Kategorie: Kapital und Arbeit

Das Elend der Werksvertragsarbeiter – Meyer Werft in Papenburg erneut in der Kritik

Als im Frühsommer 2013 zwei rumänische Werkvertragsarbeiter, die für einen Subunternehmer auf der Papenburger Meyer Werft beschäftigt waren, bei einem Brand in einer völlig überfüllten Unterkunft ums Leben kamen, war die Bestürzung ziemlich groß.


Es stellte sich heraus, dass die Werkvertragsarbeiter nicht nur in Massenunterkünften untergebracht wurden, sondern, dass sie immer wieder die gesetzlich zulässige Arbeitszeit überschreiten und täglich bis zu zwei Schichten schieben mussten. Nach Auskunft eines rumänischen Arbeiters wurde die rumänische Krankenversicherung von den deutschen Ärzten nicht akzeptiert, so dass Arbeiter, die einen Arbeitsunfall erlitten, für die Bezahlung selbst aufkommen mussten.

Um weitere Negativschlagzeilen zu vermeiden, beschloss die Geschäftsführung der Werft, eine Task Force einzusetzen. Diese Task Force sollte die Situation der ausländischen Werkvertragsarbeite analysieren und verbessern. Sie besteht aus Mitgliedern der Werftleitung, dem Betriebsrat, Vertretern der IG Metall und dem ehemaligen niedersächsischen bzw. sachsen-anhaltinischen Justizminister Remmers.

Am 12. September 2013 wurde zwischen der Werft und der IG Metall ein Haustarifvertrag vereinbart, der am 01.10. in Kraft getreten ist. "Der Tarifvertrag verpflichtet die Werkvertragsunternehmen zur Einhaltung von Mindeststandards im Arbeits- und Gesundheitsschutz. Dazu zählen unter anderem gesetzliche Höchst-Arbeitszeiten, eine angemessene Unterbringung sowie ein Bruttostundenlohn von mindestens 8,50 Euro (heute 9,50 Euro). Die Werft verpflichtet sich in dem Vertrag, Ausländer bei ihrem ersten Einsatz im Werk in ihrer Muttersprache über die geltenden Mindeststandards und über Möglichkeiten zur Beratung zu informieren. Auch sollen die Werkvertragsmitarbeiter die Sozialräume wie die Umkleiden oder die Kantine mitbenutzen dürfen." (IG Metall 28.09.2013) Der Betriebsrat wird bei den Fragen zur Abstimmung zwischen Produktionsplanung und Personalplanung bei Werkverträgen informiert und soll darüber wachen, dass die Regelungen des Tarifvertrags eingehalten werden.

Wir schrieben bereits damals: „Es mussten erst zwei rumänische Kollegen sterben, bevor die Verantwortlichen auf der Werft unter dem Druck der öffentlichen Meinung reagierten und die Sozialcharta sowie den Haustarifvertrag abschlossen. Diese individuelle Lösung auf der Meyer Werft könnte für andere Betriebe Vorbildcharakter haben. Dabei kommt es darauf an, dass die Gewerkschaften sich aktiv für die Belange der Werkvertragsarbeiter einsetzen und die Betriebsräte ihre Kontrollrechte einsetzen.“

Fast fünf Jahre sind seitdem vergangen und jetzt berichtet Der Spiegel in seiner aktuellen Ausgabe über rumänische Werkvertragsarbeiter, die für den Subunternehmer Isofonics GmbH bei der Meyer-Tochter ND-Coatings beschäftigt sind, und meldet neue Missstände, die nicht mit der o. g. Sozialcharta zu vereinbaren sind und die deutlich machen, dass Leih- und Werkvertragsarbeit schon lange abgeschafft gehört.

