96,5 Prozent der befragten ver.di-Mitglieder bei der Deutschen Telekom haben für den Arbeitskampf gestimmt. Das ist ein klares Zeichen. Die von Outsourcing und heftigen Lohneinbußen bedrohten Telekom-Beschäftigten wissen: Wer jetzt nicht zäh kämpft, der hat verloren.
Die jüngsten Äußerungen aus der Politik und die Kommentare überdurchschnittlich bezahlter Journalisten bei Tageszeitungen und Sendern lassen ahnen, dass die Herrschenden jetzt alles unternehmen, um den Streik zu unterlaufen und zu diskreditieren. Dabei wird auch mit Verdrehungen und gezielter Propaganda gearbeitet, um die Bevölkerung gegen die Streikenden aufzubringen. Anders als behauptet ist die Telekom kein darbendes, defizitäres Unternehmen, das durch Lohnopfer gerettet werden müsste. Es geht Konzernchef Obermann um höhere Renditen für die Finanzanleger, um reines Lohndumping zu Gunsten der Aktionäre. Der Telekom-Konzern verbuchte 2005 satte 5,6 Milliarden Euro Gewinn, 2006 immer noch 3 Milliarden Euro und hat auch für 2007 einen nicht unerheblichen Gewinn eingeplant. Telekom hat die höchste Dividendenrendite aller DAX-Unternehmen. Auch die Festnetzsparte T-Com arbeitet nach wie vor mit Gewinn.
Der Telekom-Vorstand fordert für die Löhne und Sozialleistungen eine „Angleichung an das Marktniveau“ und meint damit die deutlich schlechteren Tarife anderer Telekom-Unternehmen. Solche Tarifverträge wurden allerdings auf erpresserische Art und Weise erzwungen. Wir wollen aber keine Angleichung nach unten, sondern nach oben – also die Anhebung der Tarife bei anderen Unternehmen der Branche an das derzeitige Telekom-Niveau.
Der Bereich, in dem jetzt die Ausgründungen auf dem Rücken der Beschäftigten und zu Bedingungen des Sozialdumping erfolgen sollen, bringt das Geld in die Kassen des Konzerns, der damit gutes Geld verdient. Zudem hat man die Verluste der Auslandsmobilfunkgesellschaften speziell auf die Festnetzsparte T-Com übertragen. Dadurch weist die T-Com auf dem Papier geschmälerte Gewinne aus, sie hat aber auch damit keine Verluste, sondern Gewinne. Um ein Beispiel zu nennen: In den USA wurde die Mobilfunkgesellschaft T-Com USA (früher Voicestream) für 40 Milliarden Euro gekauft. Seit dem Kauf wurden weitere 30 Milliarden Euro in T-Mobile USA investiert, so dass sich eine Gesamtsumme von 70 Milliarden Euro ergibt, die der Konzern da hineingesteckt hat. T-Mobile USA hat bisher keinen einzigen Euro Gewinn abgeworfen – im Gegenteil: Ihre Schulden wurden der deutschen T-Com aufs Auge gedrückt.
Nun behauptet die Konzernspitze, es ginge ja doch „nur um 9 Prozent Einkommenskürzung“ und dafür seien dann die Arbeitsplätze gesichert. Das ist reine Augenwischerei, denn es geht um weitergehende Abbaumaßnahmen wie Wegfall von Tarifverträgen oder Verlagerung von Prozessschritten, die bisher in der Arbeitszeit waren, in die Freizeit. Wenn die Zeiterfassung verändert wird, bedeutet dies, dass nicht mehr an der Stechuhr die Arbeitszeit beginnt, sondern erst mit dem Hochfahren des Computers am Arbeitsplatz. Alle Vorzeiten laufen dann als Freizeit. All dies summiert sich in vielen Fällen auf über 40 Prozent Lohnverlust. Der angekündigte Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen tut dem Vorstand in keiner Weise weh, denn es wird zwei Jahr dauern, bis die neue, ausgegründete Gesellschaft läuft. Bis dahin braucht Obermann die Menschen auf jeden Fall, sonst kriegt er das Ding nicht zum Laufen. Das ist eigennützig und kein Ausdruck von sozialem Verhalten oder Güte. Auch wenn er sagt, es bestünde ein Verkaufsschutz, dann ist das ebenso Augenwischerei. Denn ich kann nicht verkaufen, was nicht funktionsfähig läuft. Welcher Käufer hätte daran Interesse? Telekom-Beschäftigte sind auch deshalb so verärgert, weil sie in den letzten Jahren bereits große Opfer gebracht haben. Durch die 2004 vereinbarte Arbeitszeitverkürzung auf 34 Wochenstunden wurden 10.000 Arbeitsplätze gesichert. Dabei verzichtete ver.di allerdings als Gegenleistung auch auf Lohnbestandteile wie Weihnachts- und Urlaubsgeld. Es war also kein voller Lohnausgleich, sondern in der Summe 6,75 Prozent Einkommenskürzung.
