Die meisten AnwenderInnen gehen davon aus, ihren Computer und die darauf installierte Software zu besitzen und frei nach ihrem Willen nutzen zu können. Doch ein Blick in die Benutzungsvereinbarung (EULA), welche meist ohne genauere Betrachtung akzeptiert wird, zeigt an anderes Bild: Man besitzt weder seine legale Version von Microsoft Office noch ein Computerspiel oder das MacOS auf dem neuen Laptop, stattdessen hat man nur eine Lizenz zur Benutzung der Software unter den Bedingungen des Herstellers erworben. Die meisten dieser Lizenzen erlauben den alltäglichen Gebrauch und betreffen die AnwenderInnen nicht direkt, untersagen aber die Weitergabe an Bekannte, den Weiterverkauf oder gar Änderungen am „geistigen Eigentum“ des Herstellers. Somit ähnelt der Softwaremarkt eher einem Leihwagen-Service, in dem es möglich ist selbst ein gemietetes Fahrzeug zu lenken, aber jegliche Veränderung wie etwa andere Reifen oder der Einsatz günstigerer Ersatzteile anstelle von teuren Originalteilen strengstens verboten ist. Aus rechtlicher Hinsicht ist die Gestaltung der Lizenz, welche durch einen Klick auf „Akzeptieren“ angenommen wird, beinahe ganz dem Hersteller überlassen, so kann z.B. eine Nutzung der Software in gewissen Staaten verboten oder der Einsatz für gewisse Zwecke untersagt werden.
Obwohl Software im Allgemeinen über kein Ablaufdatum verfügt, bestimmt doch die Verbreitung neuer Versionen die mögliche Dauer des sinnvollen Einsatzes aller vorangegangenen Produkte. Durch die Untersagung von Veränderungen an lizenzierter Software können Hersteller ihre Kunden zum Upgrade auf ihr neustes Produkt zwingen, sofern diese mit anderen zusammenarbeiten. Erhält z.B. der Abteilungsleiter einen neuen Computer mit vorinstalliertem Word 2010 wird er seine Dokumente nur noch als .docx Dateien verbreiten, und schon sind alle Abteilungen gezwungen, ebenso neue Software zu lizenzieren, wenn sie ihren Betrieb aufrecht erhalten wollen.
Wie auch im bereits erwähnten Automobilmarkt haben sich auch in der Softwarewelt Alternativprodukte zu den überteuerten etablierten Programmen gefunden. So kann etwa OpenOffice, ein bekanntes Projekt der Freie-Software Bewegung, sowohl .doc als auch .docx verarbeiten und würde sich daher als Ersatz für Microsoft-Office anbieten. Dies kann aber nicht in allen Fällen gewährleistet werden: Während in der Welt des KFZ einfach von mechanischen Eigenschaften von Komponenten auf deren Funktionsweise Rückschlüsse möglich sind (so lässt sich etwa ein Kreuz-Schraubenzieher entwickeln basierend auf dem Wissen, wie eine Kreuz-Schraube aussieht), ist dies im IT-Bereich weit komplizierter. Die meisten Lizenzen verbieten jegliche Modifikation oder genauere Analyse der betroffenen Software, somit bleibt Drittherstellern nur noch zu „raten“, wie gewisse Formate oder Schnittstellen funktionieren. Somit können sie kein „korrekt angezeigtes“ Ergebnis garantieren und disqualifizieren sich dadurch für den seriösen Einsatz. Microsoft schafft es somit Dritten den Zugang zu ihrem Markt zu verweigern und die KundInnen zu zwingen laufend neue Versionen der Software zu kaufen. Dies ist auch deshalb bedenklich, da MS-Office als quasi-Standard auch in vielen Bereichen der staatlichen Infrastruktur genutzt wird um Informationen zu speichern – in einem Format, von dem niemand außer Microsoft wirklich weiß, wie es funktioniert. Hierdurch verfügt eine Firma, welcher gegenüber keinerlei demokratischer Organisation zur Rechenschaft verpflichtet ist, enorme Macht, sowie einen exorbitantes Einkommen, welches nicht in Relation zur verrichteten Arbeit steht.
