Kategorie: Kapital und Arbeit |
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Streik für Menschenwürde und gegen Profitgier |
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Als 80 Beschäftigte des Airline-Caterers Gate Gourmet am Düsseldorfer Flughafen für 4,5 Prozent Einkommenserhöhung Anfang Oktober in den unbefristeten Streik traten, rechnete keiner damit, dass sich der Arbeitskampf bis in die Vorweihnachtszeit hinziehen würde. Was bei milden Temperaturen Anfang Oktober begann, wird jetzt wie ein "Stellungskrieg" ausgefochten. |
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Auch am Wochenende trotzten die Streikposten rund um die Uhr Wind und Schnee. Sie stellen sich jetzt auf einen harten Streikwinter ein und haben kräftig mit angepackt, um ihr Lager vor dem Firmengelände mit Latten, Steinen, Styropor und anderen Materialien winterfest auszurüsten. Dass in 50 Tagen nur ein Streikender aufgegeben hat und die Frauen und Männer, unterstützt von der Gewerkschaft NGG, notfalls auch über Neujahr hinaus weitermachen wollen, lässt sich nur aus der Vorgeschichte des Konflikts verstehen. Selbst angefertigte Transparente stellen nicht die an sich mäßige Lohnforderung, sondern Begriffe wie "Menschenwürde", "Profitgier" und "mieses Klima" heraus. "Mit der LTU und LTC war die Welt noch in Ordnung", erklärt Wilfried Ostelmann, der seit 18 Jahren im Betrieb tätig ist: "Doch mit dem Verkauf an Gate Gourmet ging es bergab." Seine Kolleginnen und Kollegen, die sich mit Ostelmann gerade im Container aufwärmen, sehen es genau so. Als die Charterfluggesellschaft LTU 2001 ins Trudeln geriet, verkaufte sie ihre Catering-Tochter LTC mit den Standorten Düsseldorf und Frankfurt für 33,7 Mio. Euro an die Swissair-Tochter Gate Gourmet. Ein Jahr später wurde dann Gate Gourmet aus dem Konkurs der Swissair heraus an die Investmentfirma Texas Pacific Group (TPG) veräußert. So geriet die Belegschaft vom Regen in die Traufe und direkt in den Fressnapf gieriger "Heuschrecken". Die Texas Pacific Group besitzt u.a. auch Burger King und in Deutschland den Wasserhahnhersteller Grohe, für den die Eigentümer im vergangenen Sommer bei einer Kapitalrendite von 20% die Entlassung von einem Drittel der Beschäftigten vorgaben. Mit den neuen, von der TPG eingesetzten Managern verschlechterte sich das Betriebsklima von Woche zu Woche. Auf der Jagd nach maximaler Kapitalrendite zogen sie die Unternehmensberatung McKinsey hinzu und ließen mit der Stoppuhr unter unrealistischen Idealbedingungen Arbeitsabläufe erfassen. So entstanden feste Zeitvorgaben. "Das kann kein Mensch auf Dauer bringen. Gate Gourmet hat dann selbst McKinsey noch einmal intern getopt. Die Produktivität jedes einzelnen wurde nach diesen Messungen hochgerechnet, ohne Lücken und Luft. Jede einzelne Minute ist durchgerechnet. Das ist schierer Irrsinn, aber darauf stützt sich die Personalplanung", erklärt Ulrich Kappner, seit 1990 als Dispatcher im Betrieb. "Bei der Lohnforderung hätten wir uns in der Mitte treffen können, aber als die Arbeitgeberseite im Gegenzug gleich an das Weihnachtsgeld und die Lohnzuschläge ran wollte, da blieb uns keine andere Wahl. Die wollen einen tarifvertragsfreien Raum schaffen." Vor zwei Jahren hatten Gewerkschaft und Belegschaft in einem Sanierungsvertrag einer befristeten Kürzung von Weihnachtsgeld und Lohnzuschlägen zugestimmt. Diese Frist ist abgelaufen. Der Betrieb schreibt