Der noch amtierende ver.di-Vorsitzende Frank Bsirske rief vor kurzem dazu auf, sich an dem globalen Klimastreik am 20. September 2019 zu beteiligen. Abhängig Beschäftigte sollten aber nicht streiken, sondern dafür ausstempeln, wenn denn die Möglichkeit bestehe, so Bsirske.
Der nächste notwendige und konsequente Schritt zur Durchsetzung eines wirksamen Klimaschutzes wäre ein Aufruf zum politischen Streik oder Generalstreik. Bsirske verfolgt jedoch andere Interessen. Er ist als früherer Lufthansa-Aufsichtsrat und Grünen-Mitglied genau wie viele andere hauptamtliche Gewerkschaftsfunktionäre zum guten Partner von Politik und Wirtschaft geworden. Er möchte dieses System, mit dem er verlässlich die letzten Jahrzehnte sozialpartnerschaftlich gearbeitet hat, nicht grundsätzlich angreifen oder ändern.
Diesem Zustand gegenüber stehen die Massenproteste der vergangenen Jahre zu den verschiedensten gesellschaftlichen Themen. Diese warten auf die Reaktion der Gewerkschaften, die immerhin (noch) einen wichtigen Teil der Arbeiterklasse in Deutschland organisieren oder mobilisieren können. Doch die Fronten der „alten Verwalter” und der „jungen Aktivisten” sind verhärtet.
Vor allem ältere ehren- und hauptamtliche Kolleginnen und Kollegen haben schiere Angst vor der Fridays for Future Bewegung, abgesehen davon, dass sie sich damit nicht identifizieren können. Das Wort „Generalstreik” ist gar verpönt und wird in Diskussionen vermieden. Viele Betriebsratsfürsten, die sich über Jahrzehnte in den Gewerkschaftsstrukturen als Ehrenamtliche sonnten, laufen mit derart großen Scheuklappen durch ihren Betrieb und erst recht durch die Welt. Neue Ideen werden skeptisch beäugt oder wegdiskutiert – es könnte ja dazu führen, dass sie an diesem Prozess arbeiten müssten. Es ist also ein Zusammenspiel aus Scheu und Verdrossenheit („das haben wir schon immer so gemacht, das werden wir nicht ändern”), das die alltägliche gewerkschaftliche Arbeit und die Gewerkschaft daran hindert, voranzukommen.
Diese Situation gilt es aufzubrechen und dafür zu sorgen, dass Gewerkschaften ihren Aufgaben nachgehen – das heißt, ihre Mitglieder betrieblich immer weiter und intensiver auf eine Abwehr der bevorstehenden oder bereits stattfindenden Angriffe und Repressionen vorzubereiten. Denn Gewerkschaften haben die Mittel und theoretisch auch die Kraft (allein die DGB-Gewerkschaften umfassen knapp sechs Millionen Mitglieder), um erfolgreich gegen den Kapitalismus anzukämpfen.
Wenn ver.di und Co. diese Chancen, wie sie ihnen aktuell etwa mit der Fridays For Future-Bewegung, den Unteilbar-Demos und anderen Bewegungen zuhauf geboten werden, verpassen, dann könnte sich ein großer Teil der vor allem jungen Aktiven von ihrer Organisation abwenden. Das geschieht jetzt bereits vermehrt in der Arbeiterschaft. Doch Distanz, Rückzug und Austritt sind keine Lösung. Denn gerade der niedrige gewerkschaftliche Organisationsgrad in vielen Bereichen und Branchen erschwert den Kampf für Verbesserungen, für Tarifverträge, mehr Lohn und andere Fortschritte.
Der nächste Wirtschaftsabschwung steht vor der Tür. Es wird zunehmend schwieriger, Verbesserungen des Lebensstandards der Arbeiterklasse durchzusetzen. Die Gewerkschaftsführung hält trotzdem nach wie vor dogmatisch an der Sozialpartnerschaft fest und verkauft sie als einzig sinnvolles Mittel.
Die Realität sieht jedoch so aus, dass es von Seiten des Kapitals keinen Spielraum mehr geben wird, Zugeständnisse zu machen. Die Gewerkschaftsführung muss sich von dem Gedanken der Verhandlung auf Augenhöhe mit den Ausbeutern verabschieden, ansonsten wird sie untergehen. Sollte es irgendwo kämpferisches Potential geben, wird das nicht nur gebremst, sondern regelrecht geleugnet, um zusätzliche Tarifkonflikte zu vermeiden. Häufig werden die Belegschaften als nicht kampfbereit genug dargestellt. Auch so kann man die eigenen Entscheidungen legitimieren. Man versucht, Konfrontation mit dem Kapital zu vermeiden. Falls sich ein Arbeitskampf nicht vermeiden lässt, soll so schnell wie möglich eine Einigung erzielt werden – auf Kosten der Belegschaft. Es werden immer schlechtere Tarifabschlüsse erzielt, die in der Öffentlichkeit als Erfolge verkauft werden. Auch die IG Metall-Spitze berät beispielsweise Manager in hohen Positionen, wie sie ihr Unternehmen besser leiten können – mit fadenscheinigen Argumenten, wonach Arbeiterinteressen dabei eine Rolle spielen würden.
Die nächste Krise wird kommen und die Bosse und Gewerkschaftsapparate werden sie nicht zahlen. Das sollen wir machen! Arbeiter, Studierende, Schüler, Rentner usw. Darum müssen wir Druck auf unsere Gewerkschaftsführungen und -apparate ausüben. Sie müssen die Mitglieder an der Basis und in den Betrieben organisieren, aufklären und auf die kommenden Angriffe der herrschenden Klasse vorbereiten. Sie müssen die Kampforganisation der Arbeiterklasse und nicht freundlicher Verhandlungspartner der Bosse sein!
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