Kategorie: Kapital und Arbeit |
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Müssen die Kriegsminister ihre Betten selber machen? |
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Wenn die EU-Verteidigungsminister auf Einladung ihres deutschen Kollegen Franz Josef Jung am Donnerstag und Freitag in der hessischen Landeshauptstadt Wiesbaden tagen, dann könnte ihr Treffen neben politischen Protesten gegen eine Militarisierung der EU auch von einem handfesten Streik der Hotelbediensteten überschattet werden. | |||
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Am Dienstag sprachen sich nach Angaben des regionalen Geschäftsführers der Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten (NGG), Peter Artzen, die gewerkschaftlich organisierten Beschäftigten des Wiesbadener Dorint Sofitel Pallas Hotels zu 100 Prozent für Kampfmaßnahmen zur Durchsetzung von 5,5 Prozent Einkommenserhöhung und zur Verteidigung bestehender Arbeitsbedingungen aus. Das noble Fünf-Sterne-Hotel, in dem schon 1963 US-Präsident John F. Kennedy nächtigte, ist für den Aufenthalt der Minister und ihres Trosses komplett angemietet worden und gehört ab Mittwoch zum Sperrgebiet und Hochsicherheitsbereich rund um die Tagungsstätten in der Innenstadt, von dem die Öffentlichkeit ausgeschlossen ist. Seit Wochen hatten hier militärische und polizeiliche Sicherheitskräfte alles im Hause auf den Kopf gestellt. Der Frankfurter NGG-Sekretär Jürgen Hinzer halt es nun für möglich, „dass die Kriegsminister ihre Betten selber machen müssen“, sofern der NGG-Vorstand wie erwartet grünes Licht für einen Arbeitskampf gibt. Diese Erklärung Hinzers macht die Runde. Die Streikdrohung lenkt gleichzeitig den Blick auf miserable Arbeitsbedingungen in den Hotels. Hintergrund der Auseinandersetzung ist ein seit langem schwelender Tarifkonflikt zwischen der NGG und dem Hotel- und Gaststättenverband Hessen e.V. (DEHOGA Hessen). Während die Gewerkschaft 5,5 Prozent höhere Löhne und Gehälter fordert, gehen die hessischen Hoteliers aufs Ganze und fordern ihrerseits im Gegenzug radikale Einschnitte im Manteltarifvertrag (MTV), der die allgemeinen Arbeitsbedingungen regelt. So zielen sie auf eine Arbeitszeitverlängerung ohne Lohnausgleich, Urlaubskürzung und einen Abbau von Weihnachts- und Urlaubsgeld wie auch eine Reduzierung der Zuschläge für Mehr-, Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit ab. Ohne deutliche Zugeständnisse der NGG wollen sie keine Einkommenserhöhung gewähren. Die NGG will dies nicht auf sich sitzen lassen und macht jetzt die Belegschaften großer Hotels im Rhein-Main-Gebiet mobil, um über neue Haustarifverträge schließlich einen landesweiten Flächentarifvertrag durchzusetzen. Das aktuelle Angebot der DEHOGA Hessen, zum Ausgleich für 2,5 Prozent Einkommenssteigerung die tarifliche Wochenarbeitszeit von derzeit 38,75 Stunden auf 40 Stunden ohne Einkommensausgleich anzuheben, hält Peter Artzen für eine „Mogelpackung“ und ein „Bierdeckelprodukt“, das für die NGG unannehmbar sei. Dabei sind Hotelbedienstete durch relativ spärliche Einkommen und besonders unsoziale und familienunfreundliche Arbeitszeiten bereits doppelt gestraft. Mit Bruttolöhnen ab 1044 Euro für untere Einkommensgruppen und einem Facharbeiterecklohn von 1645 Euro ist für viele die Altersarmut vorprogrammiert. Köche, Kellner, Zimmermädchen und andere Servicekräfte müssen oft genau dann arbeiten, wenn andere feiern, so Peter Artzen. In der Branche prallen krasse soziale Gegensätze aufeinander: Eine Nacht in der Präsidentensuite eines Frankfurter Luxushotels kostet weit mehr als das Monatsgehalt eines Zimmermädchens. Viele Beschäftigte, darunter Migranten aus aller Welt, nehmen die extreme Ausbeutung hin, um unter allen Umständen Hartz IV zu entgehen. Das nutzen die Hoteliers schamlos aus. |