Kategorie: Kapital und Arbeit |
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Federal Mogul-Management rekrutiert Streikbrecher |
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Auch am Freitag, dem dritten Arbeitskampftag, waren die Reihen der Streikenden im Wiesbadener Werk des US-amerikanischen Automobilherstellers Federal Mogul fest geschlossen. Wie berichtet hatten sich am Dienstag über 94 Prozent der IG Metall-Mitglieder im Betrieb für den Streik zur Abwehr von Massenentlassungen ausgesprochen. | |||
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Am späten Donnerstagnachmittag sorgte eine von der Unternehmensleitung beim Wiesbadener Arbeitsgericht erwirkte einstweilige Verfügung vor Ort für Aufregung, die den streikenden Metallern auferlegt, für einen "ungehinderten Zugang" von Mitarbeitern, Kunden und Lieferanten zum Werksgelände zu sorgen. Der örtliche IG Metall-Bevollmächtigte Michael Erhardt nannte die einstweilige Verfügung "eine echte Provokation, die sicher auch so gemeint war". Es sei "unheimlich schwer, jetzt die Leute ruhig zu halten", so der Gewerkschafter. Beobachter betrachten die Verfügung als Ausdruck eines "Herr-im-Hause"-Standpunkts und Machtanspruchs des Managements, das offenbar vom Streik kalt erwischt wurde, wie auch als Versuch, den Boden für einen Einsatz von Streikbrechern zu bereiten. So bemühte sich die Geschäftsleitung bereits am Mittwoch durch Telefonanrufe bei einzelnen Beschäftigten um die Rekrutierung von Streikbrechern; die für ihre Beförderung auf das Werksgelände angeheuerten Busse standen stundenlang auf einem etwa 1 km entfernten Parkplatz bereit, blieben jedoch leer. Zwischenzeitlich verdichten sich Hinweise darauf, dass die Geschäftsleitung systematisch über eine Leiharbeitsfirma 166 ehemalige Werksangehörige als Streikbrecher anzuheuern versucht, die nach Ablauf ihrer befristeten Arbeitsverträge im vergangenen Jahr ausgeschieden waren. Der Betriebsrat hatte sich seinerzeit dafür eingesetzt, durch allgemeine Arbeitszeitverkürzung eine Weiterbeschäftigung dieser 166 Personen zu erreichen, hatte damit aber bei der Geschäftsleitung auf Granit gebissen. Dem Vernehmen nach dürfte Personalleiter Ferdinand Schneider unter Verletzung von Datenschutzbestimmungen die Privatadressen dieser 166 ehemaligen Werksangehörigen an Leiharbeitsunternehmen weitergereicht haben. Diese Firmen hätten dann den Betroffenen einen Stundenlohn von 10 Euro, also weit unter Metall-Tarif, zunächst sechs Wochen Beschäftigung und als Lohn für ihre Streikbrecherdienste die Möglichkeit der unbefristeten Weiterbeschäftigung bei Federal Mogul angeboten, erklärte Erhardt in der Nacht zum Donnerstag den Streikenden. Da der Wiesbadener Federal Mogul-Betrieb ein wichtiger Zulieferer für die deutsche Automobilindustrie ist, könnte ein längerer Streik bald große Wirkung zeigen. Mitglieder der Streikleitung vereinbarten mit den Streikposten inzwischen konkrete Verhaltensregeln für den "Ernstfall". Als sich am späten Freitagvormittag der örtliche Geschäftsführer Johannes Pink und mehrere leitende Angestellte aus dem gegenüberliegenden Verwaltungsgebäude über das Haupttor Zugang zum Fabrikgelände verschafften, wurden sie von einem Spalier empörter Streikender mit Pfiffen und Buhrufen begrüßt. Zur Unterstützung des Streiks und besseren Vernetzung von Belegschaften im Rhein-Main-Gebiet hat sich inzwischen ein regionales Solidaritätskomitee "Netzwerk Verteidigung der Arbeitsplätze" gebildet, dem überwiegend Betriebsräte aus Betrieben der Metall-, Druck- und Verpackungsindustrie, Einzelhandel und Versicherungen angehören. Dieses Bündnis informiert am Samstag in der Wiesbadener Innenstadt die Öffentlichkeit und koordiniert weitere Solidaritätsmaßnahmen. Dass diese externe Informationsarbeit durch engagierte Gewerkschafter dringend notwendig ist, zeigt auch ein Blick in die Lokalpresse. So wird der Arbeitskampf beim größten noch verbliebenen Industriebetrieb der Region im tonangebenden Wiesbadener Kurier derzeit offensichtlich heruntergespielt und ausgeblendet. Unterdessen kündigte die Streikleitung am Freitag Mittag die taktische Unterbrechung des Streiks über das Wochenende an. Sollte es am Montag nicht zu einer Einigung mit der Geschäftsleitung im Konflikt um die drohende Entlassung von 436 Beschäftigten kommen, so ist mit einer unverzüglichen Wiederaufnahme des Streiks zu rechnen. |