Im Kapitalismus tendiert jede Sphäre der Gesellschaft dazu eine Quelle des Profits zu werden. Das gilt auch für den Sport, nicht zuletzt den Fußball, der wie kaum ein anderes Massenphänomen Woche für Woche Millionen Menschen bewegt. Die Gesetze der kapitalistischen Ökonomie machen natürlich auch vor diesem Wirtschaftsbereich halt.
Der Fußball wurde über die Jahrzehnte immer mehr zu einem profitablen Feld für Investitionen. Eine Reihe von Unternehmern knüpfte ihr Image ganz gezielt an das „ihrer“ Fußballmannschaft. Mit dem Aufstieg des Fernsehens zum Massenkommunikationsmittel wurden die Spieler zu wandelnden Litfasssäulen, die Stadien eine einzige Werbefläche. Ganze Fußballligen sind finanziell abhängig von TV-Konzernen, welche die Übertragungsrechte über die Spiele haben.
Zwischen den Klubs herrscht ein beinharter Kampf nicht nur um Punkte im Kampf um die Meisterschaft sondern noch viel mehr um die heiß begehrten Fernseheinnahmen. Der sportliche Erfolg ist nur noch die Vorbedingung für einen Sieg im Kampf um Marktanteile. Die Großklubs stecken seit Jahren in einem Teufelskreis: Sie müssen auf dem Kickermarkt groß einkaufen, um für die Medien interessant zu bleiben und sportlichen Erfolg zu garantieren. Ziel ist die Beteiligung an internationalen Bewerben, allen voran der Champions League, wo das große Geld wartet. Ohne finanzstarke Eigentümer kann ein Klub da nicht mithalten.
Ruf nach Vater Staat
Eines der zentralen Gesetze des Kapitalismus ist die fortschreitende Konzentration des Kapitals und die Herausbildung von Monopolen. Wer dem Konkurrenzkampf nicht standhält, dem droht der Bankrott.
Selbst immer mehr Traditionsvereinen droht dieses Schicksal. Besonders betroffen ist derzeit die italienische Seria A, wo Klubs wie Lazio Rom, AS Roma, Parma u.a. derart verschuldet sind, dass ihre weitere Existenz schwer gefährdet ist. Diese Großklubs, die am Abgrund stehen, fordern von der italienischen Regierung Unterstützung. Falls das Geschäft gut geht, reden die Kapitalisten groß von den Segnungen der „freien Marktwirtschaft“. In der Krise erhallt jedoch sofort ihr Ruf nach der rettenden Hand von Vater Staat, der die Verluste und Schulden gefälligst vergesellschaften soll. Genau darin liegt auch die Essenz des Vorschlags der Regierung Berlusconi, den Vereinen die Steuerschulden zu erlassen (das so genannte Dekret „Schuldenstreichung“).
Was kostet ein Menschenleben?
Wo sind die Zeiten, wo die Prohaskas und Krankls auf der G’stettn im Arbeiterbezirk groß geworden und zu hoch dotierten Stars gereift sind? Im modernen Fußball hat dieses Bild keinen Platz mehr. Jetzt wird nichts mehr dem Zufall überlassen. Die Kapitalisten investieren, weil sie sportliche Erfolge anstreben, da diese in letzter Instanz den Weg zu maximalen Profiten darstellen. In den Fabriken und Büros sehen wir, wie permanent der Arbeitsdruck steigt und bei Sicherheitsmaßnahmen eingespart wird, weil mehr produziert und bei den Arbeitskosten gespart werden muss. Das erfordert der kapitalistische Konkurrenzkampf. Im Sport erleben wir denselben Prozess. Junge Kicker, die Karriere machen wollen, müssen sich in diesem Produktionsprozess unterordnen wie es jeder x-beliebige Arbeiter in der Fabrikhalle machen muss. Einnahme von Dopingmitteln inklusive. Die Todesfälle von Spielern von Format am Platz, wie Foe und Feher, haben dieses Phänomen offen zu Tage gebracht.
Warum sich Jugendliche dieser Maschinerie ausliefern, ist klar: Es ist der Traum von der großen Karriere als Profi, dem sozialen Aufstieg zu Prestige und zu einem Spitzeneinkommen, das man mit keinem „normalen“ Job verdienen kann. Eine vor kurzem erstellte Studie aus Italien macht die Attraktivität des Profifußballs deutlich. Es wurde dabei berechnet, wie lange ein Arbeiter, der einen Durchschnittslohn bezieht, arbeiten muss, um das durchschnittliche Jahreseinkommen eines Fußballprofis aus seiner Region zu erreichen. Demzufolge muss ein Arbeiter in Turin 291 Jahre arbeiten, um die Jahresgage eines Spielers von Juventus zu erreichen, ein Arbeiter in Mailand 266 bzw. 176 Jahre, um so viel wie ein Spieler des AC Milan bzw. von Inter Mailand zu verdienen!
