Real hat einen Jahresumsatz von über 7,2 Milliarden Euro und ist eine Tochter des tonangebenden Metro-Konzerns. Metro-Chef Olaf Koch will statt Tarifvertrag mit ver.di nun eine neue „Tarifpartnerschaft“ mit der „Unternehmervereinigung für Arbeitsbedingungen im Handel und Dienstleistungsgewerbe“ (AHD) angehen. Diese Dachorganisation ist bereits mit anderen Metro-Töchtern „im Geschäft“ und schließt Tarifverträge vorzugsweise mit dem Verband „DHV – Die Berufsgewerkschaft“ ab, der wiederum zum „Christlichen Gewerkschaftsbund“ (CGB) gehört. DHV steht für den Begriff „Deutschnationaler Handelsgehilfenverband“. Nach 1918 stand der Verband Alfred Hugenbergs Deutschnationaler Volkspartei (DNVP) nahe, sah sich als Teil der völkischen Bewegung, lehnte die Aufnahme von Juden als Mitglieder ab und arrangierte sich zunehmend mit der Hitlerpartei NSDAP. DGB-Gewerkschafter betrachten diese Organisation wie auch andere CGB-Verbände völlig zu Recht als unternehmernahe, „gelbe“ Gewerkschaften“. Sie werfen ihnen vor, Gefälligkeits-Tarifverträge im Interesse des Kapitals abzuschließen und Arbeitnehmerinteressen mit Füßen zu treten.
Lohnopfer waren umsonst
Metro-Chef Koch begründete die Tarifflucht damit, dass ver.di eine „offenkundige Blockadesituation“ an den Tag gelegt und sich geweigert habe, mit „wettbewerbsfähigen Personalkosten“ eine „Sanierung“ von Real zu gewährleisten. Tatsächlich hatte ver.di jedoch 2016 in einem „Zukunftstarifvertrag“ für rund 34.000 Real-Beschäftigte große Zugeständnisse gemacht und Lohneinbußen akzeptiert. Im Gegenzug verpflichtete sich Metro zum Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen, Bestandsgarantien für die meisten Filialen und Modernisierungen in Milliardenhöhe.Nach jahrelangem Lohnverzicht sollten die Lohnopfer ab 2019 zurückgefahren und die Real-Beschäftigten wieder schrittweise nach dem Flächentarif für den Einzelhandel entlohnt werden. Doch davon will Koch nichts mehr wissen. Ein Lehrstück, das zeigt, dass erpresste Lohnopfer unterm Strich keine guten und tarifgebundenen Arbeitsplätze sichern und bei profithungrigen Kapitalisten nur Appetit auf mehr wecken.
ver.di-Aktivisten kritisieren, dass die Unternehmensleitung die Lohnopfer keinesfalls genutzt habe, um die vereinbarten Investitionen in eine Erneuerung der Filialen vorzunehmen und deren Wettbewerbssituation zu verbessern. „Die Mehrzahl der Real-Märkte tritt weiterhin auf der Stelle“, so ein ver.di-Mitgliederinfo. Probleme und damit die Gefährdung vieler Arbeitsplätze seien nicht durch ver.di oder die Beschäftigten verursacht, sondern „ebenso hausgemacht wie die gesamte miserable Lage des SB-Warenhauses“. Selbst die unternehmernahe „Lebensmittel Zeitung“ kam zu einer ähnlichen Schlussfolgerung. Die Beschäftigten hätten jahrelang auf hohe Summen verzichtet, um Real eine Chance zu geben, sich zu erholen“, so das Branchenblatt am 12. Januar 2018: „Jetzt ist die Zeit verstrichen und die Perspektiven am Markt sind nicht sichtbar besser geworden.“
„Offenbar ist den Verantwortlichen im Metro-Konzern ein tariflich garantierter Schutz der 34.000 Beschäftigten bei Real völlig egal“, kritisiert ver.di-Vorstandsmitglied Stefanie Nutzenberger. „Wir stellen uns auf eine harte Auseinandersetzung in diesem Generalkonflikt ein und werden uns weiter für die Tarifbindung bei Real einsetzen – mit Löhnen, Gehältern und Arbeitsbedingungen, die zum Leben reichen“, so die Gewerkschafterin.
„Armutstarife sind mit uns nicht zu machen“, so Nutzenberger. Schon jetzt seien die Verdienste zu knapp für ein auskömmliches Leben im Alter. So komme eine nach Tarif bezahlte Verkäuferin nach 45 Jahren Vollzeit bestenfalls auf 1.200 Euro Altersrente im Monat. Viele Teilzeitbeschäftigte und Minijobber hätten Altersarmut zu erwarten. „Das noch abzusenken, während die Managergehälter stetig erhöht werden, hat mit seriöser Unternehmensführung nichts zu tun“, erklärte Nutzenberger. Auch ihr Angebot, den „Zukunftstarifvertrag“ mit den Lohnopfern zu verlängern, lehnt Koch ab. Er will aufs Ganze gehen.
Der Kampf um die Tarifbindung bei Real ist nur ein Glied einer langen Kette. Mittlerweile gilt für weniger als ein Drittel der deutschen Einzelhandelsunternehmen ein Tarifvertrag. ver.di forderte die Arbeitgeberverbände zu einer Reform der Allgemeinverbindlichkeitserklärung von Tarifverträgen auf. „Das schützt all die Betriebe, die Tariflöhne zahlen, vor Schmutzkonkurrenz“, so ver.di-Chef Frank Bsirske.
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