Diesem Wirtschaftsmodell, für das Microsoft nur ein Beispiel darstellt, steht die Freie Software-Bewegung gegenüber. Hier werden Formate offen dokumentiert und den NutzerInnen werden in der Lizenz alle Möglichkeiten eingeräumt, das Produkt nach eigenem Ermessen zu verändern. Hier geht es um die Freiheit, Software zu benutzen, weiterzugeben, zu untersuchen und zu verbessern. Zu diesem Zweck wird auch Zugriff auf den Quelltext (engl. source code) gewährt, über den solche Aktivitäten einfach von statten gehen. Während Softwarefirmen diesen Quelltext unter Verschluss halten um ihr „geistiges Eigentum“ zu schützen und den NutzerInnen nur ausgewählte Funktionen zugänglich machen, ermöglicht der Zugang zum Quellcode z.B. das Auffinden und Beseitigen von Fehlern (engl. bugs), die Anpassung auf ein bestimmtes Einsatzgebiet, die Nutzung von Teilen in anderer Software oder die Analyse zu Ausbildungszwecken. Diese Kooperation fördert den Austausch von Wissen, und durch die Wiederverwendung von Teilen können unzählige Stunden an Entwicklungsarbeit vermieden werden, da sozusagen jedes Rad nur einmal erfunden werden muss. Diese Freiheit wird zum Nutzen der gesamten Gesellschaft eingesetzt. Die bekanntesten Vertreter dieses kooperativen Prozesses sind Mozilla Firefox, OpenOffice und der Webserver Apache, der rund die Hälfte der Seiten im WWW ausliefert. An diesen Projekten arbeiten täglich EntwicklerInnen aus der ganzen Welt miteinander, und ihre Arbeit und Erkenntnisse können frei begutachtet und weiterverwendet werden.
Durch ihre Existenz in rein elektronischer Form kann Software, im Gegensatz zu anderen Gütern, beliebig oft kostenlos oder mit sehr geringem Aufwand reproduziert werden. Dies ermöglicht es die hohen Entwicklungskosten rasch wieder einzuspielen, wodurch sich Produkte trotz teils jahrelanger Stagnation (wie z.B. Microsoft Office) zu regelrechten „cash-cows“ entwickeln können, die laufend Gewinne abwerfen, ohne dass dafür menschliche Arbeit verrichtet werden muss. Doch die meisten Firmen haben nicht die finanziellen Mittel, um auch nur an eine direkte Konkurrenz mit den Branchenriesen zu denken. Die Kosten, um einen relevanten Marktanteil zu erarbeiten, basieren auf dem Problem, die Funktionen bestehender Lösungen selbst erneut entwickeln zu müssen, bevor man sich überhaupt an die Verbesserung der selbigen machen kann. Der Großteil der Firmen wird schnell vom Markt gedrängt oder aufgekauft, und die Macht der Monopole steigt und steigt. Diese Tendenz des Kapitalismus zur Monopolbildung ist in der IT-Branche besonders ausgeprägt, und sie zeigt mit verblüffender Klarheit die wahre Natur der Konkurrenz in einer Marktwirtschaft. Konkurrenz am „freien“ Markt wird immer wieder als Garantie für Innovation, Kreativität und Ideenreichtum gefeiert – doch wir sehen, dass sich die Monopole auf ihren Lorbeeren ausruhen können und keine Notwendigkeit für große Innovationen sehen. Fehler in Produkten werden akzeptiert, die Bedürfnisse der BenutzerInnen nach Freiheit im Umgang mit den verwendeten Technologien spielt keine Rolle im Angesicht der Versuchung, den eigenen Markt für Dritte nicht zugänglich zu machen, um seine „cash-cows“ zu sichern. Die aufgewendeten Ressourcen werden eher zur Dezimierung der Konkurrenz anstatt zum Wohle der Gesellschaft eingesetzt.
Die Schaffung von Standards für die Verarbeitung von Daten an sich ist von großer Bedeutung, jedoch muss unterschieden werden zwischen geschlossenen Standards, welche die Monopolstellung einzelner Firmen zementieren, und wirklich offenen Standards, welche allen die Freiheit geben, mit diesen Daten arbeiten zu können und sie in ihrem Sinne einzusetzen. Die Freie Software-Bewegung versucht sich in der Verbreitung solcher Standards zusammen mit der entsprechenden Software, jedoch kann sie dies nur auf moralischem Wege rechtfertigen – ihr fehlt die Kraft die Umsetzung gegen den Willen der Monopole durchführen zu können. Sie stellt einen Vorboten einer neuen Gesellschaft dar, trotz all ihrem Idealismus und ihrem Einsatz kann sie jedoch nicht im Kapitalismus eine kleine „Insel der Seeligen“ schaffen und alle Einflüsse des herrschenden Systems ausblenden. Die Produktionsmittel eines einzelnen Sektors zu vergesellschaften unter Beibehaltung der bisherigen Produktionsweise in den übrigen Branchen ist illusorisch. Nur eine revolutionäre Politik im Interesse der ArbeiterInnenbewegung kann Freie Software mit ausreichenden finanziellen Mitteln unterstützen und zugleich deren Nutzung forcieren, nur sie kann bestehende Systeme öffnen und zum Wohle der gesamten Bevölkerung zugänglich machen. Dies kann nur durch eine gesellschaftliche Entwicklung geschehen, in der verfügbare Technologien vergesellschaftet und entsprechend den Bedürfnissen der Gesellschaft eingesetzt werden. Das erfordert aber eine generelle Abkehr von der Profitwirtschaft hin zu einer demokratischen Verwaltung und Planung der Produktion.
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