Kategorie: Kapital und Arbeit

Hamburg: Scheineinigkeit nach wildem Streik am Hafen

Von Montag, den 06.11 bis zur Nacht des darauffolgenden Dienstags wurde am Hamburger Hafen wild, also ohne Aufruf einer Gewerkschaft, gestreikt – zum ersten Mal seit 1951! Der Grund: der geplante Ausverkauf des Hamburger Hafens zu 49,9% an die Mediterranean Shipping Company (MSC) ist weiterhin klarer Kurs des Hamburger Senats. Kurz darauf rief die Gewerkschaft ver.di zu einer Kundgebung auf. Sie signalisierte nach außen hin große Einigkeit gegen den Ausverkauf des Hafens und alle Teilnehmenden erklärten sich bereit dafür zu kämpfen. Doch hinter den Kulissen zeigen sich Differenzen, zwischen den Arbeitern der Terminals aber besonders zwischen ihren Vertretern. Viele stehen voll hinter den Forderungen, einige nicht.

 

der funke Hamburg


Der Streik begann in der Spätschicht am Montag, den 6. November. Man versammelte sich vor dem Drehkreuz und bangte immer wieder auf den bevorstehenden Schichtwechsel, denn dort musste die nächste Schicht davon überzeugt werden, sich dem Streik anzuschließen – keine leichte Aufgabe, denn auch die Chefs waren vor Ort und bauten Druck auf. Um den Streik zu beenden, setzten diese auf Einschüchterung und Verunsicherung. Für jede "versäumte" Schicht sollte es eine Abmahnung geben, bis hin zu Kündigung. In internen Gruppen wurden Gerüchte gestreut, die nächste Schicht würde wieder arbeiten, lange bevor diese überhaupt versammelt war.

Vier Schichten dauerte der Streik am ersten und größten Hamburger Containerterminal an, bis die Nachtschicht am Dienstagabend die Arbeit wieder aufnahm, so hatten Sie spontan vor dem Schichtbeginn entschieden. Erwirkt hatten sie eine Zusage zu Gesprächen - auch wenn die Senatoren diesen Zusammenhang leugnen und behaupten, sie würden das Gespräch von sich aussuchen. Aufgrund zahlreicher Krankmeldungen sei ein normaler Betrieb allerdings unmöglich gewesen, so ein Arbeiter vor Ort. 

Der Streik war spontan entstanden, dennoch schien der Zeitpunkt sehr passend. Am selben Tag hatte die Gewerkschaft ver.di überall in Hamburg zu Demonstrationen im Zusammenhang mit der Tarifrunde der Länder (TV-L) aufgerufen. Schnell bildeten sich Soli-Gruppen mit hunderten Mitgliedern, die die Streikenden Arbeiter mit Nahrungsmitteln und Getränken versorgten und vor Ort Solidarität zeigten, besonders während der kritischen Zeitpunkte der Schichtwechsel.  

Ver.di reagiert

Bis zum Streik hatte die ver.di  zu einer Demo im September aufgerufen, bei der die Belegschaft aber nur etwas Wut herauslassen konnte, so Gerd Müller, ein Hafenarbeiter im Ruhestand und ehemaliger Betriebsrat. Die folgenden 4 Wochen hörte man gar nichts mehr über die Perspektive der Arbeiter, weder von den offiziellen Kanälen der ver.di noch von den bürgerlichen Medien. Doch plötzlich kam ein Tropfen, der den Topf wieder hochkochen ließ: Die Unterstützung der ver.di-Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat für den MSC-Deal. Diese hatten dem Druck von Senat und Vorstand nachgegeben. Der Vorstand gab an, dies sei in Absprache mit der ver.di geschehen. Laut einem Redner der Verdi sei das aber eine "dreiste Lüge". 

Allerdings steht die Führung der ver.di Bundesvorstand keinesfalls geeint hinter den Forderungen der HHLA-Beschäftigten. Gerd Müller erklärte in seiner Einschätzung des Streiks, dass

"nach einem Besuch des Personalvorstandes der HHLA [...] beim ver.di Bundesvorstand in Berlin, das Vorstandmitglied Christine Behle, offenbar in Absprache mit ihm, einen Überleitungstarifvertrag zum Verkauf der HHLA an MSC [...] forderte". 

Ein Überleitungstarifvertrag ist eine de facto Zustimmung an den Ausverkauf, worüber die Arbeiter laut Müller am CTB nicht informiert wurden. Damit richtete sich Behle klar gegen die Interessen der Mitglieder. 

