Mannheim haben sich in und vor XXXL-Niederlassungen zuvor schon in München, Oberhausen (Ruhrgebiet) und anderswo abgespielt.
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