Von der Objektleiterin herbeigerufene Polizisten hätten sich "sehr zurückhaltend" gezeigt und "tendenziell Sympathie" mit der Gewerkschaft zu erkennen gegeben, erklärte ein IG BAU-Aktivist. Am Vortag hatten Arbeitskampfhelfer der IG BAU und streikende Reinigungskräfte aus der Region das Wiesbadener Rathaus aufgesucht, um zu recherchieren, ob die bestreikten Firmen dorthin andere Reinigungskräfte zum Streikbruch abkommandiert hatten. Auch hier konnten zwei als Streikbrecherinnen eingesetzte Frauen durch Argumente davon überzeugt werden, sich dem Arbeitskampf anzuschließen.
Im Raum Wiesbaden werden unter anderem regionale Niederlassungen der Konzerne Wisag und Piepenbrock bestreikt. Zu den bestreikten Objekten gehört auch die hessische Sparkassenakademie Hessen-Thüringen in Eppstein (Taunus). Auch hier konnten am Mittwoch potentielle Streikbrecher umgestimmt werden. Streikende beklagten sich über eine zunehmende und unerträglich gewordene Arbeitshetze und -verdichtung in den Räumen der Sparkassenakademie.
Brisant ist in der Landeshauptstadt die Tatsache, dass auch die Firma Schmidt + Brandt und somit der Betrieb des Obermeisters der Landesinnung des Gebäudereinigerhandwerks in Hessen, Manfred Schmidt, vom Streik erfasst wurde. Schmidt ist in der Wiesbadener SPD engagiert und ehrenamtlich Bezirksvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der Selbstständigen (AGS) in der SPD Hessen-Süd. Im Hessenfernsehen hatte er am Dienstag als maßgeblicher Repräsentant des Arbeitgeberlagers dem Streik eine Niederlage prophezeit, weil der Organisationsgrad der IG BAU in der Branche "nicht nachhaltig" sei. In Kreisen seiner Parteifreunde lässt sich Schmidt gerne als "sozialer mittelständischer Unternehmer" feiern, der sich an Tarifverträge halte und Mindestlöhne respektiere. Demgegenüber bemängeln örtliche Vertreter der IG BAU, Schmidt + Brandt habe einzelnen Beschäftigten in letzter Zeit das zusätzliche Urlaubsgeld vorenthalten und auch teilweise die tariflichen Urlaubstage falsch berechnet. Das Unternehmen operiert nach eigenen Angaben "täglich in Liegenschaften des Bundes, in Ministerien und Ämtern des Landes, in Altenheimen, Schulen und Behörden der Städte und Gemeinden". Schmidt + Brandt ist seit geraumer Zeit auch in der Wiesbadener Fachhochschule im Einsatz und gehört zu den Emporkömmlingen der Branche, die von der Welle der Privatisierungen und Ausgliederungen von Reinigungs- und anderen Dienstleistungen aus Behörden und Industriebetrieben profitieren.
Während Reinigungskräfte, die noch direkt bei der Stadt Wiesbaden angestellt sind, nach Personalratsangaben mindestens 9,37 Euro Stundenlohn verdienen und noch andere tarifliche Leistungen des öffentlichen Dienstes in Anspruch nehmen können, ist in der privaten Gebäudereinigungsbranche nach dem Auslaufen des bisherigen Tarifvertrags der bisherige Tariflohn von 8,15 Euro akut gefährdet. Gewerkschafter beklagen, dass nun zunehmend bei neuen Arbeitsverträgen Stundenlöhne von 6,50 Euro angeboten würden. Viele "Putzfrauen" sind alleinerziehende Mütter und wegen des geringen Einkommens als Aufstockerinnen auf ergänzende Sozialhilfe angewiesen.
