Kategorie: Kapital und Arbeit

Der Anfang vom Ende? Ist das die Opel-Rettung?

Alle reden von der Opel-Rettung, die letztes Wochenende angeblich in letzter Sekunde in einer Berliner Nachtsitzung vereinbart wurde. Doch was verbirgt sich hinter dem Opel-Konzept? Wir haben es nur mit einem dreiseitigen „Memorandum of Understanding“ (Absichtserklärung) zu tun. Also einer rechtlich unverbindlichen Absichtserklärung, an der die Bundesregierung, der insolvente GM-Konzern und der österreichisch-kanadische Autozulieferer Magna beteiligt sind.



Der Chef von General Motors Europe, Carl-Peter Forster, nimmt den Beteiligten, die bereits von einer Wiedergeburt von Opel reden und sich gegenseitig auf die Schultern klopfen, die Euphorie. Forster sagte: „Wir haben den ersten Schritt getan in eine neue Zukunft, aber die Zukunft ist noch nicht da.“ Noch gebe es nur eine Absichtserklärung, unterschriftsreif seien die Verträge noch nicht.

Magna selbst hält einen Rückzug nach wie vor für möglich. Der ganze Prozess könnte sich noch bis zu sechs Monate hinziehen. Die Bundesregierung sorgt bereits für den Fall vor, dass es doch nicht zu einem erfolgreichen Vertragsabschluss zwischen GM und Magna kommt. So gab es bereits Gespräche mit Vertretern des chinesischen Auto-Konzerns BAIC, der ebenfalls an Opel interessiert ist.

Einen rechtlich verbindlichen Vertrag mit den Beteiligten soll es laut Bundesregierung erst im September 2009 geben (vor oder nach der Bundestagswahl am 27. September?).
Opel wird aus dem GM-Mutterkonzern ausgegliedert. 65 Prozent von Opel werden dann in eine Treuhandgesellschaft überführt, 35 Prozent bleiben im Eigentum des nach seiner Insolvenz restrukturierten GM-Konzerns.

In der Opel-Treuhandgesellschaft gibt es zwei Geschäftsführer: den Frankfurter Rechtsanwalt und „Sanierungsspezialisten“ Alfred Hagebusch und GM-Europe-Vizechef Eric Stevens. Die Zusammensetzung des Treuhand-Beirats: Zwei Beiratsmitglieder stellt die Bundesregierung, zwei GM, und der „neutrale fünfte“ soll der US-Amerikaner Fred Irwin, der Präsident der Amerikanischen Handelskammer in Deutschland, sein. Dies wirft die Frage auf: Warum gibt es eine US-amerikanische Mehrheit im Treuhand-Beirat?
Nach dem „Letter of Understanding“ sollen die neuen privaten Opel-Investoren in den nächsten drei bis sechs Monaten Teile der Treuhandgesellschaft übernehmen. Magna wird dann 20 Prozent übernehmen, die russische Sberbank soll mit 35 Prozent der größte neue private Miteigentümer werden. GM bleibt weiter mit 35 Prozent an Opel beteiligt. GM behält also weiterhin maßgeblichen Einfluss auf den Opel-Konzern, der außerdem Lizenzgebühren für den weiteren Bau der aktuellen PKW-Flotte bezahlen muss. Der GM-Einfluss wird durch den Magna-Anteil noch größer, da Magna der zweitgrößte GM-Zulieferer ist. GM und Magna können sich – gerade bei heiklen Abstimmungen – auf eine Mehrheit von 55 Prozent der Anteile stützen.

Die restlichen 10 Prozent dürfen Opel-Händler und Opel-Beschäftigte unter sich aufteilen. GM, Sberbank und Magna wären damit die größten Aktionäre: GM als gerade unter staatlicher Quarantäne stehendes Pleiteunternehmen, Sberbank als eine im Strudel der Finanzkrise befindliche russische Staatsbank, die eng mit dem kriselnden russischen Autobauer GAZ vernetzt ist, und Magna als Autozulieferer, der einen Umsatzrückgang von 50 Prozent im letzten halben Jahr zu verzeichnen hatte. Ist das die Perspektive für die europäischen Opel-Belegschaften?

