Kategorie: Kapital und Arbeit |
|||
Unbefristeter Streik gegen Tarifflucht bei VAC in Hanau |
|||
|
|||
Seit Donnerstag früh, 11. September 2008, stehen bei dem Hanauer Metallbetrieb Vacuumschmelze (VAC) alle Räder, Maschinen und Computer still. Die rund 1500 im Werk beschäftigten Männer und Frauen folgten geschlossen einem Aufruf der IG Metall zum unbefristeten Streik. Sie wehren sich damit gegen die Flucht des Unternehmens aus den mit der IG Metall abgeschlossenen Flächentarifverträgen für die Metall- und Elektroindustrie in Hessen. | |||
|
|||
An den beiden Vortagen hatten sich die Gewerkschaftsmitglieder im Betrieb zu 92,2 Prozent für den unbefristeten Arbeitskampf geworden. Der gewerkschaftliche Organisationsgrad bei VAC liegt mittlerweile bei insgesamt über 90 Prozent und nähert sich im Arbeiterbereich der 100-Prozent-Marke. Dass dies kein „gewöhnlicher“ Streik um Lohnprozente ist, machte schon ein starkes Aufgebot von gewerkschaftlicher und politischer Prominenz deutlich, die sich demonstrativ bei einer Auftaktkundgebung vor dem Haupttor des Werkes am Rande der Hanauer Innenstadt zeigte. Der Kampf um die Vacuumschmelze hat schon in den letzten Wochen auf die Region und weit darüber hinaus ausgestrahlt und könnte bundesweit zu einem Symbol des Widerstandes werden. „Wir werden zum Präzedenzfall“, bringt es altgedienter VAC-Ingenieur auf den Punkt. Er und die vielen anderen, die zum Streikbeginn vor dem Haupttor standen, wissen, was sie zu verlieren haben. Denn seitdem sich das VAC-Management unter dem Druck des Eigentümers, der Kapitalgesellschaft OEP, unter Verweis auf eine angeblich „schlechte Geschäftslage“ aus der Tarifbindung für den Flächentarifvertrag verabschiedet hatte, bangen die Beschäftigten um ihren Lebensstandard und ihre Lebensqualität. Denn es droht eine Kürzung der Löhne, Gehälter und Sonderzahlungen ebenso wie eine unbezahlte Arbeitszeitverlängerung und Urlaubsverkürzung sowie die Streichung bisher üblicher betrieblicher Sozialleistungen. Der laufende Konflikt war Anfang August entbrannt, nachdem Belegschaft und Betriebsrat nachträglich erfahren hatten, dass sich die Geschäftsleitung schon Anfang Juni unter Verweis auf eine „schlechte Geschäftslage“ aus der Tarifbindung für den Flächentarifvertrag verabschiedet hatte. „Wir lassen uns nicht zu Bettlern degradieren“, erklärte Conny Gramm, Betriebsratsvorsitzende und Mitglied der Streikleitung. Als das VAC-Management Anfang August die Katze aus dem Sack ließ und die Tarifflucht bekannt gab, löste dies spontane Reaktionen der Belegschaft aus, die selbst gestandene Gewerkschafter überraschten. „Seit Anfang August haben die Kollegen den Betriebsrat mehrmals überholt und geschoben“, erzählt Beate Hoffmann. Das Management habe sich gründlich „verkalkuliert und nicht mit unserer Entschlossenheit gerechnet.“ Die Kampfbereitschaft wurde schon im August in Warnstreiks und Demonstrationen sichtbar und hat die IG Metall gestärkt. Binnen weniger Wochen konnte die Gewerkschaft im Betrieb über 300 neue Mitglieder gewinnen. Damit sind offenkundig auch die gezielten Versuche des Managements fehlgeschlagen, der Belegschaft das Streiken auszureden. Schon vor Wochen hatte die Hanauer LINKE mit der Parole „Den Heuschrecken das Handwerk legen“ vor Ort ein starkes Echo gefunden. Mittlerweile regen sich auch die örtliche SPD und ihr Landrat Erich Pipa. Sie schlossen sich einer Resolution mit dem Titel „Eine Region steht auf" an. Darin wird bemängelt, dass Finanzinvestoren „einheimische Firmen übernehmen und zum alleinigen Zweck der Gewinnabschöpfung ausrichten". VAC-Belegschaft und IG Metall richten sich auf einen längeren Arbeitskampf ein. Vor dem Haupttor haben Helfer wetterfeste Zelte aufgebaut und ein Wohnmobil geparkt, in dem die Streikleitung tagen kann. Für Speisen und Getränke ist gesorgt. An den verschiedenen Toren und Zugängen zum Werksgelände stehen Streikposten rund um die Uhr. Der Kampf der VAC-Belegschaft hatte schon im August in der Region ein starkes Echo gefunden. „In der Bevölkerung hört man jetzt nicht gewerkschaftsfeindliche Sprüche wie früher, sondern Verständnis. Die Leute merken: es wird ernst, es geht allen an den Kragen“, fasst ein VAC-Angestellter seine Erfahrung zusammen. Unter den Solidaritätsbesuchern zum Streikauftakt fand sich auch eine Menge IG Metall-Mitglieder aus dem ganzen Bundesgebiet. Lehrgangsteilnehmer von der IG Metall-Bundesschule im nahen Bad Orb hatten 400 Euro Barspende mitgebracht. Eigens zum Streikbeginn angereist waren auch engagierte IG Metall-Mitglieder aus Eisenach und Erfurt. „Wir müssen in Ost und West gemeinsam für ordentliche Lebens- und Arbeitsbedingungen kämpfen“, fasste Gerd Brücker von der IG Metall-Verwaltungsstelle Erfurt zusammen. Er will wiederkommen und viele Kollegen mitbringen, die den Hanauern als Streikposten zur Seite stehen können. |