Mittlerweile hat diese Tarifauseinandersetzung Signalwirkung. Hier geht es nicht nur um den Telekom-Konzern, sondern hier sollen gewerkschaftliche Bastionen geschleift werden. Wenn ein solcher Abbau möglich würde, hätten die Ergebnisse Signalfunktion in die ganze Wirtschaft hinein, denn was bei der Telekom durchsetzbar ist, ist dann für die ganze Wirtschaft das Maß aller Dinge. Die politische Dimension des Konflikts ergibt sich durch die Rolle der Bundesregierung. Der Bund hält noch 31 Prozent des Aktienkapitals der Deutschen Telekom und entsendet zwei SPD-Mitglieder in den Telekom-Aufsichtsrat: Staatsekretär Thomas Mirow vom Bundesfinanzministerium und die Sprecherin der KfW-Bankengruppe, Ingrid Matthäus-Maier. Doch anstatt gemeinsam mit den zehn Arbeitnehmervertretern im Aufsichtsrat Einfluss auf die Unternehmenspolitik auszuüben und die Pläne von Konzernchef Obermann zu stoppen, hält es die Bundesregierung mit den privaten Aktionären und Heuschrecken. „Inhaltlich ist gemäß Corporate Governance jedes Mitglied des Aufsichtsrats dem Unternehmensinteresse verpflichtet und hat demzufolge auf für das Unternehmen wirtschaftlich sinnvolle oder erforderliche Maßnahmen hinzuwirken“, heißt es in einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag.
Der Vorwurf, dieser Streik beschleunige den Zerfall des Telekom-Konzerns und den Ausverkauf an Heuschrecken, ist besonders dreist. Denn es war kein geringerer als Bundesfinanzminister Peer Steinbrück, der den Verkauf von 4,5% der T-Aktien durch die bundeseigene KfW an die Investmentgesellschaft Blackstone-Group veranlasste und somit die Heuschrecken an den Tisch und in den Telekom-Aufsichtsrat holte. Blackstone will in möglichst kurzer Zeit möglichst viel Geld heraus pressen – ohne Rücksicht auf Verluste.
Die Bundesregierung möchte – das hat sie in der Antwort an die Linksfraktion bestätigt – ihre Beteiligung an der Deutschen Telekom endgültig abstoßen und damit dem Konzern zu 100 Prozent privatisieren. Durch die Privatisierung und Liberalisierung bei der Deutschen Telekom sind seit Mitte der 1990er Jahre ca. 130.000 Arbeitsplätze abgebaut worden. Im Gegenzug wurden in der Branche nur bestenfalls 70.000 neue Arbeitsplätze geschaffen. Somit ergibt sich im günstigsten Falle immer noch ein Verlust von 60.000 Vollzeitarbeitsplätzen im Zeichen der Marktliberalisierung.
Dieser Streik ist Anschauungsunterricht für Wirtschaft und Industrie. Viele Unternehmer beobachten genau, wie hier in einem Referenzmodell Tarifraub betrieben wird. Dies müssen wir verhindern. Darum: breite Solidarität mit dem Telekom-Streik! (D)Obermann und Co. stoppen! Besucht und unterstützt die Streikenden direkt! Bildet Solidaritätskomitees!
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