Kategorie: Kapital und Arbeit

Für ein revolutionäres Programm im DGB!

Vom 17. bis 23. September 2023 tagt der sechste ordentliche ver.di-Bundeskongress. Alle vier Jahre kommen rund 1.000 ver.di-Mitglieder aus ganz Deutschland zu diesem Ereignis zusammen. Sie repräsentieren einen Querschnitt durch die Organisation, ehrenamtliche Aktive aus allen Berufen/Branchen, Alters- und Personengruppen und Regionen. Der Kongress bestimmt die Organisationspolitik der kommenden Jahre, wählt einen neuen Bundesvorstand und den Gewerkschaftsrat, seine Vertretung bis zum nächsten Kongress.

ver.di


Dieser Bundeskongress findet in stürmischen Zeiten statt. Denn in der 22-jährigen Geschichte der ver.di war die Krise des Kapitalismus noch nie so einschneidend wie heute. Die Weltwirtschaft ist aus den Fugen geraten, die Inflation nimmt nicht ab, die Tarifabschlüsse der vergangenen Jahre bieten nur Reallohnverluste und kein Durchatmen für die Arbeiterklasse. Im Kapitalismus gibt es für sie kein Entkommen aus dieser Krise, das in ihrem Interesse wäre. Die Angriffe der Bosse und der Regierung werden Ausmaße annehmen, die für die meisten bisher unvorstellbar sind. Es drohen Wellen von Massenentlassungen, Betriebsschließungen und Kürzungspolitik.

Die Organisationswahlen und der Bundeskongress als Abschluss sind als Chance zu betrachten. Es gab die vergangenen Monate bereits hitzige Debatten und Auseinandersetzungen an der Basis, sei es in den Bezirken oder auf den Landesebenen. Die Gewerkschaftsmitglieder suchen Auswege aus der Krise. Da ist der natürliche Weg in erster Instanz an die Gewerkschafsführung heranzutreten und diese für deren Rolle in den vergangenen Jahren zu kritisieren und an sie zum Kurswechsel zu appellieren. Die Ehrenamtlichen stellen immer mehr Fragen und berechtigte Forderungen an den Gewerkschaftsapparat. Noch geschieht das nicht flächendeckend und koordiniert auf einer gemeinsamen Plattform. Doch das bahnt die dringend benötigten Debatten um eine klassenkämpferische Neuorientierung der Gewerkschaften an.

Wir Marxisten argumentieren für so eine koordinierte, politische und programmatische Debatte aller Gewerkschaftsmitglieder und setzen uns für einen Kurswechsel nicht nur bei ver.di, sondern im gesamten DGB ein: weg von der Sozialpartnerschaft, hin zu schlagkräftigen Gewerkschaften, die im Klassenkampf energisch für die Interessen ihrer Mitglieder eintreten und diese durchsetzen. Offensive Streiks, hohe Forderungen und demokratische Kontrolle über jeden Kampf sind die Devise.

Ausgebremster Kampf im öffentlichen Dienst

Rosa Luxemburg machte schon vor über 100 Jahren in „Massenstreik, Partei und Gewerkschaften“ deutlich: Kämpfende Gewerkschaften sind wachsende Gewerkschaften. In solchen Situationen spüren Arbeiter sich als Kollektiv und wie mächtig sie sein können, wenn sie gemeinsam für die gleiche Sache kämpfen. Das ist in der Tarifrunde im öffentlichen Dienst (TVöD) Anfang des Jahres passiert. Es gab viel Zustrom bei ver.di – viele Arbeiter wollen nicht mehr nur passive Mitglieder, sondern aktive Kämpfer ihrer Gewerkschaft und Bewegung sein. Ver.di registriert seit Jahresbeginn rund 100.000 Neumitglieder.

In dieser Tarifrunde, die für 2,5 Millionen Beschäftigte sowie für ver.di sehr bedeutsam ist, wurden gute Forderungen gestellt, die sich an der Inflation orientierten. Eine große Auseinandersetzung war absehbar, denn es war klar, dass sich der Staat als öffentlicher Arbeitgeber mit aller Kraft gegen die Forderungen der Beschäftigten stellen würde. An mangelndem Geld lag das nicht: gleichzeitig flossen Subventionen an große Konzerne.

