Kategorie: Kapital und Arbeit

Solidarität mit den streikenden Lokführern

Die GDL streikt erneut. Ist sie eine besonders progressive, kämpferische Gewerkschaft, die die Arbeiterbewegung nach vorne bringt? Weshalb gibt es unterschiedliche Gewerkschaften bei der Bahn?

Bild: gynti_46/flickr


Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es sogar drei größere Gewerkschaften bei der Bahn: Die Gewerkschaft der Eisenbahner Deutschlands (GdED) im DGB, die Gewerkschaft der Beamten und Anwärter (GDBA) und die Gewerkschaft der Lokomotivführer (GDL) beide im Deutschen Beamtenbund (DBB).

Traditionell haben beide Beamtengewerkschaften GDBA und GDL eher dem konservativeren (Beamten-)Lager und die GdED dem progressiveren Arbeiterlager angehört.

Mit der Privatisierung der Deutschen Bundesbahn 1994 war die DB AG geboren und die Zusammensetzung der Belegschaft änderte sich. Wer Beamter war konnte es bleiben, aber es wurde niemand mehr verbeamtet, auch allen Kolleginnen und Kollegen aus der ehemaligen DDR (Deutsche Reichsbahn) blieb der Beamtenstatus versagt. Es gab demzufolge immer weniger Beamte.

Der GDBA und GDL blieb also nichts anderes übrig als sich umzuorientieren, d.h. nicht nur Beamte zu vertreten, sondern auch Arbeiter und Angestellte. Der Konkurrenzkampf zur GdED wurde stärker.

Die GDL hat sehr früh erkannt, dass sie sich zwecks eigener Existenzsicherung, verstärkt um die zahlreichen nicht verbeamteten ostdeutschen Lokomotivführer bemühen musste und schickte Personal in den Osten, um Lokomotivführer für die Gewerkschaft zu rekrutieren. Die anderen Gewerkschaften waren nicht so schnell. Die GdED „erbte“ die organisierten Kollegen aus dem FDGB (DGB-Ost) und hatte damit organisatorisch zu tun.

Die GdED hat sich im Jahr 2000 in TRANSNET umbenannt, um die Gewichtung der zunehmenden IT-Berufe auch gerecht zu werden, blieb aber weiterhin die Gewerkschaft aller Berufsgruppen (Beamte, Angestellte, Arbeiter).

Der Schwund an Beamten führte bei der GDBA zur Existenzfrage. Sie entschlossen sich mit der TRANSNET zu fusionieren, mussten aber dafür den DBB verlassen. Nach der Fusion 2010 entstand aus TRANSNET und GDBA die Eisenbahn-Verkehrsgewerkschaft (EVG) im DGB, die mit ca. 189.000 Mitgliedern die Mehrheit der Eisenbahner vertritt. Der aktuelle EVG-Vorsitzende Hommel war führendes Mitglied der GDBA.

Die GDL mit ca. 32.000 Mitgliedern musste sich durch spezielle Forderungen für Lokomotivführer in den Tarifauseinandersetzungen behaupten. Sie vertritt auch einige Mitarbeiter des Services im Zug und Zugbereitstellung.

Die Arbeitgeberseite versucht stets die beiden Gewerkschaften in Schach zu halten. Tarifforderungen werden ausgerechnet und gewichtet, so dass im Endeffekt keine Gewerkschaft wirklich mehr als die andere erhält. Für die eine kommt z.B. mehr Gehalt, für die andere mehr freie Tage heraus.

Tarifeinheitsgesetz

Das Tarifeinheitsgesetz (TEG) von 2015 bedeutet, dass in einem Betrieb- oder Arbeitsverhältnis (Tätigkeit) nur ein Tarifvertrag anzuwenden ist. Im Konfliktfall soll der TV in Kraft treten, der von der Gewerkschaft mit den meisten Mitgliedern ausgehandelt wurde.

Die DGB-Gewerkschaften haben sich dafür stark gemacht um Spartengewerkschaften wie GDL, Cockpit, Marburger Bund, etc. die sich nur für bestimmte Berufe einsetzen, zu schwächen.

Die DB AG setzt das TEG seit April 2021 um. Festgelegt wurden 55 Betriebe mit EVG-Mehrheit, 16 Betriebe mit GDL-Mehrheit. Das TEG hat Auswirkungen auf rund 38.000 der über 210.000 DB-Mitarbeitenden in Deutschland. Es betrifft die Betriebe, in denen beide Gewerkschaften dieselben Berufsgruppen vertreten. Davon betroffen sind 71 der 300 Betriebe des Konzerns. Nun sollen in den Betrieben mit GDL-Mehrheit z.B. Langzeitkonten oder bezuschusste Verbund-Jobtickets nicht mehr gelten, da sie von der EVG ausgehandelt wurden.

Die EVG hat im Herbst 2020 einen schwachen Tarifvertrag ausgehandelt – Lohnerhöhungen von 1,5 Prozent ab 2022, Verzicht auf Einmalzahlung - und muss nun bangen. Sie kann zwar auf eine Revisionsklausel zurückgreifen, die ihr die Option den Tarifabschluss außerordentlich zu kündigen ermöglicht, falls die GDL einen besseren TV-Abschluss erzielt. Die GDL fordert eine Lohnerhöhung in 2021 und eine Coronaprämie von 600 Euro. Aber die EVG steht dann vor der eigenen Mitgliedschaft als lahme Ente da, die nicht aus eigener Kraft einen besseren Tarif erreichen würde. Sie muss nun kämpferischer werden. EVG-Vorsitzender Hommel kritisierte den GDL-Streik als „Politischer Streik“, so zumindest war er in der Presse zitiert worden. Das ist das Gegenteil von kämpferischer werden. Warum sollte ein politischer Streik als Negativbeispiel genannt werden?

