Kategorie: Kapital und Arbeit

Streik an der Uniklinik Würzburg: Klassenkampf statt Sozialpartnerschaft

Nach zwei Verhandlungsrunden gibt es noch immer kein Angebot der Arbeitgeber in den Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L). Beim Streik der Pflegekräfte des Uniklinikums Würzburg wurde vor allem eines deutlich: Die Streikenden wissen, dass sie vom Staat nichts zu erwarten haben. Es ist Zeit für Klassenkampf von unten, gegen kapitalistische Krise und Sparpolitik.

Bild: der funke


Vergangenes Jahr noch feierte sie die Politik als Heldinnen und Helden. Doch was die Kapitalistenklasse und die Regierungen tatsächlich für die Pflegerinnen und Pfleger übrighaben, zeigt sich gerade in den Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L), wo auch über den Lohn von Pflegekräften verhandelt wird. Am Verhandlungstisch sitzen mit der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) Vertreter aus den Finanzministerien der Bundesländer höchstpersönlich. Aber kaum geht es um Geld und die konkreten Arbeitsbedingungen, verstummen die warmen Worte aus der Politik: Nach zwei Verhandlungsrunden gibt es immer noch kein Angebot der sogenannten Arbeitgeber. Deshalb rief die Gewerkschaft ver.di erneut zu Streiks auf. In Würzburg beteiligten sich rund 250 Pflegerinnen und Pfleger des Universitätsklinikums am Arbeitskampf für eine Lohnerhöhung von 5 Prozent, mindestens aber 150 Euro monatlich, wie es ver.di unter anderem für den neuen Tarifvertrag fordert.

Gerade junge Beschäftigte zog es am Dienstag (16.11.) auf die Straßen – so etwa Val. Im Gespräch mit unserer Zeitung erzählt die Auszubildende, warum sie sich am Streik beteiligte. „Es ist einfach schade, dass man schon als Azubi so ausgebeutet wird.“ Sie berichtet von Überstunden und wie sie oft für ihre Kollegen einspringen muss. „Aus Rücksicht auf andere möchte man natürlich helfen“, erklärt Val. Aber dabei komme sie oft an ihre Grenzen: „Man versorgt als Azubi teilweise alleine einen Haufen Leute.“ Oft hätten ihre Patienten einen Pflegegrad, den sie in ihre Ausbildung eigentlich gar nicht versorgen dürfte. „Es ist eine starke psychische Belastung, aber auf jeden Fall auch physisch“, so die Auszubildende.

„Man hat das Gefühl, etwas bewegen zu können“

Dass es in den ersten beiden Verhandlungsrunden kein Angebot von den Arbeitgebern gab, war für Val ein Schlag ins Gesicht: „Man verausgabt sich, ist systemrelevant – auch als Azubi schon.“ Über das Verhalten der Arbeitgeber sagt sie: „Man merkt einfach, den Leuten ist es egal, solange sie das kriegen, was sie wollen.“ Das sei für sie die Motivation weiterzukämpfen. Wie für viele ihre jungen Kollegen, ist es auch für Val der erste Streik. „Es ist ein schönes Solidaritätsgefühl“, beschreibt sie die Stimmung. „Man hat das Gefühl, etwas bewegen zu können.“

Auch für ihre Kollegin Yagmur sind es die Arbeitsbedingungen, weswegen sie sich bei dem Streik in Würzburg beteiligt hat. Am meisten leide Yagmur ebenfalls unter dem Personalmangel. Sie erzählt: „Auf vielen Stationen haben wir keine Praxisanleiter, die uns erklären können, wie man den Job richtig macht, weil einfach die Zeit dazu fehlt.“ Um den Fachkräftemangel in der Pflege zu beseitigen, brauche es mehr Lohn, meint Yagmur. Und was müsste passieren, dass diese Forderung umgesetzt wird? Auf diese Frage antwortet die Auszubildende: „Es müssen mehr Leute zu den Streiks kommen. So werden sie uns hören.“

„Bis zum Erzwingungsstreik“

Genau das passiert auch, denn immer mehr junge Pflegekräfte erwachen zum politischen Leben und organisieren sich bei der Gewerkschaft ver.di, berichtet der Auszubildende Flo beim Streik. Laut ihm waren vor den Tarifverhandlungen von 680 Pflege-Azubis in Würzburg nur 28 Gewerkschaftsmitglieder. Er schätzt, dass es bald über hundert sein werden. „Alleine ich habe 30 Leute angeworben“, erzählt Flo über den Mitgliederzuwachs in den vergangenen Wochen.

Dementsprechend kämpferisch zeigt sich der junge Gewerkschafter: „Im schlimmsten Fall bin ich der Auffassung, dass wir da gerne weitergehen können – bis zum Erzwingungsstreik.“ Natürlich wolle man erst schauen, was die nächste Verhandlungsrunde bringt. „Aber meiner Einschätzung nach glaube ich, dass da nicht viel was anderes rauskommen wird, als in den ersten zwei Verhandlungsrunden.“

Klassenkampf statt Sozialpartnerschaft

Bei dem Streik in Würzburg wurde vor allem eines deutlich: Die Basis weiß, dass sie von Arbeitgeberseite nichts erwarten kann, ohne hart dafür zu kämpfen. Der Staat, d.h. die Landesregierungen, strapazieren die sogenannte Sozialpartnerschaft. Wie es in Wirtschaftskrisen zu erwarten ist, bedeutet diese „Partnerschaft“, dass die Beschäftigten die Krise auf ihrem Rücken austragen müssen. Die Gewerkschaftsspitze darf der Illusion einer Sozialpartnerschaft zwischen den Klassen nicht weiter nachrennen, sondern muss jetzt handeln. Lang genug nahm sie Kürzungen, Ausgliederungen, Privatisierungen und die leeren Versprechen in der Corona-Pandemie hin. Es ist Zeit für einen Kurswechsel: Wir brauchen Klassenkampf von unten gegen die kapitalistische Krise und Sparpolitik.

Die Pflegerinnen und Pfleger spüren am eigenen Leib, dass es so nicht mehr weitergeht. Deswegen darf die Gewerkschaftsspitze nicht im Alleingang darüber entscheiden, wie weit der Arbeitskampf geht. Es braucht Diskussionen und Abstimmungen unter allen Beschäftigten über den Fortgang der Streiks. Generell müssen die Beschäftigten selbst in die Organisation des Kampfes miteinbezogen sein und diesen maßgeblich bestimmen. Nur so kann eine breite Mobilisierung gelingen und die Beschäftigten ihre Interessen wirklich zum Ausdruck bringen und durchsetzen.

Das Vorgehen der Arbeitgeber ist ein Angriff auf den gesamten öffentlichen Dienst und macht der Kapitalistenklasse vor, dass sie in den anstehenden Tarifrunden und Arbeitskämpfen aller anderen Branchen noch härter gegen die Interessen der Arbeiterklasse vorgehen darf. Die Antwort darauf muss eine breite Kampagne und Mobilisierung des gesamten öffentlichen Dienstes sein, bis die Tarifforderungen von den Bossen – die Landesregierungen der Länder – akzeptiert wurden.

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