Kategorie: Kapital und Arbeit

Im Betrieb und auf der Straße: Regierung und Kapital einheizen!

Seit Monaten beschwören bürgerliche Ökonomen und Politiker das Gespenst einer „Lohn-Preis-Spirale“ in den Nachrichten, im Radio und den Zeitungen. Die Bosse fordern Zurückhaltung in den Tarifrunden. Die Gewerkschaften, die „Sozialpartner“ der Unternehmerverbände, sollten „verantwortungsvoll“ handeln. In einer schweren Krise müssten alle Zurückhaltung üben, um Schlimmerem vorzubeugen.

IG Metall


Während die Inflation die Löhne auffrisst, wachsen die Profite der Konzerne. Allein von Juli bis einschließlich September haben die 40 DAX-Konzerne zusammen netto 30 Milliarden Euro Gewinn gemacht. So viel wie noch nie in einem dritten Quartal, berichtete das Handelsblatt. Mercedes machte 5,2 Mrd. Euro Gewinn, Volkswagen 4,3 Mrd. Euro, Siemens 3,9 Mrd. Euro, Airbus 836 Mil. Euro und Bayer 546 Mil. Euro, um nur einige zu nennen. Aber auch Unternehmen außerhalb des DAX machen große Profite, wie etwa BioNTech mit 1,78 Milliarden Euro.

Quartal für Quartal vermelden die Zeitungen Rekordgewinne bei den DAX-Konzernen, nachdem deren gemeinsamer Profit schon im letzten Jahr bei über 128 Mrd. Euro lag. Die Krise beschert der Arbeiterklasse eine Profit-Preis-Spirale und die Bosse fordern obendrein Genügsamkeit. Die Kapitalisten hingegen können sich ihrer Profite sicher sein, sie werden gestützt durch das Entgegenkommen der Bundesregierung. Der Staat macht in dieser Krise hunderte Milliarden Euro Schulden, um den Unternehmen beste Voraussetzungen für weiteren Profit zu bereiten, statt deren Profite für die Krisenbekämpfung heranzuziehen. 

Zudem ermöglicht die Regierung steuer- und abgabenfreie Sonderzahlungen für die Konzerne an die Beschäftigten, damit die Arbeiter wiederum auf spürbare Lohnsteigerungen verzichten und die Füße stillhalten. Man könnte erwarten, dass die DGB-Gewerkschaften diesen Schwindel aufdecken und einen entschiedenen Kampf führen, um die Inflation und die Lohnrückgänge der letzten Jahre aufzuholen. Aber dann täuscht man sich.

„Sozialpartner“ einig: Hände weg von den Profiten

In der Tarifrunde der Metall- und Elektroindustrie  zwischen der IG Metall und den im Dachverband Gesamtmetall zusammengeschlossenen Landesarbeitgeberverbände waren fast eine Millionen Arbeiter an den Warnstreiks beteiligt. Die Streiks wurden in beeindruckenden Bildern festgehalten. Die Kampfbereitschaft war groß. Die Verhandlungen zwischen den sogenannten „Sozialpartnern“ waren zäh, zumindest wurde es so nach außen kommuniziert. Die IG Metall drohte sogar mit 24-Stunden-Streiks. Ein Hauch von Klassenkampf wehte durch Deutschland. Es schien, dass der „Heiße Herbst“ ins Rollen kommt.

Dann lag auf einmal ein Pilotabschluss in Baden-Württemberg vor. Die Einigung: +5,2 % zum Juni 2023, +3,3 % Prozent ab Mai 2024, zwei Mal 1.500 Euro als steuer- und abgabenfreie Prämien – der Tarifvertrag soll für zwei Jahre gelten. Es reicht darauf hinzuweisen, dass die offizielle Inflation bereits bei 10,4 % liegt und auf das ganze Jahr gerechnet 8,4 % betragen soll. Für 2023 erwartet das Wirtschaftsministerium 8,8 % Preissteigerung über das gesamte Jahr. Ob und wann die Inflation einen Abbruch findet, ist noch längst nicht ausgemacht.