Spaltungen im Hintergrund 

Nicht nur der Aufsichtsrat machte sich unbeliebt, sondern auch Betriebsräte. Der Hamburger Hafen hat vier große Containerterminals (CT): drei von der HHLA, Tollerort (CTT), Burchardkai (CTB), Altenwerder (CTA) und das EUROGATE Terminal. Die Belegschaften der Terminals sind nicht oft in persönlichem Kontakt und die Kommunikation ist schwierig, was die Spaltung erleichtert. Der Streik begann und endete am CTB, mit nur wenig Unterstützung der anderen Terminals. Aus einfachem Grund: Die Betriebsräte der anderen Terminals riefen die Arbeiter weder zum Mitstreik auf noch informierten sie die Belegschaften rechtzeitig darüber, dass der Streik stattfand. Die Arbeiter der Terminals CTA und CTT und ihre Vertreter haben weniger Erfahrung in direkter Auseinandersetzung mit der Geschäftsführung als die des CTB, was notwendigerweise zu Verunsicherung in dieser gänzlich neuen Situation führte.

Bei der Kundgebung hielten sich die Betriebsräte vom CTA am Rand auf und blieben inaktiv. An ihrer Stelle mussten mutige Arbeiter spontan auf die Bühne treten, obwohl sie nicht den umfassenden Kündigungsschutz der Betriebsräte genießen. Dieses Verhalten der Betriebsräte wird der generellen Verunsicherung und dem Mangel einer klaren politischen Linie und Strategie geschuldet sein. 

Nicht so beim Betriebsratsvorsitzenden des CTT, Thomas Ringleb, der schon lange als Gewerkschaftsfeind bekannt ist. Von ihm und seinen rechten Mitstreitern vom Christlichen Gewerkschaftsbund war ohnehin keine Unterstützung des Streiks zu erwarten. An seinem Terminal war im Mai dieses Jahres die chinesische Reederei Cosco mit 25% eingestiegen, mit seiner vollen Unterstützung. Diese tat er sogar in einem offenen Brief an Bundeskanzler Olaf Scholz kund. 

Viele Arbeiter zeigten sich schockiert und enttäuscht, so von gewählten Vertretern hängen gelassen zu werden. Nach Streik und Demonstrationen haben sich nun einige “Rädelsführer” herauskristallisiert die verstärkte Repressionen und Drohungen befürchten müssen. Sie brauchen jetzt die volle Rückendeckung von Gewerkschaft, Betriebsräten und Kollegen, um gemeinsam gegen die Repressalien der Chefs vorzugehen!

Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen. Nun kommt es auf die Forderung nach einer Betriebsversammlung an: Dort sollen die Arbeiter zusammenkommen und Senatoren Dressel und Leonhard zur Rede stellen. Aus Gesprächen vor Ort erfuhren wir, dass große Hoffnungen bestehen, geeint aus der Versammlung hervorzugehen. Es war sogar die Rede von einer "eigenständigen Bewegung".  

Wie soll es weitergehen? 

Die ver.di zeigte sich am Samstag vor allem auf Druck der Belegschaft geeint und kämpferisch. Auf der Kundgebung wurden aber weder die rechten Betriebsräte noch der sogenannte Überleitungstarifvertrag thematisiert. Stattdessen konzentrierte man sich allein darauf, was alle wissen: dass der Verkauf falsch ist. Von Vertretern des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) hörte man auf der Kundgebung so gut wie Garnichts! 

Aus Gesprächen vor Ort erfuhren wir, dass sich hinter den Kulissen bereits Pessimismus in der ver.di Führung breit macht: zu Unrecht! Gewerkschaft und Belegschaft haben 2007 schon einmal den Teilverkauf der HHLA, damals an die Deutsche Bahn, verhindert und sie können es erneut schaffen, aber nur mit einem wirklich kämpferischen Programm!

Der Grund für das zögerliche Vorgehen: Ein Streik gegen die Privatisierung würde an einen politischen Streik grenzen, was in Deutschland als verboten gilt, weshalb die Gewerkschaftsführung erstmal abwarten will. Sie erklären sich für praktisch handlungsunfähig planen außer Soli-Demos und Talk Runden mit Politikern nichts weiter.  