Schlussendlich gaben der ver.di-Vorstand und die Tarifkommission dem Druck wie in jeder Tarifrunde nach, schraubten die Forderungen herunter und einigten sich auf einen schwachen Abschluss. Selbst Frank Werneke, ver.di-Vorsitzender und Verhandler im TvöD, hat das zugegeben. Dabei konnten sie sich auf eine große Streikbereitschaft und die Stimmung der kämpfenden Kolleginnen und Kollegen stützen, die noch weitergehen wollten, um die Forderungen durch weitere Streiks durchzusetzen. Es gab sogar einen Mega-Streik gemeinsam mit der EVG, der den Bossen mächtig imponiert hatte und eine neue Ära branchen- und gewerkschaftsübergreifender Kämpfe anzukündigen schien, die der Gewerkschaftsbewegung neues Leben einhauchen würde.

Werneke erklärte staatsmännisch nach dem Abschluss: „Mit unserer Entscheidung, diesen Kompromiss einzugehen, sind wir an die Schmerzgrenze gegangen.“ Den Medien lieferte er damit eine Grundlage, die öffentliche Meinung in diesem Sinne zu lenken – „weniger als erhofft, aber dafür vernünftig“. Gleichzeitig wurden die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes gegen den Rest der Arbeiterklasse ausgespielt – angeführt von Karin Welge, Vorsitzende der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) mit SPD-Parteibuch. Nach ihrem Dafürhalten sei das der teuerste Tarifabschluss aller Zeiten gewesen und die Kommunen würden nun darunter leiden. Sie malte das Schreckgespenst steigender Schwimmbäder- und Bibliotheksgebühren an die Wand, um die Lohnerhöhungen finanzieren zu können.

Was die Bürgerlichen der Arbeiterklasse mit der einen Hand geben, nehmen sie ihr mit der anderen wieder weg und nutzen solche Mogelpackungen, um zu spalten.

Reichensteuer statt Kultureinschnitte

Anstatt während der Tarifrunde beispielsweise eine höhere Besteuerung der Reichen und Konzerne umzusetzen, was nicht einmal mehr antikapitalistische Haltung, sondern Mehrheitsmeinung ist, wurde von den SPD-Spitzen in Partei und Gewerkschaft ein abgekartetes Schauspiel über „klamme Kassen“ dargeboten. 

Frank Werneke stellt sich vor die Medien und die Gewerkschaftsmitglieder und gibt sich dabei betroffen, Nancy Faeser (SPD, Bundesinnenministerin), die auf Seiten der Arbeitgeber mit ver.di 
verhandelt, zelebriert den Abschluss und Karin Welge schiebt den Beschäftigten im öD die Schuld für Sparpolitik in die Schuhe. Betrachtet man diese Zusammenarbeit näher, zeigt sich eine hinterhältige Arbeitsteilung zwischen drei führenden SPD-Mitgliedern – der eine betrübt, die andere zufrieden, die dritte empört. Das Ziel: eine gespaltene Arbeiterklasse. Die Verantwortung des ver.di-Vorstands und der Tarifkommission wäre es gewesen, die Tarifforderungen aufrechtzuerhalten und sich gegen das Verhandlungsergebnis zu positionieren. Sie hätten den Mitgliedern eine reale Möglichkeit geben müssen, gegen das Verhandlungsergebnis zu stimmen und für eine klassenkämpferisch geführte Tarifrunde eintreten zu können. 

Sozialpartnerschaft in der Sackgasse

Stattdessen erleben wir seit Jahrzehnten nur noch schlecht geführte Abwehrkämpfe der Gewerkschaften gegen die Bosse und Konzerne. Reale Lohnerhöhungen bieten Tarifabschlüsse schon lange nicht mehr. Zu tief verwurzelt sind die Beziehungen zwischen den Gewerkschaften, der SPD und den Konzernen und Verbänden in Form der Sozialpartnerschaft, welche die Arbeiterklasse ausbremst und die Interessen des Kapitals bedient. Anhand der Tarifgemeinschaft VKA und ver.di kann man beispielhaft die tiefe Integration in den bürgerlichen Staatsapparat erkennen, wie die Personalunion aus Werneke, Faeser und Welge zeigt. Auch bei den anderen DGB-Gewerkschaften sieht es nicht besser aus. Die Sozialpartnerschaft korrumpiert die Spitzen in den Gewerkschaften und Arbeiterparteien und wird so zu einer zentralen Säule der bürgerlichen Macht. Die DGB-Gewerkschaftsführer verwalten die Krise des Kapitalismus mit und wälzen sie im „nationalen Interesse“ auf die Arbeiterklasse ab.

