Kategorie: Kapital und Arbeit |
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IG Metall: Aus Volldampf wurde Vollbremsung |
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Die IG Metall hat in der Tarifrunde M+E einen Abschluss erzielt. Nachdem die größte deutsche Gewerkschaft aufgrund der Corona-Krise bereits im Jahr 2020 eine Nullrunde gefahren ist, dreht sie auch für dieses und kommendes Jahr die gleichen Kreise. Dabei waren mehr als 800.000 Beschäftigte – zumindest kurzfristig – im Warnstreik. Woran hats gelegen? |
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Seit Ende März steht fest, der IG Metall Bezirk Nordrhein-Westfallen hat einen Tarifabschluss im Bereich Metall- und Elektroindustrie. Dieser ist als sogenannter Pilotabschluss für ganz Deutschland richtungweisend und wurde bereits in Baden-Württemberg und dem Bezirk Mitte übernommen. Alle weiteren Bezirke werden folgen, so war das Prozedere zumindest in der Vergangenheit, mit wenigen, speziellen regionalen Abweichungen. Der neue Tarifvertrag hat eine Laufzeit von 21 Monaten und gilt bis zum 30. September 2022. „Mit dem Tarifabschluss in der Metall- und Elektroindustrie in NRW sichert die IG Metall Beschäftigung, Zukunft und Einkommen: 500 Euro jetzt. Ab 2022 kommt dann ein jährliches Transformationsgeld dazu, das 2023 auf 27,6 Prozent steigt und auch zur Arbeitszeitverkürzung genutzt werden kann“, so die IG Metall zu ihrem Abschluss. Das sind die harten Fakten, doch zuerst einen Schritt zurück: Bereits vor der Tarifrunde gab es massive Angriffe aus den Unternehmerverbänden. Aus diesen Kreisen hieß es, die Forderungen der IGM seien utopisch, sogar dreist und nicht finanzierbar, vor allem da doch alle durch Corona in der Krise stecken würden. Eine der Forderungen der IG Metall waren z.B. magere 4 Prozent Lohnerhöhung. Demgegenüber hatte der Unternehmerverband Südwestmetall beispielsweise auf massive Kostensenkungen gedrängt, wollte langjährige Errungenschaften wie tarifliche Pausen und Schichtzuschläge abschaffen sowie die Alterssicherung einschränken. In diesem Tarifabschluss wurden zwar keine direkten Lohnkürzungen und Personalabbau abgeschlossen, aber auch keine Einkommenserhöhung.
Ein konkreter Blick auf die Details des Tarifabschlusses lässt Böses erahnen. Es gibt eine 500 Euro Corona-Prämie im Juni 2021 – zwar netto, also ohne Abzüge, dafür nur einmalig. Die Auswirkungen auf den Geldbeutel werden kaum merklich sein. Im Grunde gibt es für die Beschäftigten auch 2021 – nachdem das bereits 2020 der Fall war – bei den Tabellenentgelten eine absolute Nullrunde mit Leermonaten, d.h. dass es keinerlei Lohnerhöhungen gibt. Zuletzt gab es am 1. April 2018 eine Lohnsteigerung von damals 4,3 Prozent. Zusammengerechnet, mit der Laufzeit des neuen Tarifabschlusses, sind das bis Oktober 2022 insgesamt mehr als 4,5 Jahre ohne Lohnerhöhungen! Das sogenannte Transformationsgeld, das es als jährliche Sonderzahlung zusätzlich zur einmaligen Corona-Prämie geben soll, wirkt mehr intransparent als praktisch umsetzbar. Dieses Transformationsgeld von 18,4 Prozent (im Februar 2022) – ab Februar 2023 dann jährlich in Höhe von 27,6 Prozent eines Monatsentgelts – soll von Betrieben je nach „wirtschaftlicher Lage“ einsetzen. Betriebe, denen es „gut geht“, zahlen das Geld an die Beschäftigten aus. Betriebe, denen es „schlecht geht“, wandeln das Geld in mehr Freizeit für die Beschäftigten um, verkürzen dadurch die Arbeitszeit und sichern damit nach Auffassung der IGM Arbeitsplätze. Welche Parameter jedoch für "gut" oder "schlecht" eingesetzt werden, bleibt bisher offen. Eine solche Wahlmöglichkeit zwischen Geld oder Zeit hatte die IG Metall bereits 2018 mit dem „Tariflichen Zusatzgeld“ (T-ZUG) abgeschlossen. Damals konnten Beschäftigte selbst wählen zwischen Geld oder Zeit – bis zu acht freien Tagen. In der Corona-Krise haben, nach Angaben der Gewerkschaft, viele Betriebe die T-ZUG-Tage auch kollektiv zur „Sicherung von Arbeitsplätzen“ genutzt. Mit dem neuen Transformationsentgelt (T-Geld) – kommt nun eine weitere kollektive Geld-Zeit-Option für Betriebe dazu. In Verbindung mit weiteren Tarifelementen können Betriebe dadurch nun die Arbeit um drei Stunden in der Woche auf eine 4-Tage-Woche verkürzen, wobei etwa bei einer Absenkung von 35 auf 32 Stunden, 34 Stunden bezahlt werden. Eine Milchmädchenrechnung: die Corona-Prämie tut den Bossen nicht sonderlich weh, denn auf diesen Nettobetrag zahlen auch sie keine Steuern und sonstige Sozialabgaben. Das Transformationsgeld muss nicht ausbezahlt werden, sondern kann in, für den Betrieb, günstigere freie Tage für den Beschäftigten getauscht werden, sollte es dem Betrieb „nicht gut gehen“. Und selbst wenn es als jährliche Einmalzahlung ausbezahlt werden würde, dann werden die Steuerabgaben des Arbeiters für diesen Betrag am Ende viel höher ausfallen als bei einer linearen Entgelterhöhungen.