Solche Abschlüsse sorgen bei vielen Mitgliedern der DGB-Gewerkschaften für wachsenden Frust. Die Mitgliederzahlen sinken seit Jahren und die Mehrheit ist passiv. Viele sehen keinen Sinn aktiv zu sein, wenn die Führung regelmäßig Niederlagen vorbereitet und Lohnverzicht vereinbart. Der sozialpartnerschaftliche Kurs der Gewerkschaftsspitzen demoralisiert und schwächt die eigene Basis. Doch statt zu kämpfen und damit die selbstverschuldete Erosion aufzuhalten, ändert die Führung der DGB-Gewerkschaften ihren Kurs nicht. Dabei ist gerade jetzt die Zeit zu kämpfen.

Sozialpartnerschaft spaltet

Welche Folgen diese Politik der DGB-Gewerkschaften hat, war eindrücklich am Aktionstag „Solidarischer Herbst“ am 22. Oktober zu sehen. In Berlin, Stuttgart, Dresden, Düsseldorf, Hannover und Frankfurt schafften es ver.di und die GEW gemeinsam mit einigen Sozialverbänden und NGOs, gerade mal zusammengenommen 24.000 Menschen auf die Straße zu bringen – an einem Samstag. 

In ihrem Aufruf machten sie allein Russland und Putin für die Energiekrise, Inflation und alle weiteren Auswirkungen der Krise verantwortlich. Kein Wort über die Rolle des westlichen Imperialismus. Keine Kritik am Wirtschaftskrieg der USA und EU gegen Russland, der genauso für die Energiekrise sorgt. Keine Kritik an den Waffenlieferungen für das reaktionäre Selenskyj-Regime in der Ukraine, das die Rechte der ukrainischen Arbeiter brutal beschneidet. Keine Kritik an der Politik der deutschen Bundesregierung im Interesse der Banken und Konzerne. In ihrem Aufruf vertraten ver.di, und die GEW uneingeschränkte „Solidarität mit der Ukraine“, d.h. auch mit der arbeiterfeindlichen ukrainischen Regierung. Sie unterstützen die Politik der Bundesregierung, mit der Bitte, die Krisenlasten etwas gerechter aufzuteilen, damit auch „all jene beitragen, die es sich leisten können“. Wer das ist? Dazu kein Wort.

Mit diesem Unterwerfungskurs unter die Interessen der deutschen Kapitalisten und ihrer Regierung konnten diese Demonstrationen mit den blassen pastellfarbenen Plakaten wirklich niemanden begeistern. Die Aktion wirkte in erster Linie wie eine Alibi-Veranstaltung. Gemessen an den Mobilisierungen der AfD und anderer rechter Gruppierungen (insb. in Ostdeutschland), war das ein Rohrkrepierer – um das Wort einer hohen Funktionärin in ver.di zu gebrauchen. 

Das passiert, wenn die Gewerkschaften über Jahrzehnte nicht die Interessen der Arbeiterklasse ins Zentrum ihrer Politik stellen, sondern die Interessen des nationalen Wirtschaftsstandorts. Anstatt die gegensätzlichen Interessen zwischen den Kapitalisten und ihrer Regierung auf der einen, sowie die Interessen der Arbeiterklasse auf der anderen zu benennen und echte Kämpfe zu organisieren, geben sie sich als „Sozialpartner“, als „besonnen“ und „verantwortungsvoll“. Statt Klassenkampf nur Klassenzusammenarbeit.

Damit kann den Rechten das Wasser nicht abgegraben werden. Im Gegenteil können die rechten Demagogen die Krise ausschlachten und für manche wie eine echte Alternative wirken, auch wenn sie das nicht sind. Zusätzlich trägt die Sozialpartnerschaft selbst dazu bei, dass die Arbeiterklasse entlang von Herkunft, Geschlecht, Sexualität und anderer Unterschiede gespalten werden kann. Wenn es keine klassenkämpferische Führung gibt, die die verschiedenen Kämpfe entlang der gemeinsamen Interessen zusammenführt und voranbringt, dann kann die spalterische Propaganda der Regierung, der bürgerlichen Medien und der rechten Demagogen wirken.