Diese „Vernunft“ wird vom Kapital reichlich belohnt. Denn die Gewerkschaftsbürokraten sitzen in allen wichtigen Aufsichtsräten der großen Konzerne und handeln dort nicht im Sinne der Arbeiter. Sie denken und handeln wie Manager – d.h. in Profitinteressen – und halten sich ihren Platz in einem hochdotierten Posten warm und den Weg offen, in den Konzern zu wechseln, sollte es nicht mehr in der eigenen Gewerkschaft laufen, oder um die Rente nebenbei „aufzubessern“. Wie zum Beispiel Christine Behle, stellvertretende ver.di-Vorsitzende, die als Arbeitnehmervertreterin im Aufsichtsrat der Lufthansa sitzt.

Dem Ganzen gegenüber steht eine Arbeiterklasse, die aus ihrem Dornröschenschlaf erwacht, nachdem ihr Jahrzehnte lang Schlaftabletten durch ihre sozialpartnerschaftliche Führung eingeflößt wurden. Noch hat die Bürokratie weitgehend Kontrolle über die Gewerkschaftsbewegung, jedoch stellt diese immer höhere Forderungen – nicht nur nach mehr Lohn und besseren Arbeitsbedingungen, sondern vor allem auch nach demokratischen Rechten und Kontrolle in den gewerkschaftlichen Strukturen. Daran erkennt man deutlich, wie sehr der Reformismus und die Sozialpartnerschaft in der Sackgasse stecken, und dass sich eine Alternative im Sinne der Beschäftigten entwickelt. Eine andere Programmatik ist überfällig. Den Anstoß kann der ver.di-Bundeskongresses liefern – der politische Druck muss von unten kommen!

Revolutionäres Gewerkschaftsprogramm

Um wirkliche Verbesserungen für die gesamte Arbeiterklasse zu erlangen, braucht es einen Bruch mit der Sozialpartnerschaft. Gerade jetzt in der Krise ist ein revolutionäres Programm unerlässlich. Wir müssen den Kapitalismus stürzen, also Fesseln für eine fortschrittliche Entwicklung der Menschheit sprengen: das Privateigentum an den Produktionsmitteln und den Nationalstaat abschaffen. An dessen Platz wollen wir den Sozialismus stellen: Planwirtschaft und Arbeiterdemokratie. Dafür braucht es ein konkretes Kampfprogramm, das folgende Grundpfeiler enthalten muss:

  • Gleitende Lohnskala gegen die Inflation! 
  • Gleitende Arbeitszeitskala gegen Rezession, Entlassungen und Kurzarbeit – für Arbeitsverteilung unter allen Arbeitsfähigen! 
  • Geschäftsbücher offenlegen, um durch Beleg- und Gewerkschaften „Bedürftigkeit“ von Unternehmen zu prüfen und Innovationszurückhaltung zu verhindern! 
  • Arbeiterkontrolle anstelle von „Mitbestimmung“: Betriebe in Arbeiterhand! 
  • Gegen Entlassungen, Stilllegungen und Zerschlagung: Enteignung der Kapitalisten und Konfiskation ihrer Vermögen! 
  • Banken, Versicherungen und Vermögensverwalter enteignen und diese Schaltzentralen des Kapitals in eine demokratisch kontrollierte nationale Bank überführen, um die gesamte Wirtschaft im Interesse der Arbeiterklasse zu planen! 
  • Schlüsselindustrien, Lebensmittelproduktion, Forschung und alle weiteren entscheidenden Produktions- und Versorgungsketten verstaatlichen und unter Kontrolle der Arbeiterklasse weiterführen und reorganisieren! 
  • Planwirtschaft und Management durch die Arbeiterklasse und ihre Organisationen und Institutionen! 

 

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