Kategorie: Kapital und Arbeit

Lohnverzicht lohnt sich nicht

In der Tarifrunde für die Metall- und Elektroindustrie (M+E), Volkswagen und die Eisen- und Stahlindustrie hat mit dem Ende der Friedenspflicht am 1. März jetzt die erste bundesweite Welle von Protestveranstaltungen und Warnstreiks begonnen. Zigtausend Beschäftigte in mehreren hundert Betrieben in allen Ecken des Landes haben seit Wochenbeginn die Arbeit niedergelegt. Ein größerer Konflikt nimmt Gestalt an.

Bild: IG Metall Mülheim


Die Gewerkschaft IG Metall fordert ein Volumen von vier Prozent mehr Geld. Damit sollen höhere Löhne und/oder eine Beschäftigungssicherung in angeschlagenen Betrieben etwa durch Arbeitszeitverkürzung mit nur teilweisem Lohnausgleich finanziert werden. Eine Option dafür wäre eine Vier-Tage-Woche. Der gewerkschaftliche Forderungskatalog hat aber auch den betrieblichen Nachwuchs im Blick und zielt auf eine Übernahme von Auszubildenden sowie verbindliche tarifvertragliche Rechte für dual Studierende ab. Überfällig ist auch die Angleichung der Arbeitsbedingungen in Ostdeutschland. Dort steht bisher noch die 38 Stunden-Woche im M+E-Tarifvertrag, in Westdeutschland schon längst die „35“.

Dieses Forderungspaket ist relativ bescheiden. Vor einem Jahr hatte die IG Metall nach dem Einbruch der Pandemie einer Nullrunde zugestimmt. Bei der Aufstellung der jetzigen Forderung im November hatten viele an der Gewerkschaftsspitze gehofft, dass das Unternehmerlager diese Mäßigung honorieren und bald einem lauwarmen Kompromiss zustimmen würde.

Doch der Unternehmerverband Gesamtmetall mit seinen regionalen Ablegern tickt längst anders. In der M+E-Branche werden Tarifverhandlungen regional geführt. Bayerns IG Metall-Chef Johann Horn hatte noch Ende vergangener Woche in einer vierten Verhandlungsrunde mit dem regionalen M+E-Verband einen Kompromiss auszuloten versucht und dabei auf Granit gebissen. „Die wollen auch für 2021 weiter eine Nullrunde und beharren auf ihrer Gegenforderung nach automatischen Abweichungen vom Tarifvertrag“, so seine Kritik. Zudem hätten die M+E-Funktionäre versucht, „Teile des hart erkämpften Weihnachts- und Urlaubsgeldes aus den Tarifverträgen herauszulösen“. Dies komme nicht in Frage. „Damit provozieren sie den Widerstand der Beschäftigten“, so sein Fazit.

Horn sieht sich auch dadurch bestätigt, dass sich die Branchen unter dem Dach der M+E-Industrie mehrheitlich zuletzt insgesamt „positiver als erwartet“ entwickelt hätten. Die betriebliche Realität zeige, dass es viel Arbeit und hohe Gewinne und damit auch etwas zu verteilen gebe“, so der Metaller. „Die Beschäftigten mussten 2020 große finanzielle Einbußen verkraften. Jetzt müssen die Unternehmen den Menschen etwas zurückgeben und sie an der wirtschaftlichen Erholung beteiligen.“

„Kurzarbeit und Lohneinbußen, Arbeiten mit Abstand und Maske oder im Homeoffice bei gleichzeitiger Kinderbetreuung haben viele Beschäftigte an den Rand ihrer Kräfte gebracht. Statt konstruktiv zu verhandeln, verweigern sich die Arbeitgeber einer Lösung. Das nehmen wir nicht länger hin“, sagt Jörg Köhlinger, Chef des IG Metall-Bezirks Mitte.

Somit ist aktuelle Tarifauseinandersetzung schlagartig zu einer zentralen Auseinandersetzung im realen Klassenkampf geworden, die weit über den IG Metall-Bereich ausstrahlt. Es geht nicht nur um Löhne und Arbeitsbedingungen. Gesamtmetall drängt auf mehr Flexibilität der Flächentarifverträge nach unten.

Zudem geht es in diesem Konflikt auch Zukunft der Automobil- und Zulieferindustrie. Viele Unternehmen haben 2020 hohe staatliche Subventionen bezogen und bauen gleichzeitig massiv Stellen bzw. beharren auf Betriebsschließungen und Verlagerung der Produktion in Niedriglohnländer. Schließlich zeigt sich jetzt, dass die Unternehmerverbände von der alten Politik des „Geben und Nehmen“ und der Kompromisse abrücken. Sie nutzen die Krise, um statt Nullrunden oder kleiner Zugeständnisse im Windschatten der Pandemie weitreichende Verschlechterungen durchzudrücken. Sie wollen den Flächentarifvertrag aushöhlen und würden am liebsten statt mit der IG Metall nur noch mit dem Betriebsrat verhandeln. Einzelne Betriebsräte sind aber eher erpressbar als eine große und kampferprobte Gewerkschaft. Die IG Metall kann sich dies nicht bieten lassen und muss ihre Handlungsfähigkeit und Kampfbereitschaft unter Beweis stellen, will sie nicht als zahnloser Tiger dastehen. Mäßigung hat nichts gebracht, jetzt hilft nur massiver Streikdruck.

Somit stehen die Zeichen in den Bastionen der größten deutschen und europäischen Industriegewerkschaft auf Eskalation. Die Hoffnung an der IG Metall-Spitze, durch Hinnahme einer Nullrunde 2020 und eine moderate Tarifforderung für 2021 zu einem raschen Abschluss noch vor Ablauf der Friedenspflicht zu kommen, ist nicht aufgegangen. Eine ähnliche Erfahrung hatte 2020 im Tarifbereich Öffentlicher Dienst bereits ver.di gemacht. Offenbar nutzen die Arbeitgeberverbände die Krise für eine Offensive und testen die Widerstandskräfte der Gewerkschaften. Umfragen der IG Metall bestätigen die Bereitschaft zur überbetrieblichen Solidarität im Kampf um Lohnerhöhung, Arbeitsplatzerhalt und kürzere Normalarbeitszeit etwa durch eine Vier-Tage-Woche.

Nun muss sich zeigen, wir energisch die IG Metall Stärke zeigt und wie groß die gesellschaftliche Rückendeckung für die IG Metall und ihren richtungsweisendenden Tarifkampf ist. DIE Streikkasse ist gut gefüllt. Volle Unterstützung für die volle Durchsetzung der Forderung. Vollstreik! Alle Gewerkschafter und linken Aktivisten müssen die Bedeutung der Angriffe durch Gesamtmetall begreifen und sich in der aktuellen Tarifrunde hinter die IG Metall stellen.

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