Kategorie: Kapital und Arbeit |
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Hafenarbeiterstreik Welche Lehren ziehen wir aus dieser Tarifrunde? |
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Vor rund 44 Jahren fanden die letzten großen Tarifauseinandersetzungen inklusive wochenlangen Streiks an den deutschen Häfen statt. Nach jahrzehntelangem Verzicht, schlechten Tarifabschlüssen und damit einhergehenden niedrigen Lohnsteigerungen kam es in dieser Lohntarifrunde erstmals wieder zu Arbeitskämpfen in Hamburg, Emden, Bremen, Bremerhaven und Wilhelmshaven. |
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Ein Blick auf die Jahre 1970 bis 1977 macht deutlich, weshalb damals die lang andauernden Streiks stattfanden. 1977 gab es noch ca. 26.000 Hafenarbeiter in der BRD. Dann sanken die Zahlen bspw. in Bremen um 18,7 Prozent, wobei die Jahresleistung pro Hafenarbeiter um 21,9 Prozent im gleichen Zeitraum stieg. Dadurch fuhren die Kapitalisten höhere Profite ein. Durch die Industrialisierung des Hafenumschlags verringerte sich zwar die körperliche Arbeit, doch die Arbeitsbelastung stieg. Damals wie heute explodierte die Inflationsrate, sodass die Lohnerhöhungen der letzten sieben Jahre faktisch aufgefressen wurden. Die allgemeine Situation in der Hafenwirtschaft trug ebenfalls zu der Streikbewegung von 1977/78 bei. Nun standen die Hafenarbeiter im Mai dieses Jahres vor ähnlichen Zuständen. Die Inflation schlägt hohe Wellen und die schlechten Lohnabschlüsse der letzten Jahrzehnte machten sich deutlich bemerkbar. Die Teuerungsrate der letzten Jahre war in Deutschland einigermaßen stabil und niedrig – dadurch konnte die Gewerkschaftsbürokratie in ihrer sozialpartnerschaftlichen Manier viele Tarifabschlüsse am grünen Tisch verhandeln. Warnstreiks waren häufig nur symbolträchtig und haben wenig Druck auf die Kapitalisten ausgeübt. Nun hat sich das Blatt aber gewendet: Bereits vor Corona schlitterte Deutschland in eine Wirtschaftskrise, die dann in den Jahren ab 2020 immer deutlicher und spürbarer wurde. So ist zu bemerken, dass die Forderungen der Arbeiter nach wirklichen und spürbaren Lohnerhöhungen immer lauter werden. Forderungen und ErgebnisGenau das war der Ausgangspunkt bei der Lohntarifrunde der Seehäfen. ver.di forderte für die rund 12.000 Beschäftigten in den 58 tarifgebundenen Betrieben in Hamburg, Bremen und Niedersachsen eine Entgelterhöhung um 1,20 Euro pro Stunde sowie einen tatsächlichen Inflationsausgleich bei einer Laufzeit von 12 Monaten. Das Ergebnis sieht nun eine durchschnittliche Lohnsteigerung von 9,4% ab dem 1. Juli 2022 und eine Erhöhung um 4,4% ab dem 1. Juni 2023 vor – der Tarifvertrag endet am 31. Mai 2024. Für den Fall einer höheren Inflationsrate als 5,5% haben die Tarifparteien eine Verhandlungsverpflichtung, inklusive eines Sonderkündigungsrechtes, vereinbart. Das ist wiederum an die wirtschaftliche Situation der Betriebe gekoppelt – das war eines der größten Zugeständnisse von ver.di. Krise als neue RealitätDas Tarifergebnis erscheint auf den ersten Blick als eines der höchsten seit langer Zeit bei ver.di. Betrachtet man aber die wirkliche Inflationsrate, die faktisch jeden Tag steigt, versandet auch dieses Geld der Arbeiter in Miete, Sprit, Strom, Gas und Lebensmitteln, sodass am Ende des Monats kaum noch etwas übrigbleibt, wenn sie nicht ohnehin Schulden machen. Die neue Realität besteht aus Arbeitsverdichtung, Unterbesetzung, einem hohen Krankenstand und Existenzängsten und das quer durch alle Schichten der Arbeiterklasse – nicht nur mehr prekär Beschäftigte in Niedriglohnsektoren. Insgesamt sind die Tarifrunde der Seehäfen und die Streiks sinnbildlich für die Entwicklung der deutschen Arbeiterklasse. Die Hafenarbeiter haben wichtige Erfahrungen mit verschiedenen Einflüssen gemacht: dem Arbeitskampf als Werkzeug für Durchsetzungsfähigkeit; Repressionen durch den Staat in Form eines brutalen Polizeieinsatzes bei einem Streik; Schikane durch die Kapitalisten; eine Gewerkschaftsbürokratie, die eine Friedenspflicht mit den Kapitalisten einging und damit das Streikrecht aussetzte. Die Hafenarbeiter und viele Kollegen aus anderen Bereichen werden wichtige Schlüsse aus diesen Kämpfen für die Zukunft ziehen. Entscheidend ist, dass die streikenden Hafenarbeiter einen kämpferischen Weg für die kommenden Monate und Jahre geebnet haben. Klassenkampf statt SozialpartnerschaftDie Krise des Kapitalismus zwingt die Arbeiterklasse zum Kampf. In der kommenden Periode werden verschiedene Schichten von Arbeitern aus unterschiedlichen Branchen damit beginnen, für den Erhalt ihrer Arbeitsplätze, höhere Löhne, kürzere Arbeitszeiten und mehr Personal zu kämpfen. Überall gibt es die gleichen Probleme und das macht gemeinsame Kämpfe über Betriebs- und Branchengrenzen hinaus notwendig. Wir müssen aus unseren Kämpfen lernen und uns in den Betrieben und den Gewerkschaften für einen Kurswechsel im DGB einsetzen. Die sozialpartnerschaftliche Strategie der Gewerkschaftsspitze hemmt die Kampfkraft der Arbeiterbewegung. Deshalb ist für einen Kurswechsel der Aufbau einer sozialistischen Gewerkschaftsopposition notwendig. Klassenkampf steht auf der Tagesordnung und wir brauchen eine Gewerkschaftsführung, die auf der Höhe der Zeit ist und den Kampf gegen den Kapitalismus aufnimmt. |