Die IG Metall sagt zum Transformationsgeld: „Damit können Betriebe nun auch eine längere Transformation überbrücken – etwa den Umstieg auf Elektroautos.“ Anstatt also wirklich für die Zukunft zu planen, um auch Arbeitsplätze zukunftssicher zu gestalten, indem z.B. Arbeiter umgeschult und Arbeitsplätze angepasst werden, wird nach gewohnter Sozialpartner-Manier faul gedielt und eine Arbeitszeitverkürzung nur mit Teil-Lohnausgleich abgeschlossen. Die Konsequenz wird ein schleichender Prozess sein. Die Unternehmer werden zuerst durch nicht vollbezahlte Arbeitszeitverkürzung Entlassungen und Betriebsschließungen hinauszögern und dann schließlich zwei bis drei Jahre später trotzdem Arbeitsplätze abzubauen. „Dieser Tarifabschluss bietet tragfähige Antworten auf die drängenden Fragen unserer Zeit: auf die akuten Probleme infolge der Coronapandemie ebenso wie auf die strukturellen Herausforderungen, die die Transformation für unsere Branchen mit sich bringt,“ erklärte Jörg Hofmann, Erster Vorsitzender der IG Metall. „Inmitten einer der schwersten Krisen in der Geschichte der Bundesrepublik haben wir erreicht, dass die Krisenfolgen fair verteilt und nicht einseitig bei den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern abgeladen werden. Es ist uns gelungen, die Einkommen der Beschäftigten zu stabilisieren und Arbeitsplätze zu sichern. Das ist zunächst eine Frage der Gerechtigkeit. Wir stärken damit aber auch die Nachfrage und stützen somit die gesamtwirtschaftliche Entwicklung.“ Die IG Metall-Führung geht auch nach einem Jahr Coronapandemie und Wirtschaftskrise hauptsächlich Hand in Hand mit den Unternehmerverbänden. Dabei bekommen vor allem die großen Konzerne durch staatliche Subventionen die Krise kaum zu spüren. Zumal sie ihre Kassen und die Taschen der Anteilseigner auch schon vor der Krise auf Kosten der Arbeiterschaft gefüllt haben. Im Kapitalismus kann es keine faire Verteilung der Krisenfolgen geben, solange die Kapitalisten das Ruder in den Händen halten.
