Die saubere Energie wird mit unsauberen Methoden produziert.“ Im Spätsommer 2018 war bekannt geworden, dass Enercon aufgrund der Flaute auf dem inländischen Markt für Windkraftanlagen 835 Beschäftigte an verschiedenen Standorten entlassen wollte. Zu diesen Standorten gehörte auch die Tochterfirma – oder wie es die Enercon-Bosse seit damals sagen: der Zulieferbetrieb WEC Turmbau in Emden, wo 190 von 280 Mitarbeiter ihren Job verloren.
Beim Kampf um die Arbeitsplätze hielt sich der bisherige Betriebsrat, der zur Hälfte aus Bereichsleitern und Vorabeitern bestand und mit einer unabhängigen Liste koalierte, vornehm zurück. Dies führte dazu, dass die Unabhängigen zusammen mit der IG Metall (IGM) einen Misstrauensantrag gegen den bisherigen Betriebsratsvorsitzenden stellten. Sechs von elf Mitgliedern stimmten für die Absetzung des Vorsitzenden Harken. Eine Woche danach traten alle Mitglieder der arbeitgebernahen Liste einschließlich Nachrücker zurück.
Danach setzte sich das fort, was schon im April 2018 vor den Betriebsratswahlen begonnen hatte. Der neue BR-Vorsitzende von WEC Turmbau, Serhat Özdemir, beschrieb damals auf einer SPD-Parteiveranstaltung, wie versuchte wurde, ihn im Vorfeld der letzten BR-Wahlen loszuwerden. Es begann mit einer Abmahnung, weil er Betriebsinterna an die Öffentlichkeit gebracht habe (er hat als Betriebsrat die Kollegen über die Entlassung der bei WEC Turmbau beschäftigten Leiharbeiter informiert), und ihm wurde ein Aufhebungsvertrag in Höhe von 40.000 Euro angeboten. Als Özdemir das Angebot nicht annahm, erhöhte die Geschäftsführung den Betrag auf 80.000 Euro und schickte eine zweite Abmahnung nach, weil er angeblich einen bezahlten Nebenjob nicht angezeigt habe (hier geht es um seine ehrenamtliche Tätigkeit als gewählter Stadtrat für die SPD in der Stadt Leer). Özdemir lehnte das Angebot erneut ab und trat mit einer IG M-Liste zu den BR-Wahlen an. Kurz vor den Wahlen begannen erneut Repressalien gegen ihn und die IGM. In den Sozialräumen wurden Flugblätter auf den Tischen der Mitarbeiter gelegt, auf denen ein Foto von Özdemir und seiner Frau zu sehen waren. Sie trugen die Überschriften wir „Wollt ihr den?“ oder waren mit dem Logo der Fernsehserie „Goodbye Deutschland“ und einem Foto des IGM-Betriebsrats versehen.
Am Tag nach dem Antritt des von der IGM dominierten Betriebsrats kam es zu erneuten Mobbingaktivitäten. Überall im Betrieb tauchten anonyme Klebezettel auf, auf denen dem Betriebsrat „Hodenschwund“ vorgeworfen wurde. Andere Parolen waren: „Der Betriebsrat – kneifen kann er ja – sich verpissen wäre besser gewesen!“ oder „Lauft nicht so dumm hier in der Halle rum! Das Ihr hier noch arbeitet, ist echt traurig, wenn ihr geht, ist der Betriebsfrieden echt wiederhergestellt!“. Ebenso wurde die angebliche Freistellung von Betriebsräten, „die als freigestellte Betriebsräte ihre Kollegen im Stich ließen“, moniert. (Quelle: Ostfriesen Zeitung, 27.03.2019)
Der Betriebsrat sollte nach dem Willen der Geschäftsführung das bisherige Büro aufgeben, um dort für ein ärztliches Behandlungszimmer Platz zu schaffen. Stattdessen wurde dem Betriebsrat ein ehemaliger Wäschecontainer zugewiesen, der eigens dafür an den äußersten Rand des Betriebsgeländes umgesetzt worden war.
Als eine Betriebsversammlung stattfinden sollte, wurde in dem vorgesehenen Raum ein Kuchenbuffet wegen eines Geburtstages eröffnet. „Ein Kaffeeempfang, der exakt beginnt, als der Betriebsratsvorsitzende die Kollegen begrüßt: Zufall?“ fragt der Journalist der Ostfriesen Zeitung zu Recht in seinem Bericht.
Der Geschäftsführer der IGM Emden, Michael Hehemann, ist der Überzeugung, dass hinter diesen Aktionen die zurückgetretenen BR-Mitglieder stecken, die insgeheim von der Geschäftsführung gesteuert werden. Aus diesem Grund hat die Gewerkschaft Strafantrag nach §119 des Betriebsverfassungsgesetzes gegen Unbekannt und stellvertretend gegen den WEC-Turmbau-Geschäftsführer Norbert Hölscher gestellt - „wegen Behinderung und/oder Störung der Arbeit des Betriebsrates“, so die Ostfriesen Zeitung.
Die Geschäftsführung streitet die Vorwürfe – wer hätte es anders erwartet – ab. Wie wir oben erwähnt haben, hatte Geschäftsführer Hölscher Serhat Özdemir vor einem Jahr eine Abfindungsprämie in Höhe von 80.000 Euro angeboten, um den aktiven Gewerkschafter loszuwerden. Dieser hat sich allerdings nicht kaufen lassen. Was wir jetzt erleben, ist eine Fortsetzung der unendlichen Geschichte bei Enercon bzw. deren „Zulieferer“.
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