nachweislich tiefschwarze Zahlen. So war die Forderung des Managements nach weiteren Lohnopfern nur der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. "Als Jugendlicher habe ich in den 70er Jahren viel über Ausbeutung und Streiks philosophiert. Aber das hier ist bitterer Ernst, Ausbeutung und Auspressung und ein Musterbeispiel für Heuschrecken-Gebaren", erklärt Axel Peters. Der NGG-Sekretär kennt viele Betriebe und hat nirgendwo anders so drastisch erlebt, wie "eine ignorante Betriebsleitung einfach nicht zuhören will und sich eiskalt über Bedenken und Einwände hinweg setzt - gepaart mit gezielter Behinderung der Betriebsrats-Arbeit." Er beklagt, dass im Betrieb systematisch auf Tafeln über den individuellen Krankenstand jedes einzelnen Beschäftigten einschließlich der Krankheit informiert wird: "Das ist Menschenverachtung pur!" "Flexibilität" wird bei Gate Gourmet groß geschrieben. Es kam immer häufiger vor, dass Beschäftigte kurz vor Schichtwechsel aufgefordert wurden, noch mal zwei Stunden dranzuhängen. "Da kann man sich ausmalen, dass das mit der Familie nicht lange gut geht", stellt eine Küchenarbeiterin fest. So ist dieser Arbeitskampf schon längst kein "normaler" Lohnkonflikt mehr. Um einer selbstbewussten Belegschaft das Rückgrat zu brechen und mit der Brechstange Renditevorgaben von über 10 Prozent durchzusetzen, investiert die "Texas Pacific Group hohe Summen in Streikbrecher, die zur Unterstützung einer betrieblichen Minderheit von Streikbrechern über Leihfirmen und tarifvertragsfreie Standorte rekrutiert wurden, in Hotels einquartiert sind und mit dem Taxi auf das Gelände gefahren werden. Ein Lohnzugeständnis hätte nur einen Bruchteil dieser Summe gekostet. "Wenn die Gate Gourmet-Kollegen verlieren, dann sind wir die nächsten", weiß auch ver.di-Mitglied Horst Ebert von der Lufthansa-Tochter LSG, der regelmäßig die Streikposten besucht und Spenden für die Streikkasse eintreibt: "Die Preisspirale in der Catering-Branche dreht sich immer schneller nach unten, und die Chefs wollen uns gnadenlos gegeneinander ausspielen." Vor einigen Tagen besuchte eine Delegation von Streikenden die Belegschaft des Nestlé-Werkes in Marseille, die seit Monaten gegen eine Werksschließung kämpft. Nach anstrengender Nachfahrt wurden die Düsseldorfer dort bei einem örtlichen Aktionstag begeistert empfangen und kamen mit einer größeren Geldspende für die Streikkasse wieder an den Rhein zurück. Mohamed Bouzagaoui, der mit dabei war und das Durchhaltevermögen der französischen Kollegen bewundert, fordert jetzt von der deutschen Gewerkschaftsbewegung "noch mehr Aufmerksamkeit und Solidaritätsspenden". DGB-Chef Michael Sommer will seinen letzte Woche kurzfristig abgesagten Besuch in Düsseldorf am Donnerstag nachholen. Die Streikenden können neben Zuspruch auch eine großzügige Spende Sommers gut gebrauchen. Denn das Streikgeld deckt bei vielen nicht das ab, was sie zum Überleben brauchen. Die Geschäftsleitung hat den Streikenden eigenmächtig das tarifvertraglich zustehende Weihnachtsgeld vorenthalten und möchte sie offensichtlich aushungern. "Keine Versammlung mehr ohne dass ein Hut rumgeht", erwartet Axel Peters jetzt von Gewerkschaftern und allen sonstigen Menschen, die sich solidarisch fühlen. Eine gekürzte Fassung erschien in der Tageszeitung "Neues Deutschland" am 28. November 2005 Spendenkonto bei der:
Solidaritätsadressen an: Protestschreiben an: |