Kategorie: Kapital und Arbeit

Wut über Knochenarbeit und fehlende Menschenwürde treibt Pflegekräfte in den Streik

Bei der aktuellen Tarifrunde für den Öffentlichen Dienst geht es nicht nur um eine Einkommenserhöhung. Speziell in Krankenhäusern und städtischen Pflegeheimen geht es vor allem auch um bessere Arbeitsbedingungen. Gerade hier hat die Arbeitsbelastung extrem zugenommen. „Immer wieder müssen wir aus der Freizeit heraus einspringen, weil die Personaldecke inzwischen so dünn ist“, kommentiert eine Krankenschwester die Situation in der Pflege.



„Ändert sich an dieser Situation nichts zum Besseren, kann sich niemand von uns vorstellen, bis 67 in Wechselschichten auf der Station zu arbeiten.“ "Minister de Maizière hält unsere Forderungen für unverschämt und unbegründet. Ich halte sie für angemessen und begründet." Damit sprach Margarete Wiemer, Personalratsvorsitzende beim städtischen Klinikum Frankfurt-Höchst, den Anfang Februar 2010 in Frankfurt versammelten 2000 Streikenden aus hessischen Kliniken und Pflegeheimen aus dem Herzen.

Dass sich bei den Pflegekräften Unmut angestaut hat, ist nicht zu überhören. Unübersehbar auch die Präsenz von Gesundheits- und Krankenpflegeschülern. Einer von ihnen, mit 50 anderen aus der Psychiatrieklinik Vitos im südhessischen Riedstadt angereist, kennt den chronischen Personalmangel, der alle auf dem Platz bewegt: "Ohne Azubis würde es in der Pflege sehr eng. Dabei gehen aber die Lernziele flöten". Andere verteilen aus Protest gegen unsichere und prekäre Berufsaussichten nach der Ausbildung gratis Schnittblumen. "Die Blüte unserer Jugend - für umsonst", protestieren sie: "Auch im Öffentlichen Dienst wird immer häufiger für die Arbeitslosigkeit ausgebildet."

Ob aus Frankfurt, Limburg oder Darmstadt - alle klagen über gestiegene Arbeitsbelastung, Knochenarbeit, Fließbandabfertigung von Patienten und fehlende Menschenwürde. Schlecker lässt auch in der Pflege grüßen. So kritisiert die ver.di-Vertrauensfrau Anette Hergl, dass der stadtnahe Frankfurter Verband für Alten- und Behindertenhilfe e.V. als größter sozialer Träger am Ort mit seiner Tochter FRAserve Leiharbeit in gigantischem Ausmaß betreibe.

Auch bei den kommunalen Wiesbadener Dr.-Horst-Schmidt-Kliniken (HSK) ist die Personaldecke sehr dünn. Eine Angestellte beklagt, dass bei Ausfall durch Krankheit verstärkt Beschäftigte zu Hause angerufen würden, die gerade mal einen freien Tag hätten. "Man kriegt schon fast nicht mehr frei, wenn man nicht bereit ist, bei Bedarf ganz kurzfristig einzuspringen", beklagt sich die Gewerkschafterin: "Krankenschwestern gehen auch schon mal halb krank zur Arbeit, weil sie ein schlechtes Gewissen haben und ihr Team nicht enttäuschen wollen".

Die Wut der Beschäftigten in dem Wiesbadener Krankenhaus wächst, seitdem sie im städtischen Beteiligungsbericht nachlesen können, dass HSK-Geschäftsführer Holger Strehlau für das Geschäftsjahr 2008 Bezüge in Höhe von 354.000 Euro erhielt und sich damit sein Einkommen gegenüber 2007 um 77.000 Euro oder 27 Prozent gesteigert hat. Für die Belegschaft gilt jedoch ein Sanierungstarifvertrag mit Lohnopfern und Einschnitten bei der Betriebsrente.

Eine Umverteilung von unten nach oben beklagt auch Margarete Wiemer. In ihrem Bereich "schnellen die Gehälter der leitenden Angestellten in die Höhe", viele hätten ohne Not einen Dienstwagen, kritisiert die Gewerkschafterin die Vorboten der Privatisierung. Gleichzeitig seien viele Stellen ersatzlos gestrichen worden. "Was früher als Not- oder Wochenendbesetzung galt, ist zum Alltag geworden", erklärt die Personalrätin. Das Personal werde "ausgepresst wie eine Zitrone", die Einsatzbereitschaft und Flexibilität vieler ohnehin hilfsbereiter Beschäftigter werde "missbraucht".
So mache das Gesundheitswesen krank und erzeuge Burnout-Syndrome. Da komme Wut auf. "Wir werden so oft wiederkommen, bis die Arbeitgeberseite zu Verhandlungen bereit ist“, kündigt die Gewerkschafterin an.

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