GDL-Chef Claus Weselsky lässt seinerseits keine Gelegenheit aus Häme und Zwietracht gegenüber EVG-Kollegen zu schüren.

Beide Gewerkschaften sind damit Konkurrentinnen auf Kosten der Einheit der Arbeiterklasse. Dem Vorstand der DB AG kann es freuen, dass die Gewerkschaften nicht mit geballter Kraft agieren. Statt die die Kollegen der EVG persönlich zu verunglimpfen oder den GDL-Streik zu bekämpfen, ist eine Einheitsfront aller Bahnbeschäftigte das Gebot der Stunde, nicht nur bei den Tarifverhandlungen.

Es braucht einen gemeinsamen Kampf

Sämtliche Aktivitäten, Planspiele und Diskussionen um Börsengang, Privatisierung, Zerschlagung und (Teil-)Verkauf der Deutschen Bahn AG oder einzelner Töchter müssen endgültig und dauerhaft beendet werden.

Der permanente leistungshemmende Abbau von Ressourcen (vor allem im Anlagen- und Personalbereich) sowie von Kapazitätsreserven ist zu stoppen bzw., wo erforderlich, rückgängig zu machen.

Die grundlegenden Fehler der „Bahnreform“ von 1994, vor allem die Überführung der Deutschen Bahnen in die Rechtsform der privaten Aktiengesellschaft, müssen korrigiert werden. Die Eisenbahn soll der Allgemeinheit dienen. Sie eignet sich nicht als Anlage- und Renditeobjekt. Daher muss sie in eine öffentliche Rechtsform zurückgeführt werden, die eine Zerschlagung und Privatisierung ausschließt. Organisation und Verwaltung des Systems Eisenbahn müssen so erfolgen, dass es bestmöglich, effizient und kundenorientiert sowohl nach außen als auch in seinen inneren Strukturen und Abläufen funktionieren kann.

Hohe Qualität, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit der Eisenbahn müssen zügig (wieder-)hergestellt und dauerhaft gesichert werden. Die Entwicklungen im Bereich der Anlagen- und Fahrzeugtechnik sind konsequent an der funktionalen Einheit des Rad-Schiene-Systems zu orientieren, müssen Anforderungen hinsichtlich hoher Robustheit, Zuverlässigkeit und Verfügbarkeit im Alltagsbetrieb erfüllen sowie vor dem Betriebseinsatz ausreichend lange erprobt werden.

Statt Konzentration auf Milliarden verschlingende Prestigeprojekte wie Stuttgart 21 oder NBS Nürnberg-Erfurt wird auch für Deutschland ein zukunftsweisendes und bundesweites Gesamtkonzept für den Schienenpersonen- und Schienengüterverkehr benötigt, wie es im Nachbarland Schweiz in vorbildlicher Weise entwickelt wurde. Die Finanzmittel für den Netzausbau müssen unbedingt aufgestockt werden und sollten sich strikt am Infrastrukturbedarf für ein solches Gesamtkonzept und nicht an politischen und wirtschaftlichen Einzelinteressen orientieren. Die Schiene muss Rückgrat eines attraktiven öffentlichen Verkehrssystems werden, das künftigen Anforderungen von Umwelt-, Energie- und Raumordnungspolitik optimal gerecht werden kann.

Die systematische Benachteiligung der Eisenbahn gegenüber konkurrierenden Verkehrsträgern muss gestoppt, die bestehenden Wettbewerbsverzerrungen müssen beseitigt werden. Anstatt mit einem liberalisierten Buslinienfernverkehr und Riesen-LKW’s („Gigaliner“) neue und volkswirtschaftlich unsinnige Parallelkonkurrenz zur Schiene zu erzeugen, sollte die Verkehrspolitik vielmehr den erforderlichen Rahmen dafür schaffen, dass Bahn und Bus bzw. Straße und Schiene in einem integrierten und flächendeckenden öffentlichen Verkehrsangebot sinnvoll untereinander verknüpft werden können. Statt Abführung von Dividenden sollten die verfügbaren Erträge vor allem zur Qualitäts- und Kapazitätsverbesserung im Fahrzeug- und Infrastrukturbereich eingesetzt werden.

Wir lehnen einen Wettbewerb auf der Schiene ab, der das System Bahn immer weiter zerstückelt, insgesamt schwerfälliger und damit letztlich auch teurer macht. Dieser Wettbewerb erinnert in Teilen zudem an einen Rückfall in die Kleinstaaterei des 19. Jahrhunderts und spielt sich oft genug nur im Bereich der Lohnkosten und damit auf dem Rücken der Beschäftigten ab. Daneben führt er zu einer Aufblähung von Behörden- und juristischen Strukturen sowie eher hemmenden Regularien und setzt die Eisenbahnen einem unsinnigen Verdrängungskampf untereinander aus. Statt eines Verdrängungswettbewerbs zwischen den Bahnen fordern wir aber einen Wettbewerb um Ideen und Konzepte für eine „beste Eisenbahn“. Anstatt sich gegenseitig Marktanteile abzujagen, sollten die Eisenbahnen miteinander kooperieren und gemeinsame Strategien entwickeln, um sich im Wettbewerb gegenüber Auto und Flugzeug besser behaupten zu können.

Wir lehnen hochbezahlte Berate und Politiker, die ohne Eisenbahnkenntnissen bei der Bahn untergebracht werden ab.

Für eine Bahn zum Wohle der Umwelt, der Reisenden und der Mitarbeiter.

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