Kategorie: Kultur

Michael Moores Fahrenheit 9/11

Begleitet von zahlreichen Anfeindungen der politischen Rechten, Blockadedrohungen und einem wohl einzigartigen reaktionären Hype lief Ende Juni Michael Moores jüngster non-fiction Streifen Fahrenheit 9/11 in den US-amerikanischen Kinos an; ein Film, der – wie Moore es ausdrückt – „Partei ergreift auf der Seite der Armen und arbeitenden Menschen“.

 


Fahrenheit 9/11 soll eine kritische Auseinandersetzung mit der Präsidentschaft von Bush liefern, die von den Terroranschlägen am 11.9.2001 geprägt war. Wie wenig Moore seinem eigenen Anspruch gerecht wird und wie nah beieinander politische Perspektivenlosigkeit und künstlerischer Niedergang liegen, ist das ernüchternde Ergebnis der knapp 120 minütigen Doku, die Anfang August in den heimischen Kinos anläuft.

Wer Moores Filmschaffen seit Jahren verfolgt, wird angesichts der schwachen Vorstellung von Fahrenheit 9/11 wehmütig an seine Erstlinge zurückdenken. Mit Roger & Me etwa aus dem Jahre 1989 setzte Moore tatsächlich neue Maßstäbe in der unabhängigen amerikanischen Filmszene. Mit einer gekonnten Vermischung aus Selbst- und Fremdinszenierung, fordernder Ironie und einem gerüttelten Maß – fast könnte man sagen – bübischer Frechheit, entlarvte er eindrucksvoll die Praktiken des General Motors Konzerns, der in Flint (Michigan) tausende ArbeiterInnen in die Dauerarbeitslosigkeit schickte. Was Moore in diesem Zusammenhang vor allem für Linke interessant machte, war sein Anspruch als Künstler Partei ergreifen zu müssen.
Auch der viel gepriesene Streifen Bowling for Columbine, der Moore 2003 einen Oscar und den Durchbruch in Europa verschaffte, erweckte mit mitunter bemerkenswerten Szenen, wie etwa zur US-Außenpolitik, phasenweise Gefallen; auch wenn Moores Hang zu boulevardesken Inszenierungen und fraglichen Recherchemethoden kaum mehr zu übersehen war. Für viele, vor allem europäische, Linke wurde Moore - auch als Folge seines Auftritts bei der Oscar-Verleihung – spätestens zu diesem Zeitpunkt zur Symbolfigur eines anderen Amerikas, das sich dem unmaskierten imperialistischen Treiben Bushs und seiner Clique am gesamten Erdball entgegenstellen würde. Allein, sie haben sich getäuscht, wie Fahrenheit 9/11 und die Unterstützung der demokratischen Präsidentschaftskandidaten Clark und schließlich Kerry durch Moore beweisen sollte.

Als Aufreger, der die Verbindungen der Bush zur Bin Laden Familie aufdecken würde, angekündigt, zitterten die PR-Strategen im Weißen Haus und mit ihnen die konservative Öffentlichkeit schon Monaten vor dem offiziellen Kinostart, der mitten in den Präsidentschaftswahlkampf fällt; kurzzeitig blockierte der Mutterkonzern der Miramax sogar den Verleih. Auch wenn die Blockadepolitik Disneys in diesem Zusammenhang eine klare politische Zensur darstellt, so muss der Aufschrei in der liberalen amerikanischen Öffentlichkeit eher verwundern, zumal das wirklich sonderbare an Fahrenheit 9/11 nicht die Weigerung der Disney-Tochter Miramax ist, den Film zu verleihen, sondern der Umstand, dass ein derartiger non-fiction Film am stark monopolisierten US-Markt überhaupt einen Verleih findet. Der Grund hierfür mag wohl nicht zuletzt darin liegen, dass Moore selbst im Laufe der Jahre fixer Bestandteil des Establishments in Hollywood geworden ist, und dass Fahrenheit 9/11 zwar in keiner Phase an frühere Werke Moores anknüpfen kann, aber in Wahlkampfzeiten zumindest dem liberalen Flügel der US-amerikanischen 2-Parteiendiktatur von Nutzen ist.
Moores Methode ist dabei eher fragwürdig. Fahrenheit 9/11 fällt durch eine teils missglückte Kameraführung, befremdliche Collagen, schlampige Recherchen, eine Anhäufung von längst bekannten Erkenntnissen und deren teils manipulativem Einsatz auf. Fast hat man den Eindruck als hätte Moore Angst davor dem/der ZuschauerIn zuviel an Informationen zuzumuten. Er verklärt anstatt aufzuklären, beschränkt sich darauf heikle Fragen wie etwa die Geschäftsbeziehungen Bushs zu Saudi-Arabien nur am Rande und äußerst vage zu behandeln.

Ähnlich verhält es sich auch mit Moores politischer Haltung, die diffus bis naiv, inkonsequent bis kurzsichtig ist; vor allem aber ist Moore von einer panischen Angst vor George W. Bush getrieben. Diese unreflektierte Angst resultiert nicht zuletzt aus der Unfähigkeit den systemischen Charakter zu begreifen vor dessen Hintergrund Bush an die Macht gekommen ist, und Demokraten wie auch Konservative nach rechts gerückt sind. Moore ist unfähig die gegenwärtige soziale und ökonomische Situation in einen größeren Zusammenhang zu setzen. Er sieht – eingeschränkt von den Scheuklappen bürgerlicher Politik – nichts anderes, als die gegenwärtige politische Situation in den USA. Nur vor diesem Hintergrund ist zu verstehen, warum er sich solcherart für das „geringere Übel“ John Kerry im laufenden Präsidentschaftswahlkampf stark macht.
Moores politische Haltung und Fahrenheit 9/11 haben dabei eines gemeinsam. Beide sind, um mit Robert Köhler von der Berliner taz zu sprechen, „einfach nicht gut genug für die Revolution, die wir brauchen“.



Samuel Stuhlpfarrer

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