TVöD: Chance für einen Kurswechsel!

Doch der Kurs lässt sich ändern. Im Öffentlichen Dienst steht ein Tarifkampf (TVöD) an, wie auch bei der Deutschen Post AG. In diesen Sektoren wurde über Jahrzehnte exzessiv gespart. Es fehlen massenweise Fachkräfte in allen Bereichen: Erzieherinnen, Krankenpfleger, Angestellte in Behörden, Sozialarbeiter, Busfahrer, Handwerker, Postboten usw. Die Arbeitsbelastung steigt ständig, es wird stets mit Unterbesetzung gearbeitet, die Löhne sind schlecht. Eine einzige gewaltige Baustelle, die auch alle anderen zu spüren bekommen: Eltern, die keinen Kindergartenplatz bekommen; erfolglose Behördengänge und lange Wartezeiten; Ausfälle in Nahverkehr; gefährliche Krankenhausbesuche, marode Brücken und Straßen…

Die Probleme sind allseits bekannt und wenn sich nichts ändert, werden sie nur noch schlimmer. Jetzt besteht die Möglichkeit effektiv dagegen anzukämpfen. Die ver.di Bundestarifkommission hat sich für den TVöD auf die Forderung von 10,5 % Lohnerhöhung geeinigt. Die VKA (Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände) hat die Forderungen der Gewerkschaften schon jetzt als inakzeptabel abgetan. Die Beschäftigten bei der Deutschen Post AG fordern sogar 15 %. Damit die Forderung von ver.di also durchgesetzt werden kann, braucht es eine echte Kampfansage und einen klaren Fahrplan, mit dem der Tarifkampf eskaliert und die VKA zum Einknicken gebracht werden kann. Mit Verhandlungen und wenigen Streikaktionen allein wird es den Beschäftigten noch schlechter ergehen als den Metallern.

Die Tarifverträge sind zum 31. Dezember 2022 gekündigt, d.h. es ist noch genug Zeit, um eine große öffentliche Kampagne zu starten. Damit der Kampf erfolgreich sein kann, muss die Solidarität in der ganzen Arbeiterklasse hergestellt werden, denn alle betrifft der öffentliche Dienst und die Post. Die Medien, die Bosse und die Regierung werden versuchen möglichst stark zu spalten. Deshalb braucht es eine Aufklärungs- und Mobilisierungskampagne. Auf der Straße wollen wir nicht nur die Beschäftigten des öD und der Post, sondern möglichst viele solidarische Mitstreiter.

Wenn die VKA jetzt schon blockiert, dann brauchen wir gut gefüllte Streikkassen, um in einem Erzwingungsstreik die Lohnerhöhung in vollem Umfang durchzusetzen. Deshalb sollte neben der öffentlichen Kampagne und der Mobilisierung in allen Betriebsstätten, eine breit angelegte Spendenkampagne in der gesamten Republik laufen: Am Arbeitsplatz, auf der Straße, in den Stadtvierteln.

Klassenkampf und sozialistisches Programm

Doch damit so eine Kampagne erfolgreich sein kann, braucht es eine Abkehr von der Sozialpartnerschaft. Wir müssen als Gewerkschafter erklären, dass die Krise das Produkt des Kapitalismus ist; dass es genug Geld gibt, das wir uns aber von den Kapitalisten holen müssen; dass die Bundesregierung nicht die Interessen der Arbeiterklasse vertritt, sondern die Krise auf uns abwälzt. Wir sollten nicht auf den Startschuss durch die ver.di-Führung warten, um den Kampf zu beginnen, sondern jetzt schon die Organisierung in die eigenen Hände nehmen.

Ein Weiter-so mit der Sozialpartnerschaft in der kapitalistischen Krise wird für uns nur Lohnverzicht, Jobverlust und noch mehr Arbeitshetze bringen. Wir wollen die Krise aber nicht für die Bosse und die Regierung ausbaden. Deshalb setzen wir uns für einen Kurswechsel hin zum Klassenkampf ein. Es braucht eine organisierte sozialistische Strömung in den DGB-Gewerkschaften! 

 

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