Der Eigentümer der Firma, Aloys Wobben, hasst nach eigenen Angaben Gewerkschaften und Betriebsräte und bekämpft diese, weil mit der betrieblichen Mitbestimmung „sein Lebenswerk bedroht“ wird. (nach Otto König/Richard Detje, Betroffen ist einer – Gemeint sind wir alle, Zeitschrift Sozialismus 12/2014) Aus diesem Grund hat Wobben die Enercon-Muttergesellschaft in mindestens 250 nationale und internationale Tochtergesellschaften aufgesplittet, in der Region Ostfriesland waren das im Jahre 2014 250 rechtlich selbstständige Firmen mit 4000 Beschäftigten.
„Im Bereich der erneuerbaren Energien hat der Markführer Pionierarbeit geleistet; im Umgang mit den Beschäftigten herrscht autoritärer Rückschritt. Die saubere Energie wird mit unsauberen Methoden produziert. »Das Unternehmen agiert innerbetrieblich wie im vorletzten Jahrhundert und hat offensichtlich deutlich Schwierigkeiten, demokratische Strukturen und die Mitbestimmung von Beschäftigten zu akzeptieren«, so IG Metall-Bezirksleiter Hartmut Meine. Das Management drohte den Beschäftigten, das Weihnachts- und Urlaubsgeld zu streichen bzw. die Produktion zu verlagern, wenn sie Betriebsräte wählen würden.“ (König/Detje)
Am 2.8.18 teilte der Konzern mit, dass an den Standorten Emden, Aurich, Westerstede, Haren und Magdeburg insgesamt 835 Stellen gestrichen werden. Enercon spricht von Zulieferfirmen, in Wahrheit sind diese Betriebe Tochtergesellschaften des verschachtelten Unternehmens. Der Konzern begründet diese Maßnahme mit der rückläufigen Auftragslage in der Bundesrepublik. Nach Angaben der Konzernleitung liegen die Ursachen für das Problem darin, dass seit 2017 pro Jahr nicht mehr als 2.800 Megawatt an Windenergie neu installiert werden dürfen und die neuen Ausschreibungen für den Bau von Windparks zu einem enormen Kostendruck geführt hätten. Enercon wolle sich zukünftig stärker auf das Auslandsgeschäft konzentrieren.
Eigene Fehler sehen die Bosse nicht, dabei ist schon lange zu beobachten, dass der inländische Markt für neue Windparks an seine Grenzen gestoßen ist. Die Verspargelung der Landschaft, das Verschwinden von Waldflächen für Windanlagen, der von den Anlagen verursachte Lärm und die möglichen Gefahren durch den Infraschall haben in der Bevölkerung zu einem Umdenken geführt, so dass die Genehmigung neuer Windanlagen immer problematischer wird. Dazu kommt, dass beim so genannten Re-powering (vollständige Austausch älterer Windenergieanlagen gegen moderne, leistungsfähigere Modelle) Riesenanlagen installiert werden, die in Zukunft eine Höhe von bis zu 250m erreichen werden. Enercon hatte sich frühzeitig entschieden nur auf Windkraftanlagen auf dem Land (onshore) zu setzen. Bei offshore Anlagen vor der norddeutschen Küste, haben mittlerweile Konzerne wie Siemens die Nase vorn.
Die Betriebsräte und Belegschaften an den betroffenen Standorten wurden am 2.8. ohne Vorwarnung über den Verlust der Arbeitsplätze informiert. Serhart Özdemir, Betriebsrat bei WEC Turmbau in Emden sagte dazu in der Ostfriesen Zeitung: „Der Betriebsrat wurde um 9 Uhr informiert, um 10 Uhr die Vorarbeiter und um 12 Uhr die Belegschaft… Es herrschte Totenstille… Geknickt gingen die Mitarbeiter nach Hause und kamen am nächsten Tag wütend wieder. Viele haben sich beklagt, dass sie nicht organisiert sind und nichts mehr ausrichten können.“ (OZ, 3.8.18)
Im emsländischen Haren sollen bei der Enercon-Tochter Aero, die mit der Wickelkernfertigung für Anlagen vom Typ E 126 beschäftigt ist, 225 von 275 MitarbeiterInnen ihren Arbeitsplatz verlieren. Dazu zitiert die Ems-Zeitung den Betriebsrat Rainer Hüring: „Der Konzern möchte natürlich gerne zügig Verhandlungen mit dem Betriebsrat führen, um sie schnell abzuwickeln und Geld zu sparen.“ Dies sei aber keinesfalls auf die Bedürfnisse der Mitarbeiter ausgerichtet, geschweige denn sozialverträglich. Hüring wirft Enercon und der Geschäftsführung von AERO vor, dass sie sich schnell „der Verantwortung und Pflicht“ entziehen wollen. Zudem hofft der Betriebsrat auf „Rückendeckung durch die Politik und den Landkreis Emsland bei der Bewältigung der Situation“. (EZ, 3.8.18) In einem Interview mit der EZ am 7.8. wies Hüring darauf hin, dass der Mutterkonzern psychischen Druck auf die Belegschaft ausübe und damit drohe, auch die restlichen 50 Arbeitsplätze zu streichen, falls die KollegInnen das Angebot nicht annähmen.
