Kategorie: Kapital und Arbeit

Polizeieinsatz gegen Streikende

Seit zwei Wochen streiken die Beschäftigten des Leuchtenwerks Zumtobel in Usingen (Hessen) für einen Sozialtarifvertrag und protestieren gegen die geplante Demontage und Schließung des Betriebs. In den beiden letzten Tagen hat sich der Konflikt zwischen den in der IG Metall organisierten Beschäftigten und dem Zumtobel-Konzern weiter zugespitzt.


So erlebten die Streikenden am Mittwoch vor dem Werktor einen massiven, martialisch anmutenden Polizeieinsatz. Sie harren seit dem 1. September Tag und Nacht vor dem Tor aus und wollen damit verhindern, dass eine Demontage der Produktionsanlagen ihre Verhandlungsposition schwächen könnte. Am Mittwochvormittag fuhr ein Lkw-Konvoi in Begleitung starker Polizeikräfte vor und begehrte Einlass ins Werk. Die Streikenden blockierten jedoch den Zugang. Die Werksleitung pochte auf ihr Hausrecht und drohte mit der Räumung. „Der Polizeieinsatz hat uns aufgerüttelt“, berichtet uns ein streikender Kollege und Augenzeuge: „Obwohl wir nicht gewaltbereit waren, erschienen für jeden von uns mindestens zwei Polizisten im Kampfanzug mit Schildern und Knüppeln. Auch ein Polizeihund war dabei. Mit Polizeikameras wurden wir alle gefilmt. Das war völlig überzogen und eine Verschwendung von Steuergeldern.“

Und weiter: „Die Polizeikräfte haben sich voll arbeitgeberortientiert verhalten und wie in geheimer Mission alles mit der Geschäftsleitung abgesprochen. Wir sind uns wie Kriminelle vorgekommen und manche von uns hatten richtig Angst, dass etwas passiert“, so der Arbeiter.

Nach über drei Stunden Nervenkrieg gaben die Streikenden nach und machten eine Gasse für die Lastwagen frei. Man habe nur fertige und halbfertige Erzeugnisse und keine Maschinen oder Betriebsanlagen abtransportiert, erklärte die Geschäftsleitung in einer eidesstattlichen Versicherung. Den massiven Einsatz hessischer Polizei gegen friedliche, um ihre Existenz kämpfende Arbeiter werden die Kolleginnen und Kollegen nicht so schnell vergessen. Er hat gezeigt, wie eng Kapital und Staatsapparat miteinander verflochten sind. Das Ganze soll jetzt im Wiesbadener Landtag ein parlamentarisches Nachspiel haben. Die Fraktion DIE LINKE will das Thema in der nächsten Sitzung des Innenausschusses in der kommenden Woche zur Sprache bringen.

Das Management hatte den Zeitpunkt für die Lkw- und Polizeiaktion gezielt ausgewählt. Denn am Mittwoch standen weniger Streikposten als sonst vor dem Tor. Die Mehrheit der Belegschaft war nämlich in den frühen Morgenstunden in zwei Bussen in Richtung Dornbirn (Österreich) aufgebrochen. Dort, am Stammsitz des Zumtobel-Konzerns, protestierten sie ab Mittag mehrere Stunden lang gegen die Schließung des Werks in Usingen. Vor Ort solidarisierten sich tatkräftig Vorarlberger Funktionäre der österreichischen Gewerkschaft PRO-GE mit den Usingern. Mit dabei waren auch Vertreter der Sozialistischen Jugend (SJÖ) und funke-Unterstützer, die Solidaritätsflugblätter verteilten. „Geknechtet für Profite, geopfert für Rendite. Solidarität mit dem Streik in Usingen“, hatten sie auf ein Banner gepinselt, das Anklang fand.

Unbeeindruckt von den Protesten beharrt die Zumtobel-Geschäftsleitung auf der Werksschließung in Usingen. Michael Erhardt, Erster Bevollmächtigter der IG Metall Frankfurt, erinnerte daran, dass der Konzern nach erfolgreichen Verhandlungen einen Verkauf des Usinger Werks an den Vorarlberger Unternehmer Thomas Lorünser plötzlich und in letzter Minute ausgebremst habe. Dies sei „nicht nachvollziehbar“. Dabei habe sich das Fortführungskonzept als „schlüssig und wirtschaftlich sinnvoll“ erwiesen, so Erhardt. Etliche Beschäftigte argwöhnen, dass Zumtobel der Usinger Belegschaft nie eine Chance geben wollte und die Schließung von langer Hand vorbereitet hat. Mit dem Streik für einen Sozialtarifvertrag wollen sie jetzt für den Konzern die Kosten der Schließung in die Höhe treiben. Viele Ältere unter den 145 Beschäftigten befürchten, dass sie in der ländlichen Hochtaunusregion keinen gleichwertigen Arbeitsplatz finden und rasch in Hartz IV landen könnten. Die IG Metall kritisiert zudem, dass Zumtobel nach Streikbeginn in Usingen eine Abriegelung des Werks mit gezielten Schikanen für Betriebsräte und somit eine faktische Aussperrung verhängt hat. Dies ist die erste Aussperrung seit der großen Streikbewegung von Metallern und Druckern für die 35-Stunden-Woche im Frühjahr 1984. In Hessen ist die Aussperrung im Arbeitskampf nach Artikel 29 der Landesverfassung rechtswidrig.

Die Erfahrung in Usingen zeigt, wie Kapitalisten aus reiner Profitgier auch intakte, gut funktionierende Betriebe zerstören, zu Maschinenstürmern werden und arbeitende Menschen rücksichtslos auf die Straße setzen können. Dabei ist die Zumtobel-Belegschaft ein gut aufeinander eingespieltes, erfahrenes Team, das sinnvolle Produkte für Krankenhäuser und andere öffentliche Einrichtungen herstellen könnte. Es ist an der Zeit, das kapitalistische Privateigentum nicht mehr als „heilige Kuh“ zu betrachten und zu hätscheln. Betriebe, deren Eigentümer kein Interesse an der Weiterführung haben, gehören nicht demontiert, sondern entschädigungslos in öffentliche Hände überführt und unter die Kontrolle der Belegschaft gestellt. Es ist höchste Eisenbahn für einen gemeinsamen, internationalen Abwehrkampf.

„Wenn wir uns nicht rühren, rührt sich überhaupt nichts. Meine Weltanschauung hat gelitten. So geht man mit Menschen nicht um. Jahrzehntelang haben wir gute Arbeit geleistet. Jetzt sollen wir vor die Tür gesetzt werden und arbeitslos gemacht werden, obwohl eine Zukunftsperspektive mit einem Investor für unsere Arbeitsplätze da war. Das ist untragbar und unmenschlich“, sagt die Betriebsratsvorsitzende Gabriele Sandberg.

Die Zumtobel-Belegschaft erfährt Tag für Tag Solidarität aus Nah und Fern. Sie braucht aber noch viel mehr Unterstützung und Zuspruch, Spenden und direkte Besuche vor Ort.

Solidaritätsmails an:
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Solidaritätsbesuche bei den Streikposten:
Zumtobel Lighting GmbH, Achtzehnmorgenweg 2–4, 61250 Usingen (Zufahrt: Am Gebackenen Stein)

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