Im „Memorandum of Understanding“ wurde vereinbart, dass Opel keine Pkw in den USA, Kanada und China verkaufen darf, da dies neue Konkurrenz für GM wäre. Das bedeutet, dass der Neustart von Opel unter keinem guten Vorzeichen steht, wenn ihm die zwei wichtigsten Märkte in Nordamerika und Asien vorenthalten werden. Der russische Markt, der in Zusammenarbeit mit GAZ „erobert“ werden soll, kann dieses Hindernis nicht ausgleichen. Außerdem ist der russische Automobilbauer GAZ selbst hoch verschuldet und schreibt Verluste, allein 2008 rund 120 Millionen Euro. Der Hersteller bringt ins Konsortium vor allem schlecht ausgelastete Fabriken ein. Für GAS biete eine Zusammenarbeit mit Opel die Chance, eine „Auslastung der Produktionskapazitäten“ zu erreichen. Die russische Regierung unterstützt das Unternehmen jetzt schon mit Staatsbürgschaften, Staatsaufträgen und Steuerrückzahlungen. Sie will GAZ wegen der Arbeitsplätze vor allem in Nischnij Nowgorod retten.

Massive Überkapazitäten

Ziel sei es, binnen weniger Jahre den Marktanteil von derzeit 3,6 Prozent auf 20 Prozent zu steigern. „Marktzugang gegen Technologie- und Wissenstransfer“, so könnte der Grundgedanke dieses Deals zusammengefasst werden. Doch angesichts der derzeitigen Wirtschaftskrise sind diese Perspektiven wohl zu optimistisch. Zwei am Rande taumelnde Autokonzerne planen inmitten der schlimmsten Automobilüberproduktionskrise eine Zusammenarbeit, um neue Marktanteile zu erobern. Weltweit bestehen in der Autobranche Überkapazitäten in Höhe von 50%. 90 Millionen PKW könnten pro Jahr hergestellt werden, 45 Millionen wurden 2008 verkauft. Auch der sagenumwobene russische Markt bietet keine Perspektive: Das russische Industrieministerium rechnet mit einem Rückgang der Verkäufe von Neu- und Gebrauchtwagen um 60 Prozent. Da sind Standortschließungen und Arbeitsplatzabbau vorprogrammiert, wenn es keinen Widerstand dagegen gibt.

Bemerkenswert ist außerdem, dass der Fahrzeughersteller GAZ des finanziell angeschlagenen Geschäftsmannes Oleg Deripaska als industrieller Partner im Magna-Konsortium aufgeführt wird.
Warum haben sich dennoch so viele Investoren für Opel interessiert? Was lässt Opel in den Augen vor allem von Magna trotzdem attraktiv erscheinen? Lassen wir die FAZ ihre Vermutung äußern: „In den harten Nachtverhandlungen für die Opel-Rettung ist ein Satz gefallen, der entlarvenden Charakter hat. Er gibt eine Antwort auf die Frage, wer eigentlich das Risiko der Opel-Rettung trägt. Der [frühzeitig aus dem Bieterverfahren ausgeschiedene, Anm. CM] Finanzinvestor Ripplewood wurde gefragt, warum er trotz geringer Erfahrungen mit dem Autobau an Opel Interesse habe. Der ehrliche Satz: ‚Wir haben uns die asymmetrische Risikoverteilung angesehen und dann entschieden, auf diese Wette können wir eingehen.’ Die nüchterne Übersetzung lautet: Käufer wittern Chancen, weil die Risiken der Staat trägt“ (FASZ, 31.5.09, S. 21).