Die Hoffnung sich allein auf die Politik zu verlassen, dürfte nicht besonders groß sein, da Enercon zwar gerne bereit war in der Gründungsphase reichlich staatliche Subventionen zu kassieren, sich aber ansonsten wenig um die Interventionen von Politikern scherte als es um die Einhaltung des Betriebsverfassungsgesetzes und des Rechts auf gewerkschaftliche Organisierung ging.
Um zu verhindern, dass Enercon die MitarbeiterInnen an den einzelnen Standorten gegeneinander auszuspielen, hatte die IGM für den gestrigen Mittwoch zu einem Treffen aller Betriebsräte an den betroffenen Standorten eingeladen. Hier wurde beschlossen, den Druck auf den Konzern zu erhöhen. Michael Hehemann, Geschäftsführer der IGM Emden sagte: „Wir wollen nicht über Sozialpläne sprechen, sondern mit der Geschäftsführung Alternativen suchen.“ (OZ, 9.8.18) Bei den Enercon-Beschäftigten handelt es sich um qualifizierte Arbeitskräfte, mit dem Ausscheiden aus dem Unternehmen würde dieses Know-How verlieren. Hehemann rief die Politik dazu auf, den Schulterschluss mit der Gewerkschaft zu suchen und Enercon zum Umdenken zu bewegen.
Als nächstes ist ein Gespräch mit dem niedersächsischen Wirtschaftsminister Althusmann und Konzernvertretern geplant.
Wichtiger wäre es, den Unmut und die Wut, die sich in der betroffenen Region angesammelt hat, zu nutzen und ein breites Solidaritätsbündnis zu schmieden, um den betroffenen KollegInnen zu zeigen, dass sie in ihrem Kampf für ihre Arbeitsplätze nicht alleinstehen.
Ein Betrieb wie Enercon, der erst mit Steuergeldern zu dem werden konnte, was er heute ist und eine bedeutende Rolle bei der zukünftigen Energieversorgung spielt, aber seinen sozialen Verpflichtungen nicht nachkommt, sollte in die öffentliche Hand unter Arbeiterkontrolle überführt werden.
Die LINKE KV Leer hat folgende Presseerklärung verfasst:
Enercon – ein Konzern entlässt seine Kinder
Jahrelang von regionaler und Bundes-Politprominenz aller Parteien rechts von der LINKEn hofiert, ist längst klar geworden: der Produzent alternativer Energiegewinnungs-Anlagen ist nicht gleichermaßen auch Garant einer alternativen sozialen Betriebs- und Personalpolitik. Über Behinderungen der Gewerkschaftsarbeit und Angriffe auf Betriebsratsmitglieder bei Enercon ist oft berichtet worden. Sicher nicht grundlos. Der Konzern setzt ohne Zögern auf „Verschlankung“ im Inland, um sich verstärkt dem Auslandsgeschäft zuzuwenden. Auf der Strecke bleiben – zunächst – die von Entlassungen betroffenen Kolleginnen und Kollegen der Zulieferbetriebe. Unisono beklagen -von CDU über die IHK bis hin zu den Grünen- die Bürgerlichen eine Entscheidung in der Logik des Kapitals und heucheln Betroffenheit. Von einer Entscheidung „ohne Anstand“ ist in einem OZ-Kommentar die Rede. Können Massenentlassungen jemals „anständig“ sein? Die von Entlassungen bedrohten Kolleginnen und Kollegen sind in erster Linie Opfer einer fatalen Energiepolitik der schwarz-blassrosa Bundesregierung und in zweiter Linie Opfer mangelnder Einflussmöglichkeiten von Betriebsräten und Gewerkschaften auf solche Entscheidungen
Notwendig ist - die Rücknahme der Enercon-Entscheidung, dazu entsprechender politischer Druck auf die Enercon-Spitze - eine politische Wende in den Einflussmöglichkeiten von Gewerkschaften und Betriebsräten, eine eklatante Verbesserung der Einflussmöglichkeiten dieser auf betriebliche Entscheidungen. - eine radikale Änderung der nationalen Energiepolitik hin zu den erneuerbaren Energien.
Unserer Solidarität gilt uneingeschränkt den von Entlassungen bedrohten Kolleginnen und Kollegen!
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