Die Krise sieht bei Großkonzernen wie Daimler, BMW u.a. nämlich anders aus: Daimler fuhr im „Corona-Krisenjahr“ einen Gewinn von vier Milliarden Euro ein (48 Prozent mehr als im Vorjahr) und sparte dabei auch noch massiv Löhne in Höhe von 700 Millionen Euro ein. Viele Arbeiter wurden aufgrund von Auftragsflauten in Kurzarbeit geschickt und zahlten sich in Form des mageren Kurzarbeitergeldes einen Teil ihrer Löhne aus ihren eigenen Abgaben in die Arbeitslosenversicherung. In anderen Abteilungen und Bereichen wurden dafür Überstunden geschoben. Das dicke Plus nutzte Daimler, um seinen Aktionären eine besondere Freude zu machen: Ganze 1,4 Milliarden Euro wurden an Dividenden ausgeschüttet – Geld gespeist aus Staatshilfen. Andere untermauernde Beispiele: BASF überweist Dividenden in Höhe von 3,4 Milliarden Euro, hat in Großbritannien aber Staatshilfe in Milliardenhöhe angenommen. Bayer will drei Milliarden Euro an seine Aktionäre zahlen und hat ebenfalls 670 Millionen Euro aus dem britischen Nothilfefonds kassiert. Auf Sätze, wie von Jörg Hofmann, lassen die Bosse und Aktionäre die Champagnerkorken knallen: „[…] Krisenfolgen fair verteilt und nicht einseitig bei den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern abgeladen […]“. Dabei ist dieser Abschluss ebenfalls ein Abladen der Krisenlasten, ein fauler Deal, der einzig den Konzernen und ihren Anlegern dient. Und er wird noch weitreichende Folgen haben, denn es wird keine Erholung der Wirtschaft geben, die bei den Lohnabhängigen ankommen wird. Bereits der sogenannte blutleere Aufschwung nach der Krise 2008, der im Frühjahr 2020 ein jähes Ende fand, hat für die Masse der Lohnabhängigen Stagnation oder sinkenden Lebensstandard zur Folge gehabt. Aktuell stecken wir in der größten Wirtschaftskrise seit dem Zweiten Weltkrieg und sie wird sich noch wesentlich vertiefen, solange die Pandemie weiterwütet. Deshalb werde Angriffe auf die Arbeiterklasse härter und umfangreicher sein: Lohnkürzungen, Streichungen von Sozialleistungen, höhere Steuern, Arbeitsplatzvernichtung, Standortschließungen. Irgendjemand wird die Schulden zurückzahlen müssen, die jetzt durch Geschenke an die Unternehmen gemacht werden. Wenn die Arbeiterklasse sich nicht wehrt, dann wird sie gezwungen sein, einzig und allein die Krisenlasten zu zahlen, während die Bosse und Kapitalisten ihre Schäfchen ins Trockene schaffen.
Auch plant Daimler zukünftig bis zu 20.000 Stellen in Deutschland zu streichen. Das ist die Antwort der herrschenden Klasse auf die sogenannte Transformation. Noch Mitte vergangenen Jahres mahnte die IG Metall an, dass in naher Zukunft bis zu 300.000 Stellen aufgrund von Corona und Strukturanpassungen in der Elektro- und Metallbranche wegfallen würden und kündigte Widerstand an: „[W]eil für uns klar ist, dass wir in der Krise für jeden Arbeitsplatz kämpfen“, sagte IG-Metall-Vorstand Jürgen Kerner dazu. Klar ist aber auch, dass sie aktuell machtlos gegenüber den großen Bossen und Konzernen dastehen. Sie nutzen die starke Hand der Belegschaften nicht, sondern ducken sich vor den Angriffen. Gerade jetzt wäre es umso wichtiger gewesen, auf einen Vollstreik hinzumobilisieren. Die DGB-Gewerkschaften sind dauerhaft in (Tarif-)Auseinandersetzungen mit Unternehmern in ganz Deutschland. Es wäre die Aufgabe der IG Metall-Führung einen Plan zu präsentieren, wie all diese Arbeitskämpf zu einem Generalstreik zusammengeführt werden können – unter dem Motto: „Keinen Cent, keinen Arbeitsplatz und keinen Betrieb für eure Krise! Die Bosse zur Kasse bitten!“ Die Führungen der DGB-Gewerkschaften haben es in der Hand, ihren 5,85 Millionen Mitgliedern eine Perspektive und ein Programm zu bieten, mit dem sie den Kampf auf die Straße und in die Betriebe tragen und mit nationalkoordinierten Arbeitsniederlegungen die Bosse und Kapitalisten unter Drucken setzen können.
Wir können weder Staat noch Kapital Vertrauen schenken. Sie werden die Krise nur in ihrem Interesse zu lösen versuchen. Jetzt schon laufen Stellenabbau, Lohnkürzungen und andere Verschlechterungen der Arbeits- und Lebensverhältnisse. Nach der Bundestagswahl sind massive Angriffe zu erwarten. Wir müssen uns an der Basis organisieren und kämpfen lernen. Wir müssen die zögerliche Führung unserer Gewerkschaften unter Druck setzen und von unten eine neue kämpferische Führung aufbauen. Nur so werden wir es schaffen, das Zögern vor schlagkräftigen Kampfmaßnahmen abzuwerfen. Deshalb heißt es jetzt mehr denn je: Wir brauchen eine aktive, selbstbewusste, kämpferische und gut vernetzte Basis. Wir brauchen eine sichtbare Opposition zu den gewerkschaftlichen Illusionen in die Sozialpartnerschaft und müssen uns auf die heftigen Klassenkämpfe der kommenden Jahre vorbereiten. Das geht nur mit einem sozialistischen Programm in den Gewerkschaften. Wenn die Kapitalisten für die Krise zahlen sollen, dann können wir das Privateigentum an Produktionsmitteln nicht unangetastet lassen. Heute heißt es um so mehr: Sozialismus oder Barbarei!
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