Eine überwältigende Mehrheit von ca. 98 Prozent der Beschäftigten stimmte für den Erzwingungsstreik. Zuvor hatte die Arbeitgeberseite ein 100-tägiges Ultimatum verstreichen lassen. Die Beschäftigten fordern gleiche Bezahlung für alle Beschäftigten (nach TVöD), egal ob festangestellt, bei Tochtergesellschaften beschäftigt oder Leiharbeiter. Hier kann der Gehaltsunterschied pro Monat bei gleicher Arbeit bis zu 900 Euro betragen. Die zweite Forderung ist die tarifliche Festschreibung des Pflegeschlüssels in einem Tarifvertrag Entlastung.
Das Erfolgsrezept der Berliner Kollegen
Die Berliner Krankenhausbewegung hat bereits wichtige Erfolge erzielt: Nach eigenen Angaben gewann die Gewerkschaft ver.di in einigen Wochen 1.800 neue Mitglieder im Zuge der Kampagne. Das steht im Gegensatz zur Situation anderswo: An vielen Orten laufen ver.di und anderen Gewerkschaften die Mitglieder weg, weil sie nicht sehen, welchen Nutzen die Gewerkschaft für sie hat. Das ist das Ergebnis ewiger Nullrunden, fauler Kompromisse mit dem Arbeitgeber und des Verzichts auf Streiks – kurz: die sozialpartnerschaftliche Orientierung der Gewerkschaften.
Als Marxisten haben wir immer gegen diese Strategie argumentiert. Die Gewerkschaften können nur erfolgreich sein, wenn sie sich nicht auf die Gnade der Arbeitgeber verlassen, sondern auf die Kampfbereitschaft der Beschäftigten. Die Berliner Krankenhausbewegung hat in dieser Hinsicht vieles richtig gemacht, wovon die Gewerkschaften überall lernen sollten: ver.di hat die Initiative ergriffen. Man ist aktiv auf die Belegschaft zugegangen und hat viele Kollegen in engagierten Gesprächen für den Kampf gewonnen. Von vornherein wurde der unbefristete Streik nicht gescheut.
Ein enorm wichtiger Schritt war, dass alle Beschäftigten für dieselben Forderungen kämpfen, egal in welchem Beruf oder bei welchem Unternehmen (Klinik/Tochter- unternehmen) sie arbeiten. In der Vergangenheit wurden diese Unterschiede von der Arbeitgeberseite genutzt, um die Beschäftigten zu spalten. Mit einigen wurden etwas bessere Ergebnisse ausgehandelt, mit anderen schlechtere. Am Ende wurden sie gegeneinander ausgespielt.
Ein weiterer Beitrag zum Erfolg ist die große öffentliche Kampagne, die ver.di um den Streik organisiert hat. Mit Plakatier- aktionen, öffentlichen Veranstaltungen und Großdemos wurde eine breite Unterstützung der Bevölkerung gewonnen. Während viele andere Tarifrunden in medialer Stille über die Bühne gebracht wurden, wird die Situation in den Berliner Krankenhäusern öffentlich skandalisiert.
Wer soll das bezahlen?
Die Beschäftigten sind seit Wochen im Streik. Bislang wurde ihnen kein ernstzunehmendes Angebot vorgelegt. Vivantes rechnet vor, dass die Forderungen von ver.di auf ca. 2.800 weitere Stellen und damit jährlich 35 Mio. Euro Mehrkosten hinausliefen. Das könne das Unternehmen sich schlicht nicht leisten.
Charité und Vivantes gehören zwar dem Land Berlin, sind aber eigenständige Unternehmen. Gesetzlich ist festgelegt, dass der Staat Investitionen finanzieren darf, Personal- und Materialkosten aber von den Kliniken selbst gezahlt werden müssen. Das Geld dafür kommt hauptsächlich aus der Fallpauschale. Die Kliniken werden so gezwungen, wie profitorientierte Unternehmen zu handeln. Während sich Klinikleitung und Berliner Senat gegenseitig den schwarzen Peter zuschieben, machte eine Vivantes-Vertreterin einen zynischen Vorschlag: Die höheren Personalkosten könnten durch höhere Krankenkassenbeiträge bezahlt werden, also von den Löhnen der Arbeiterklasse.
Wer soll also bezahlen? Auf diese Frage gibt es nur zwei mögliche Antworten: entweder die Arbeiterklasse oder die Kapitalistenklasse. Die Reichen sind in der Pandemie noch reicher geworden, während Millionen Beschäftigte ihren Job verloren und dutzende Krankenhäuser pleitegingen. Ihr Reichtum ist durch unsere Arbeit geschaffen worden und wurde durch niedrige Löhne, schlechte Arbeitsbedingungen und staatliche Sparmaßnahmen aus der Arbeiterklasse herausgepresst. Dazu kamen während Corona milliardenschwere Rettungspakete für Großkonzerne aus unseren Steuergeldern.
Keine Kompromisse!
Die Reichen, Konzerne, Banken und Fonds müssen durch sehr hohe Steuern und Enteignungen zur Kasse gebeten werden. Der Erfolg des Berliner Volksbegehrens „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ hat die große Unterstützung in der Bevölkerung für solche Maßnahmen gezeigt.
Dafür braucht es eine Ausweitung des Kampfes auf alle Krankenhäuser bundesweit, egal ob kommunal oder privat. Denn die Situation dort ist dieselbe wie bei Charité und Vivantes. Die Berliner Krankenhausbewegung hat vorgemacht, wie man starke und dynamische Kämpfe führen und die Beschäftigten begeistern kann. So kann ver.di bundesweit zehntausende neue Mitglieder gewinnen und eine echte Macht hinter sich sammeln. Zusammen mit der Partei DIE LINKE braucht es eine bundesweite Kampagne für die Verstaatlichung aller Krankenhäuser und medizinisch relevanter Infrastruktur unter der Kontrolle der Beschäftigten.
Vor allem dürfen sich die Berliner Kollegen nicht durch Spaltungen oder faule Kompromisse von ihrem Ziel abbringen lassen. Über ein mögliches Ende des Streiks und Angebote des Arbeitgebers müssen alle Streikenden demokratisch diskutieren und abstimmen.
Streik bis zum Sieg!
Für die Abschaffung der Fallpauschale!
Für die Verstaatlichung aller Krankenhäuser unter Arbeiterkontrolle!
Die Reichen sollen für die Krise zahlen!
Den Kampf auf das ganze Bundesgebietausweiten!
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