Constantin Naidin hat fünfeinhalb Jahre auf der Werft gearbeitet und ist am 07. März entlassen worden, weil er bei Isofonics nach dem Zustandekommen seines Lohnes und Urlaubsgeld fragte. Naidin und seine Kollegen mussten täglich 15 Stunden arbeiten. Im Oktober arbeitete er 292 Stunden 160 wurden ihm lediglich ausgezahlt. Somit arbeitete er für ca. sechs Euro die Stunde, weit unter dem Mindestlohn. Dazu kamen die miserablen Wohnverhältnisse in einem schimmligen Dachzimmer, das er sich mit sieben Kollegen teilen musste. Ihm wurde von seinem Lohn Zigarettengeld abgezogen, obwohl er Nichtraucher ist. Sein Arbeitgeber richtete für ihn bei einer Filiale der Deutschen Bank ein Lohnkonto ein, kassierte aber die Bankkarte ein.

Inhaber der Firma Isofonics GmbH ist George-Cristian Toader, ein Rumäne, der früher einmal selbst auf der Werft beschäftigt war. Naidin und andere Werkvertragsarbeiter berichten, dass in dem Unternehmen ein System der Einschüchterung geherrscht habe. Arbeiter, die sich über Unregelmäßigkeiten beschwerten, wurden vor versammelter Mannschaft heruntergeputzt und bedroht. Toader sammelte die Bankkarten der Arbeiter ein und verschob Summen im fünfstelligen Bereich. „Für den Isofonics-Chef lief es gut. Fast 300.000 Euro Gewinnvortrag wies seine Firma für 2016 aus – ein ziemliches Kunststück bei nur 1,2 Millionen Euro Bilanzsumme.“ (Nils Klawitter, Ausgebeuteter Werftarbeiter, Der Spiegel 31.03.2018).

Die Vertreterin der IG Metall Leer-Papenburg, Ursula Wentingmann, die die Lohnabrechnungen nachgerechnet hat, stellte fest, dass im Fall des Werkvertragsarbeiters Marian Pirva 100 Stunden im Monat nicht bezahlt wurden und ihm im Zeitraum von Februar 2017 bis Januar 2018 insgesamt 11.754, 56 Euro vorenthalten wurden. „Das hieße: Sozialversicherungsbetrug, Verstoß gegen Arbeitszeitgesetze, Verstoß gegen den Mindestlohn und womöglich Sittenwidrigkeit: Viele Werkvertragsarbeiter waren als Fachkräfte angestellt und müssten mindestens zwei Drittel des Tariflohns bekommen.“ (ebd.)

Die Meyer Werft wäscht ihre Hände in Unschuld. Ein Werftsprecher verwies darauf, dass der Subunternehmer für die o.g. Fälle verantwortlich sei. Jedes Subunternehmen, das für Meyer arbeite, habe sich verpflichtet, sich an die in der Sozialcharta festgelegten Standards zu halten, außerdem überprüfe der TÜV Rheinland die Einhaltung der Selbstverpflichtung. Bisher sei der Subunternehmer Isofonics nicht negativ aufgefallen. Anders der Sprecher von ND Coatings, der zugibt, dass die Firma über Unregelmäßigkeiten bei den Lohnabrechnungen seit dem Sommer 2016 informiert war.

Der Betriebsrat fordert wie die IGM die Wiedereinsetzung der Task Force. Der Erste Bevollmächtigte und frühere Betriebsratsvorsitzende der Meyer Werft, Thomas Gelder, betonte im NDR, dass die Werft für alle Beschäftigten auf dem Betriebsgelände verantwortlich sei, also auch für die Werkvertragsarbeiter. Gelder monierte, dass der Gewerkschaft bislang der Zugang zu den externen Beschäftigten verwehrt werde.

Das hier geschilderte Problem der rumänischen Werkvertragsarbeiter ist kein Einzelfall. Immer wieder werden Subunternehmen mit krimineller Energie versuchen, ausländische Arbeiter brutal auszubeuten. Kurzfristig könnte der von der IG Metall vorgeschlagene Zugang zu den Werkvertragsarbeitern helfen, die schwarzen Schafe unter den Subunternehmern zu entlarven. Langfristig gehören Leih- und Werkvertragsarbeit aber auf den Müllhaufen der Geschichte. Sie dienen nicht nur zur Spaltung der Belegschaften, sondern verschaffen den Unternehmen Extraprofite in Milliardenhöhe.

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