Die IG BAU setzt auf eine schrittweise Ausweitung des Arbeitskampfs und "Überraschungsangriffe". Nach dem Ende der Herbstferien am Wochenende könnten in der kommenden Woche deshalb auch hessische Schulen vom Streik erfasst werden. Die Gewerkschaft fordert für die Branche eine Einkommenserhöhung von 8,7 Prozent bei einer Laufzeit von 12 Monaten sowie einen Einstieg in die tarifliche Altersversorgung. Da die Arbeitgeberseite nur drei Prozent für den Westen bzw. 3,6 Prozent für die östlichen Bundesländer bei einer Laufzeit von 21 Monaten anbietet, könnte sich der Konflikt über eine längere Zeit hinziehen.
DIE LINKE.Wiesbaden erklärt sich solidarisch mit dem Arbeitskampf der GebäudereinigerInnen
Der Kreisverband DIE LINKE.Wiesbaden erklärt sich solidarisch mit den Gebäudereinigerinnen und Gebäudereinigern, die sich auch in der hessischen Landeshauptstadt seit Dienstag im Streik befinden und unterstützt ihre Forderungen nach 8,7% mehr Lohn und Ausbildungsvergütung, stufenweiser Angleichung der Ost-Löhne auf West-Niveau und einer arbeitgeberfinanzierten Altersvorsorge.
Der Kreisverband DIE LINKE.Wiesbaden fordert seine Mitglieder zur aktiven Mitwirkung an Solidaritätsmaßnahmen auf.
Der Kreisverband DIE LINKE.Wiesbaden fordert die öffentlichen Arbeitgeber in Bund, Ländern und Kommunen auf, ab sofort keine Reinigungs-Aufträge mehr an Unternehmen zu vergeben, die ihre Reinigungskräfte unter dem bis Ende September 2009 gültigen tariflichen Niveau beschäftigen.
Der Kreisverband DIE LINKE.Wiesbaden fordert die öffentlichen Arbeitgeber in Bund, Ländern und Kommunen auf, die in den letzten Jahren vollzogene Ausgliederung/Privatisierung der Reinigungsdienste wieder rückgängig zu machen und die Beschäftigten in diesen Bereichen wieder in den Geltungsbereich der Tarifverträge für den Öffentlichen Dienst zurückzuführen.
Der Kreisverband DIE LINKE.Wiesbaden fordert die ParlamentarierInnen der Partei auf allen Ebenen dazu auf, sich durch parlamentarische Initiativen und außerparlamentarisch für diese Forderung einzusetzen.
Der Kreisverband DIE LINKE.Wiesbaden fordert alle Privatunternehmen auf, eine bereits erfolgte Ausgliederung der Reinigungsdienste rückgängig zu machen und alle eingesetzten Reinigungskräfte ab sofort wieder zu den für die Kernbelegschaften gültigen tariflichen Bedingungen zu beschäftigen. Insbesondere von den dort tätigen Betriebsräten und Arbeitnehmervertretern in den Aufsichtsräten erwarten wir ein tatkräftiges Engagement in diesem Sinne.
Der Kreisverband DIE LINKE.Wiesbaden erwartet von der Bundestagsfraktion DIE LINKE eine Gesetzesinitiative und breite öffentliche Kampagne mit der Zielsetzung,
- die zunehmende Ausgliederung und Fremdvergabe von Dienstleistungen und Betriebsteilen,
- den um sich greifenden Einsatz von Leih- und Zeitarbeitern,
- Tarif- und Sozialdumping, sowie
- die damit einhergehende Spaltung von Belegschaften und ihrer Interessenvertretung zu stoppen und wieder rückgängig zu machen.
Begründung:
Diese Berufsgruppe wird in Deutschland mit einem Lohn abgespeist, der kaum zum Leben reicht, geschweige denn für die Altersvorsorge. Viele Betroffene sind in Folge der Armutslöhne Hartz IV-AufstockerInnen. Dabei boomt die Gebäudereinigerbranche. Es ist ein Skandal, dass die Beschäftigten nach den Vorstellungen der Arbeitgeber davon nicht profitieren sollen.
So beschlossen vom Kreisvorstand DIE LINKE.Wiesbaden am Donnerstag, 22. Oktober 2009
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