Der „Rettungsplan“ für Opel, den die Bundesregierung mit den Investoren ausgehandelt hat, birgt große Gefahren für die Arbeitsplätze und Standorte. Schon kündigt der Opel-Betriebsratschef Klaus Franz „harte Einschnitte“ an und sprach von gefährdeten Fabriken im belgischen Antwerpen, in Bochum und im englischen Luton. In Bochum will Magna 2000 der 5000 Stellen streichen. Das Konzept birgt die Gefahr, dass die Arbeitnehmer in den europäischen Standorten gegenseitig ausgespielt werden sollen. Einige Standorte stehen auf der Abschussliste, Ängste werden geschürt. Dies wird dazu genutzt, um die Arbeitnehmer auf Lohnkürzungen vorzubereiten.
Dagegen müssen wir für den Erhalt aller Arbeitsplätze und Standorte in Europa kämpfen. Es dürfen keine Werke geschlossen oder verkauft werden. Das vorliegende Konzept ist eine direkte Subventionierung von Konzernen durch den Staat und eine Arbeitsplatzvernichtungsmaschine mit Steuergeldern.
Das Hauptrisiko trägt der deutsche Staat in Form einer „Überbrückungsbeihilfe“ von 1,5 Milliarden Euro. Die von Magna für den „unmittelbaren Finanzierungsbedarf" an Opel überwiesenen Mittel erhält dieser Konzern zurück, sobald die Staatsgelder fließen.

Bundesregierung und Landesregierungen hoffen, dass beim Opel-Deal Arbeitsplätze gesichert und alle vier Fabriken in Rüsselsheim, Bochum, Eisenach und Kaiserslautern gerettet werden – zumindest bis zur Bundestagswahl im September. Doch eine Garantie dafür gibt Magna nicht. Die Regierung verlässt sich auf Zusagen von Magna, denen zufolge ohne betriebsbedingte Kündigungen bis zu 2600 Stellen abgebaut werden, aber die vier deutschen Standorte erhalten bleiben. In den übrigen europäischen Standorten sollen bis zu 8500 Jobs wegfallen. Dort regt sich inzwischen Widerstand.

Opel unter demokratischer Kontrolle verstaatlichen und alternative Produktion fördern!

DIE LINKE im hessischen Landtag hat sich in der Sondersitzung des Haushaltsausschusses am Pfingstsonntag der Stimme enthalten, weil sie den vorliegenden „Rettungsplan“ nicht für geeignet hält, bei Opel dauerhaft die Arbeitsplätze und die Standorte zu sichern. Die LINKE hat vorgeschlagen, dass Bund und Länder Eigentümer von Opel werden. Wenn der Staat Steuergelder für die Privatwirtschaft bereitstellt, muss er dafür im Gegenzug auch Einfluss und Eigentum erhalten. Keine öffentlichen Mittel ohne öffentliche Kontrolle: Nur so können die Arbeitsplätze und Standorte langfristig gesichert werden. Die IG Metall brachte in der Diskussion um Opel das VW-Gesetz als Alternative ein; bekanntlich hält das Land Niedersachen über 20 Prozent der VW-Aktien und kann per gesetzlich gesicherter Sperrminorität Einfluss ausüben und Standorte sichern. Die Beschäftigten, die Händler und Zulieferer könnten in ein solches Konzept mit einbezogen werden, so die bisherige IG Metall-Forderung. Doch in den Verhandlungen kam dieses Thema nicht mehr zur Sprache.

Wir dürfen uns durch diese Scheinrettung nicht blenden lassen. Opel als Automobilproduzent bleibt im kapitalistischen Überproduktionsmechanismus verfangen und hat bislang die Chance verpasst, verstärkt über alternative Produkte zu diskutieren. Ein auf dem Gemeinwohl verpflichtetes Unternehmen hätte die Möglichkeit, ökologisch und sozial verträgliche Automobile oder auch andere Verkehrsmittel und HiTec-Güter zu produzieren. Der Funke berichtete in den beiden letzten Ausgaben (siehe auch www.derfunke.de, Sonderseite Opel) ausführlich über solche Möglichkeiten. Private Investoren werden von kurzfristigem Profitdenken geleitet und sichern sich ihr unternehmerisches „Risiko“ mit steuerfinanzierten Staatsbürgschaften oder Direktsubventionen ab. Arbeiter, Techniker und Ingenieure sind die eigentlichen Experten. Ohne Bevormundung von oben und ohne Denkverbote können sie gemeinsam Ideen entwickeln, die im Interesse von Mensch und Umwelt sind. Opel hat Zukunft in der kreativen Hand seiner Beschäftigten. Opel muss deshalb unter demokratischer Kontrolle verstaatlicht werden, damit alle Standorte und alle Arbeitsplätze überleben können. Alles andere wäre ein Tod auf Raten und eine soziale Katastrophe für die Betroffenen und die gesamten Regionen.

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