Der Bericht stützt sich auf Recherchen von BuzzFeed News Deutschland und Report Mainz. Zu Beginn schildert Susanne T., die bei einem Versandhändler bei Trier arbeitet, wie dort der Chef auf den Gesundheitsschutz der Arbeiterinnen und Arbeiter pfeift. Weder Mund-Nasen-Schutz und noch Desinfektionsmittel wurden bereitgestellt, Sicherheitsabstände werden nicht gewährleistet. Über Wochen beschweren sich Susanne T. und ihr Ehemann beim Ordnungsamt, doch es tut sich neun Monate lang gar nichts. Erst im Januar dieses Jahres erfolgt eine Kontrolle, die die geschilderten Zustände vorfindet. Der Versandhändler wurde aufgefordert, den Gesundheitsschutz zu gewährleisten, aber eine Vor-Ort-Kontrolle blieb bisher aus.
Dann wird über die Zustände bei den Arbeitsschutzbehörden berichtet. Auf die gemeinsamen Anfragen von Report Mainz und BuzzFeed News Deutschland haben 50 Behörden geantwortet: Die meisten gaben an, dass sie Betriebe hauptsächlich mündlich oder schriftlich auf Verstöße gegen die Corona-Verordnungen angesprochen haben. Nur selten mussten die Betriebe aber bei Verstößen Bußgelder zahlen, von Schließungen ganz zu schweigen. Laut einer Auswertung der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung geben 12 bis 13 Prozent der Beschäftigten an, dass in ihren Betrieben noch immer keine ausreichenden Schutzvorkehrungen getroffen wurden. Zudem seien die Home-Office-Regelungen laut befragten Beamten nicht überprüfbar.
Bei den Verordnungen herrscht Chaos, viele würden sich widersprechen. Den Behörden fehlen oft die rechtlichen Mittel konsequent durzugreifen. Oft würden gar keine Anordnungen mehr an die Geschäftsführungen ausgestellt, weil sie zu nichts führen würden. Die Behörden sind stark unterbesetzt und mussten häufig zusätzlich Personal für andere Aufgaben während der Pandemie abstellen. In den letzten Jahrzehnten wurde die staatliche Aufsicht stark zurückgefahren und bei Behörden enorm eingespart. So wird ein Betrieb im Schnitt nur noch alle 25 Jahre kontrolliert. In manchen Regionen sogar nur noch alle 50 Jahre.
Eine Gesetzesänderung des Arbeitsschutzkontrollgesetzes sieht nun vor, dass ab 2026 Kontrollen mindestens alle 20 Jahre durchgeführt werden sollen. Das wird aber weder in Zukunft helfen, den Arbeitsschutz sicherzustellen und schon gar nicht, um jetzt mit der Pandemie fertig zu werden.
Die Belegschaften müssen ran
Die Recherchen zeigen, dass der Arbeitsschutz nicht durch die Behörden garantiert werden kann. Die Regierungen und die staatlichen Behörden können oder wollen nicht die Gesundheit und das Leben der Mehrheit der Bevölkerung schützen. Die Bundesregierung weigert sich seit nunmehr über einem Jahr Maßnahmen durchzusetzen, die die Pandemie wirklich beenden könnten. Sie schützen nur den Profit der Kapitalistenklasse, die in dieser Krise umso reicher wird. Denn nach wie vor müssen die meisten arbeiten, während die verordneten Einschränkungen vor allem das Privatleben betreffen. Die Impfungen gehen extrem schleppend voran und Virusmutationen drohen manche Impfstoffe unbrauchbar zu machen.
Das Personal in den Krankenhäusern war schon vor der Pandemie völlig überlastet und arbeitet seit einem Jahr am völligen Limit. Auch dort kann der Gesundheitsschutz nicht garantiert werden. Das zeigt sich an dem Ausbruch der Virusmutation aus Großbritannien im Humboldt-Klinikum in Reinickendorf in Berlin. Dort musste das gesamte Klinikpersonal und die Patienten in Quarantäne und es wurden keine weiteren Patienten aufgenommen. Ein anderes Beispiel für die Unfähigkeit der Regierungen ist der geplante Abbau von über 400 Stellen beim Bremer Klinikverbund Gesundheit Nord, der wie 200 weitere Kliniken bundesweit insolvenzgefährdet ist. Auf die Unterfinanzierung im Gesundheitswesen folgen Personalabbau und Standortschließungen.
