Kategorie: Kapital und Arbeit

Arbeitskampf bei den Sozial- und Erziehungsdiensten geht in die nächste Runde

Auch am Montag, dem 7. Streiktag in der aktuellen Auseinandersetzung bei Sozial- und Erziehungs- diensten, beteiligten sich bundesweit wieder viele tausend Beschäftigte am Arbeitskampf. Allein in Hessen waren nach ver.di-Angaben über 2.500 Beschäftigte im Streik. Die Bewegung hat nicht nur Metropolen wie Frankfurt, Wiesbaden oder Kassel erfasst. ver.di meldet auch aus eher ländlichen Regionen Südhessens eine rege Beteiligung und starken Mitgliederzulauf.
So findet in diesen Wochen in vielen kleineren Gemeinden etwa im Kreis Darmstadt-Dieburg erstmals überhaupt ein Streik im Öffentlichen Dienst statt, berichtete der zuständige Darmstädter ver.di-Sekretär und regionale Streikleiter Wolfgang Günther. Selbst in den großen Streikbewegungen der Jahre 1974 und 1992 seien die kommunalen Dienste dieser Gemeinden nicht in den Streik einbezogen worden.



Der Arbeitskampf habe der Gewerkschaft allein in Darmstadt und den vier Landkreisen Damstadt-Dieburg, Groß-Gerau, Odenwald und Bergstraße in den letzten Wochen einen Zuwachs von 250 neuen Mitgliedern gebracht.

"Junge Kolleginnen und Kollegen wachsen über sich hinaus; halten auf Demos vor mehreren hundert Leuten brennende Reden für unsere Forderungen, nehmen Kontakt zu noch nicht streikenden Einrichtungen auf und nehmen Widerstände gegen Streikteilnahme zum Teil aus dem eigenen Team in Kauf", bringt eine junge Erzieherin und Gewerkschafterin aus dem Kreis-Darmstadt-Dieburg ihre Erfahrungen auf den Punkt: "Viele von uns hätten es bestimmt einfacher, wenn sie wie gewohnt ihrer Arbeit nachgingen. Das tun sie aber nicht, weil sie an die Idee eines neuen Tarifvertrages mit Gesundheitsschutz glauben." Der Streik verlaufe speziell in der Region Südhessen "so erfolgreich, weil wir die Nase voll davon haben, unangenehme Wahrheiten zu verschweigen, und weil wir es riskieren, unseren Arbeitgeber zu verärgern", bringt sie die vorhandene Entschlossenheit einer jüngeren Erzieherinnengeneration in kommunalen Kindergärten zum Aussdruck, jetzt für tatsächliche Verbesserungen bei Einkommen, Gesundheitsschutz und Arbeitsbedingungen zu kämpfen.

Das Aufgabenfeld einer Erzieherin habe sich in den letzten 15 Jahren verzehnfacht.
"So wollen und können wir nicht mehr weitermachen. Es gibt Tage, da empfinde ich Vogelgezwitscher als Lärmbelästigung, liege abends im Bett kann nicht einschlafen, weil ich mich frage hast du genug getan um dieses und jenes Kind zu schützen? Bist du deiner Verantwortung gerecht geworden? Mit diesen Gedanken bin ich garantiert nicht alleine und genau das löst die Solidarität und das Engagement in der Streikarbeit aus. Wir sind nicht allein", so das Fazit der Aktivistin.

Diese Hartnäckigkeit hat offensichtlich auch die örtlichen Bürgermeister überrascht. So berichten Gewerkschafter aus Südhessen zunehmen über Konflikte mit Kommunalpolitikern, die auf einen raschen Abbruch des Arbeitskampfes drängten. Dabei gehörten speziell im Kreis Darmstadt-Dieburg örtliche SPD-Bürgermeister zu den größten Kritikern des Streiks, bemängeln Gewerkschafter wie Wolfgang Günther, während die CDU-Verwaltungschefs die Auffassung ihrer SPD-Kollegen grundsätzlich teilten, dies jedoch nicht so demonstrativ an den Tag legten. In vielen Fällen hätten die Streikenden von ihrem Bürgermeister ein Schreiben mit vorformulierten Textblöcken des Kommunalen Arbeitgeberverbandes (KAV) erhalten, in dem der Arbeitskampf als „illegal“ bezeichnet wird und jeder Streikende vor „arbeitsrechtlichen Konsequenzen“ gewarnt wird. Teilweise hätten die Bürgermeister auch die Leiterinnen örtlicher Kindertagesstätten ins das Rathaus zitiert und ultimativ dazu aufgefordert, den Druck zum Streikabbruch an die Beschäftigten weiterzugeben. Da sich der Bürgermeister des Gemeinde Griesheim, Norbert Leber (SPD), mit dieser Gewerkschafts- und Streikschelte von Anfang an besonders hervorgetan hat, wollen jetzt über 1000 Erzieherinnen aus der ganzen Region am Dienstag in Griesheim aufmarschieren und vor Ort lautstark gegen die Haltung des Verwaltungschefs protestieren.

Zunehmend versuchen nach Angaben von Wolfgang Günther nun die Bürgermeister, vom Streik betroffene Eltern gegen den Streik aufzuwiegeln. In einem Fall habe der Verwaltungschef offen damit gedroht, dass bei finanziellen Zugeständnissen an die Erzieherinnen die von den Eltern zu entrichtenden Beiträge sofort angehoben werden müssten. Diesen Automatismus lässt Günther allerdings nicht gelten. Es sei einzig und allein eine Frage des politischen Willens, wie viel einer Gemeinde eine ordentliche Erziehung der Kinder im Vorschulalter wert sei. So verzichte etwa die Gemeinde Breuberg im Odenwaldkreis in ihren Einrichtungen in allen fünf Stadtteilen zumindest für die Kinderbetreuung bis 14 Uhr ganz auf die Erhebung von Elternbeiträgen. Dies wurde von der Gemeinde bestätigt. Zudem verwies der Gewerkschafter darauf, dass die massive Unzufriedenheit der Erzieherinnen mit ihren Arbeitsbedingungen auch eine Folge von Verschlechterungen im Übergang vom Bundesangestelltentarif (BAT) auf den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVÖD) seit 2007 sei. Die Arbeitgeberseite blockiere Nachverhandlungen etwa über die Möglichkeit des Bewährungsaufstiegs. Die Gemeinden sparten allein dadurch pro Erzieherin mindestens 230 Euro im Monat.

Dass sich im Streik auch eine neue Generation von Aktivisten herausbildet, bringt auch das Streiktagebuch einer Aktivistin zum Ausdruck: „Seit wir streiken, bräuchte mein Tag eigentlich mehr als 24 Stunden. Organisieren, Infos weitergeben, Kontakt zu Elternbeirat suchen und diesen informieren, an betrieblichen Streikleitungssitzungen teilnehmen, alles zusätzlich zu einer normalen Vollzeitbeschäftigung in der KiTa. Dennoch gehe ich im Moment abends hochzufrieden ins Bett, weil mir aus unterschiedlichsten Bereichen zum Thema Streik aufrichtiges Interesse und Neugier entgegen gebracht wird."

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