Für den politischen Streik

Doch man wäre eigentlich alles andere als handlungsunfähig. Das Verbot politischer Streiks in Deutschland beruht einzig und allein auf einem Rechtsspruch von 1952, bei dem es Zeitungsarbeitern verboten wurde, für mehr Betriebsratsrechte zu streiken. Dabei wurde in dem Urteil aber explizit hervorgehoben, dass so ein Streik nicht verfassungswidrig ist. Der DGB und seine Gewerkschaften hätten alle Mittel und Anwälte, die es braucht, dieses Urteil anzufechten. Selbst auf der Webseite der Bundeszentrale für politische Bildung heißt es: 

“Dass der Urteilsspruch von 1952 durch das Freiburger Landesarbeitsgericht als generelles Verbot politischer Streiks interpretiert wird, ist zunächst ein Kompromiss der Gewerkschaften mit der politischen Ordnung.”

Besonders ein Streik im Hafen hätte eine starke Legitimation. Der Arbeitergeber ist schließlich die Stadt Hamburg und deren Kopf der für den Deal verantwortliche Hamburger Senat. Hier Politik von Arbeiterrechten trennen zu wollen ist absurd. Stattdessen müssen die ver.di und der DGB mit der Sozialpartnerschaft brechen und in die vereinte Offensive gehen!  

Keine Illusionen in den Vorstand und Senat 

Die Hafenarbeiter und die Bewohner Hamburgs können kein Vertrauen in den Senat und Bürgerschaft haben. Schon Ende letzten Jahres wurde bekannt, dass der Vorstand mit rot-grüner Unterstützung einen umfassenden Angriff in Form eines Sparpakets plant. Die "Umstrukturierung" unter dem Banner CTX soll potenziell 1.250.000 Arbeitsstunden einsparen, um so die Preise zu drücken. Nicht ohne Grund ging ein Hoodie mit CTX-Aufdruck während der Kundgebung spontan in Flammen auf. 

Der Verkauf an die MSC ist nur das groteske Finale einer jahrelangen Entwicklung. Deshalb hat es auch keinen Sinn an Aktionäre oder den Vorstand zu appellieren. Jens Hansen Vorstand der HHLA, mag zum jetzigen Zeitpunkt seine Aktien nicht verkaufen wollen, aber ein paar Euro mehr werden genügen, um auch ihn zu überzeugen. Ob Kühne, Hansen, oder Wiese von der CDU-Fraktion, die Bürgerlichen kehren sich kein bisschen um Arbeitsplätze, Löhne oder Sicherheit vor Ort und genauso wenig über die Finanzierung von Bildung, Kultur und Sozialem in Hamburg. Sie ärgern sich nur, dass Sie nicht diejenigen sein sollen, die von der Ausschlachtung des Staatseigentums profitieren.  

Unser Hafen - nicht euer Casino! 

Nur die organisierten und vereinten Arbeiter des ganzen Betriebs können Widerstand gegen den Ausverkauf leisten. Dafür brauchen Sie unsere tatkräftige Unterstützung. Der Angriff auf den Hafen ist ein Angriff auf uns alle! Wir stehen deshalb vollkommen solidarisch mit den Forderungen der HHLA-Arbeiter am Burchardkai und allen anderen Terminals. 

Wir wiederholen hier die noch offenstehenden Forderungen der Streikenden: 

  • Finanzsenator Dressel oder Wirtschaftssenatorin Leonhard erklären ihre Bereitschaft zu einem kurzfristigen Gespräch zum CTB oder in eine andere Örtlichkeit des Hamburger Hafens zu kommen. 
  • Die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat nehmen ihre Zustimmung zum (Teil-) Verkauf der HHLA öffentlich zurück. 
  • Im November findet eine Konzernbetriebsversammlung statt in der zum Verkauf der HHLA an MSC diskutiert und ein Beschluss gefasst werden kann. 
  • Die HHLA verzichtet auf jegliche Repressalien aufgrund der Arbeitsniederlegung. 

Wir fügen hinzu:  

  • Gewerkschaftsfeinde raus aus den Betriebsräten! 
  • Ja, zur Arbeitsverlangsamung und zur Krankschreibung bis zum nächsten Streik!  
  • Ja, zum politischen Streik! Der Verkauf betrifft uns alle!  
  • Klassenkampf statt Sozialpartnerschaft! ver.di muss den Streik gemeinsam mit den anderen DGB-Gewerkschaften organisieren! 
  • Enteignung statt Privatisierung: Hafen in Arbeiterhand!  

 

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