Nur eine Strategie, die auf die Ausrottung des Virus ausgerichtet ist, kann diesem Chaos ein Ende setzen. Deshalb muss die Arbeiterklasse den Schutz der Gesundheit und des Lebens selbst in die Hand nehmen! Eine Umfrage der IG Metall, von über 250.000 Beschäftigten in 6.700 Betrieben zeigt, dass 72 Prozent der Befragten für einen gemeinsamen überbetrieblichen Kampf gegen die Angriffe der Kapitalisten bereit sind. Sie brauchen jetzt eine Perspektive, wie dieser Kampf organisiert werden kann. Die Gewerkschaften des DGB haben die Verantwortung eine nationalkoordinierte Kampagne für Belegschaftskontrolle am Arbeitsplatz in die Hand zu nehmen. Dafür müssen sie eine Aufklärungskampagne starten, für Demonstrationen und Streiks mobilisieren sowie zur Bildung von Betriebskomitees zur Durchsetzung von Belegschaftskontrolle auffordern.
Belegschaftskontrolle heißt, dass die Arbeiter und Angestellten in ihren Unternehmen Komitees bilden. Diese Komitees sollten sich aus Delegierten zusammensetzen, die von den Kolleginnen und Kollegen gewählt werden. Sie sollten gemeinsam mit (wo vorhanden) Betriebs-/Personalräten und Betriebsgruppen die Umsetzung der notwendigen Gesundheits- und Sicherheitsmaßnahmen kontrollieren. Sie sollten die Kontrolle über die Bestellung und Verteilung der persönlichen Schutzausrüstung haben. Diese Komitees sollten die Umstellung der Arbeitsvorgänge entsprechend der nötigen Schutzvorkehrungen anleiten und durchsetzen. Wo möglich muss Home-Office in Anspruch genommen werden können. Die Arbeiterinnen und Arbeiter müssen die Möglichkeit haben, die Produktion zu stoppen, wenn eine unmittelbare Gefahr besteht oder die Produktion bzw. die Dienstleistungen nicht lebensnotwendig sind – bei voller Lohnfortzahlung durch die Unternehmen.
Für den Sozialismus
Der Kapitalismus hat uns in die wahrscheinlich tiefste wirtschaftliche Krise aller Zeiten geworfen. Zusammen mit der Corona-Pandemie und der sich vertiefenden Klimakrise stellt es uns vor die Frage: Wie wollen wir weiterleben?
Die Regierungen und die Bosse machen nichts, das die Probleme der Arbeitenden, Armen, der Rentner und der Jugend wirklich lösen könnte. Im Gegenteil verschwenden sie unsere Lebenszeit und rauben uns die Zukunft. Deshalb müssen wir uns organisieren und für eine revolutionäre Lösung der Krise kämpfen. Wir haben alle Mittel und Ressourcen, all die großen und kleinen gesellschaftlichen Probleme zu lösen. Die Arbeiterklasse muss sie nur unter ihre Kontrolle stellen. Sie muss sich über alle Grenzen hinweg vereinen und koordinierte Aktionen der weltweiten Arbeiterklasse aufbauen. Mit vereinten Kräften können wir die Kapitalisten zwingen unsere Forderungen zu akzeptieren. Aber vor allem können wir ihnen die Kontrolle über die Wirtschaft und die Politik entreißen und die Gesellschaft im Interesse und nach den Bedürfnissen der Mehrheit einrichten. Der Kampf um Belegschaftskontrolle ist der erste notwendige Schritt, der jetzt gemacht werden muss, um dieses Ziel zu erreichen.
Dafür braucht es eine revolutionäre Strömung mit einem sozialistischen Programm in den DGB Gewerkschaften.
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