Kategorie: Kapital und Arbeit |
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Lieferando-Fahrer im Interview: Mit Klassenkampf zum Tarifvertrag |
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Die Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten (NGG) hatte am 17.08.2023 die Fahrer von Lieferando zum Streik vor der Konzernzentrale in Berlin aufgerufen. Wir waren dabei und haben ein Lieferando-Arbeiter interviewt. |
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F: Seit wann bist du gewerkschaftlich organisiert bei der NGG? A: Ich bin seit 2020 Mitglied bei der Gewerkschaft. Seit 2019 arbeite ich bei Lieferando und ich kam damals relativ schnell mit der Gewerkschaft in Kontakt. F: Arbeitest du Vollzeit oder Teilzeit bei Lieferando? A: Ich arbeite Teilzeit als Fahrer und arbeite gleichzeitig als Mitglied des Betriebsrats von Lieferando. In der Woche arbeite ich circa 30 Stunden. F: Was sind die Arbeitsbedingungen von Vollzeitangestellten im Vergleich zur Teilzeitangestellten? A: Bei Teilzeit und Vollzeit haben wir nicht so einen großen Unterschied. Aber wir haben noch viel andere Vertragsarten wie Mini- und Midijobber oder Werkstudenten und diese Arbeiter profitieren gar nicht vom Bonussystem, weil die gar nicht die erforderliche Anzahl an Aufträge pro Monat erreichen können, um von dem Bonussystem zu profitieren. Das finden wir ungerecht, denn die Kollegen leisten genau dieselbe Arbeit. Deshalb sollten die auch denselben Lohn bekommen dafür. F: Wie findest du das Bonussystem für Lieferanten, die mehr Essen ausliefern? Was hältst du davon? A: Ich halte davon nicht viel. Ich finde ein Bonussystem, das darauf angelegt ist, wie viele Bestellungen man in einer Stunde erledigt, kann nicht im Einklang stehen mit Sicherheit im Straßenverkehr. Es ist okay, dass das bei anderen Berufen existiert, aber bei einem Job, wo man im Straßenverkehr Gefahren ausgesetzt ist, ist das inakzeptabel. F: Bekommst du den Mangel an Arbeitskräfte zu spüren? Wenn ja: Wie ist das spürbar? A: Wir spüren das an den Tagen, wo wir nur wenige Mitarbeiter haben und die wenigen Fahrer eine große Menge an Bestellungen liefern müssen. Wir spüren das, indem wir weniger Pausen bekommen. Es herrscht Arbeitskräftemangel aufgrund der Unbeliebtheit des Jobs und das führt zur mehr Leistungsdruck am Arbeitsplatz. F: Gibt es eine Ungleichbehandlung von Büromitarbeiter und Lieferanten? A: Ja, gibt es. Büromitarbeiter bei Lieferando bekommen im Gegensatz zu den Lieferanten ungerechterweise zusätzliche Geschenke wie Essensgutscheine, Einladungen auf Firmenevents (Poolparties), bezahlte Reisen und Reisegutscheine etc. F: Was sind die Forderungen von dem Streik heute? A: Wir fordern als Erstes ein höheres Grundgehalt von 15 Euro der Stunde. Wir wollen nicht mehr abhängig sein von leistungsorientierten Bonussystemen. Wir fordern sechs Wochen Urlaub. Denn wir sehen das bei vielen anderen Branchen auch. Wir finden, dass es in unseren Job auch gerechtfertigt ist wegen der körperlichen Anstrengung. Deshalb fordern wir zwei Wochen mehr Urlaub für uns und unsere Kollegen. Wir wollen noch viel andere Sachen wie eine Fahrkostenpauschale, der an die Benzinpreise angepasst ist, weil diese bisher über Jahre stetig gleichgeblieben ist bei Lieferando. F: Was ist deine Meinung zur Tarifkommission bei der NGG? A: Ich finde, was die bisher mit uns aufgebaut haben, ist stark. Ich hoffe, dass wir die Stärke beibehalten können. Denn das wird auf jeden Fall kein leichter Kampf werden. Wir haben hier mit einem Arbeitgeber zu tun, der uns komplett ignoriert, also brauchen wir dafür einen langen Atem. F: In deiner Arbeit im Betriebsrat, was für Lehren hast du aus deinen Erfahrungen gezogen? A: Ich habe gelernt, Beschlüsse von dem Betriebsrat, oder Versuche, die traditionellen arbeitsrechtliche Aufgaben der Betriebsrat durchzuführen, ergeben keinen Sinn. Beschlüsse des Betriebsrats oder Tarifkommission können nur durch Streiks erkämpft werden. Das bleibt die einzig wirksame Mittel gegen die Arbeitgeber. Denn Lieferando versucht weiterhin, den Betriebsrat mit allen rechtlichen Mitteln zu bekämpfen, und zeigt keine Gesprächsbereitschaft. F: Danke sehr für das Interview, wir vom Funke in Berlin werden weiterhin eure Streikbewegung verfolgen und unterstützen. Wir drücken euch die Daumen für den Arbeitskampf. A: Danke, dass ihr immer dabei seid, und wir werden jetzt gleich noch ein paar Parolen mit euch zusammen schreien.
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