Die FAZ schrieb Anfang November: „Volkswagen in Wolfsburg: Produktion auf Rekordtief“. Die englische Financial Times schrieb zum industriellen Sektor in Deutschland, dass die Produktion von Kraftfahrzeugen und Anhängern im August im Vergleich zum Vormonat um 17,5 Prozent sank, „sodass die gesamte Industrieproduktion in Europas größter Volkswirtschaft 9 Prozent unter dem Niveau vor der Pandemie lag.“ Das ist ein fundamentaler Einbruch der Produktion. In der Automobilindustrie stehen zehntausende Arbeitsplätze auf dem Spiel.
Nach Berichten der FAZ wurden im Jahr 2016 Planvorgaben in einem „Zukunftspakt“ festgehalten, wonach jährlich mindestens 820.000 Autos im Stammwerk vom Band hätten laufen sollen. Daniela Cavallo, seit Mai 2021 Vorsitzende des Gesamt- und Konzernbetriebsrats der Volkswagen AG, kommentierte die Lage in einem Interview: „Auch bereinigt um die aktuellen Negativfaktoren Corona und Halbleitermangel sind wir von diesen gemeinsam verabredeten Plänen weit entfernt.“
Noch nie waren so viele Beschäftigte des Stammwerkes in Wolfsburg und für so lange von Kurzarbeit betroffen. Da aber die Buchführung über die Anzahl der auf Kurzarbeit abkommandierten Arbeiter dem Geschäftsgeheimnis unterliegt, finden sich keine konkreten Zahlen. Die Arbeiterklasse zahlt mit ihren Versicherungsabgaben das Kurzarbeitergeld, aber welche Unternehmen davon in welchem Umfang Gebrauch machen, bleibt schleierhaft.
Konzernchef Herbert Diess peitscht das führende Management auf große Veränderungen im Konzern an. Dazu gehören Pläne zur Vernichtung von Arbeitsplätzen. Der VW-Boss spekulierte darüber, 30.000 Stellen in Deutschland zu streichen, dementierte aber konkrete Pläne, nachdem es Kritik hagelte. Jobkürzungen sind damit sicher nicht vom Tisch, sondern in Vorbereitung und werden in Zukunft nur diskreter kommuniziert.
Der andere „Zukunftstrend“, der die Konzernkrise lösen soll, sind Elektroautos. Doch der Wettbewerb auf diesem Markt wird zwischen den großen Autokonzernen immer härter, insbesondere Tesla ist ein wichtiger Konkurrent bei Elektroautos. Im neuen Testla-Werk in Grünheide in Brandenburg wird ein Auto in zehn Stunden produziert. Im VW-Fahrzeugwerk Zwickau in Sachsen wird dreimal so lange für einen Elektro-ID.3 oder ID.4 gebraucht.
Bosse appellieren an die Arbeiter
Für Vorstandschef Diess geht es um die Steigerung von Produktivität und Profitabilität. „Wir produzieren in Wolfsburg 65 Prozent der Autos für den Export, müssen also wettbewerbsfähig in den Weltmärkten sein“, mahnte VW-Markenchef Ralf Brandstätter bei dem Managertreffen. Die FAZ schreibt, dass auch von französischen Autobauern die Konkurrenz steigt und sie effizienter als VW produzieren. Demnach liegt VW bei den verkauften Autos in Deutschland mit sechs Modellen unter den Top 10, während in der EU ohne Deutschland kein Modell mehr unter den Top 10 liege.
Um in diesem Konkurrenzkampf mithalten zu können, setzten die VW-Bosse darauf, mit Appellen an die Arbeiter die Krise zu meistern. Wie immer in Krisenzeiten heißt es dann, den Gürtel enger schnallen. Die Bosse setzen auf gesteigerte Arbeitshetze, Lohnverzicht und letztendlich auf Entlassungen. Das spüren die Kollegen und Kolleginnen konkret in Wolfsburg und Zwickau. Es wäre aber völlig falsch, den Bossen im Konkurrenzkampf beizustehen und die Krisenlast zu schultern, um ihre Profite zu retten.
Was muss die Antwort der Arbeiter sein?
Ein wesentliches Ergebnis einer Studie der IG-Metall ist die Einschätzung, dass in den nächsten Jahren Zehntausende Arbeitsplätze in der Metall-, Auto- und Elektroindustrie abgebaut werden. Kurzfristig sind nach Einschätzung der Gewerkschaft etwa 50.000 Arbeitsplätze von einem Abbau bedroht und weitere 180.000 Stellen sind gefährdet.
Bei VW in Wolfsburg wird an einem Deal von der IG Metall mit der Geschäftsleitung gearbeitet. Auch die Betriebsratsvorsitzende Cavallo setzt auf die Umstellung auf mehr E-Autos. Vollständig ignoriert wird dabei, dass diese Umstellung notwendigerweise nicht alle Arbeitsplätze erhalten wird. Zudem braucht es eine klare Verkehrswende weg vom Individualverkehr und einen massiven Ausbau des öffentlichen Personenverkehrs. Auch das Elektroauto wird keine umweltfreundliche Fortbewegung ermöglichen.
Doch weder Erhalt und Ausbau der Arbeitsplätze noch die Verkehrswende werden von den Kapitalisten angestrebt, schon gar nicht in der Automobilindustrie. Es gilt mit der Verfügungsmacht der Kapitalisten über die Produktionsmittel zu brechen. Das gibt auch die Satzung der IG Metall her. Unter Punkt 2 wird die Vergesellschaftung wichtiger Betriebe gefordert.
Ein Vorbild sind dabei die Kollegen bei Bosch in München in Berg am Laim. Bosch möchte das Werk schließen. Sie behaupten, der Grund seien E-Autos. Dagegen mobilisieren die Arbeiter und verweisen darauf, dass sie andere Dinge produzieren könnten. Es gibt tausende Industrieprodukte, die wir dringend brauchen, um beispielsweise den Klimawandel aufzuhalten: Solaranlagen, Windkrafträder, Wärmepumpen, Bahnen und Busse für den öffentlichen Verkehr.
Die Arbeiterklasse hat die Fähigkeit, diese Dinge herzustellen. Was sie hindert, ist der Profitzwang des Kapitalismus. Es braucht einen sozialistischen Kampfplan zum Erhalt aller Arbeitsplätze, für Arbeiterkontrolle der Produktion sowie einen gesamtgesellschaftlichen Plan für eine Verkehrswende.
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