Fußball = Chaos
In einer Zeit sozialer Polarisierung und der kapitalistischen Krise brechen nicht zuletzt auch in einem Bereich wie dem Fußball die Widersprüche dieser Gesellschaft offen auf. Die Gewalt in den Stadien, das Phänomen rechtsextremer, faschistischer Fangruppen (den Ultras) ist explosiver Ausdruck dieser Krise.
In Italien haben fast alle Spitzenvereine enge Verbindungen zu diesen Fanklubs. Sie zahlen ihnen die Fahrten zu den Auswärtsspielen, finanzieren die Produktion von Transparenten, Megaphonen und bengalischen Feuern usw. Diese Fanklubs sind aus dem Geschäft rund um das runde Leder nicht mehr wegzudenken.
Beim diesjährigen Stadtderby zwischen AS Roma und Lazio wurde der italienischen Gesellschaft vor Augen geführt, welch gefährliches Potenzial sich da in den letzten Jahren rund um den Fußball aufgebaut hat. Aufgrund eines völlig aus der Luft gegriffenen Gerüchts, ein junger Fan sei von einem Polizeiauto angefahren worden, ließen die Ultras ihren Aggressionen freien Lauf. Das Spiel musste angesichts der Gewaltexzesse abgebrochen werden. Mittlerweile kursiert die Hypothese, dass es zwischen den Ultras der beiden gegnerischen Klubs, wenn nicht sogar zwischen den beiden Vereinsführungen selbst, eine Übereinkunft gegeben habe, wonach man mit dieser Aktion die Regierung unter Druck setzen wollte, damit diese das oben erwähnte Dekret zur finanziellen Unterstützung der hochverschuldeten Spitzenklubs verabschiede. So nebenbei hat Ministerpräsident Berlusconi, der ja selbst auf das Engste mit dem Spitzenfußball verbandelt ist, wenige Tage zuvor noch gewarnt, dass es ein solches Dekret brauche, um eine Revolution am „Stiefel“ zu verhindern.
Was der tatsächliche Beweggrund für diese Wahnsinnstat der Ultras auch gewesen sein mag, dieses Ereignis liefert einmal mehr den Beweis, dass wir in einer Phase der Instabilität leben, wo ein kleiner Zufall oder ein Gerücht ausreicht, um unverhältnismäßig große Auswirkungen negativer Natur in Form von Chaos und Gewalt zu provozieren. Der Fußball als „wichtigste Nebensache der Welt“ kann sich von den krisenhaften Prozessen der kapitalistischen Gesellschaft nicht abkapseln und wird selbst Schauplatz dieser Krise.
All das stößt in zunehmendem Maße all jenen auf, die einfach mit Leidenschaft ihrem Hobby frönen und ihrer Lieblingsmannschaft die Daumen drücken. Es wird immer deutlicher, dass es bei diesem ganzen Spektakel um den Fußball längst nicht mehr um den Sport geht sondern um ganz andere Interessen. Der Fußball war über Jahrzehnte ein wichtiges Instrument zur Herstellung eines nationalen Interesses, eine Art gesellschaftlicher Kitt, wo man am Wochenende die Sorgen der vergangenen Arbeitswoche verdrängen konnte, wo man ins Stadion gehen konnte, um der Enge der kleinen Arbeiterwohnung zu entfliehen. Diese gesellschaftsstabilisierende Funktion brauchen die Herrschenden gerade heute dringender denn je. Angesichts der ökonomischen Krise des Spitzenfußballs soll nun Vater Staat eingreifen, um wie Berlusconi meinte, eine „Revolution“ zu verhindern. Das oben bereits erwähnte Dekret zur Rettung der finanziell angeschlagenen Klubs sollte diesen Zweck erfüllen. Obwohl in Italien der Fußball allerdings so einen großen Stellenwert genießt, lehnten aber laut Meinungsumfragen 94% der ItalienerInnen diese gesetzlich abgesicherten Steuergeschenke an die Klubs ab. Zu groß sind die Belastungen, die auf den Arbeiterhaushalten bürden, zu sehr haben die Kapitalisten in den letzten Jahren die Schrauben angedreht, als dass man solch eine Maßnahme akzeptieren könnte.
Indem das Kapital versucht durch Umstrukturierungen einen Ausweg aus der Krise zu finden, erhöht es nur zusätzlich die bereits im System vorhandenen Widersprüche. Diese Grundaussage marxistischer Kapitalismusanalyse trifft auch auf die Krise des Fußballs zu. Der Fußball wird so zu einem weiteren Bereich, wo die Notwendigkeit für eine Überwindung der kapitalistischen Verhältnisse augenscheinlich wird.
Redaktion Der Funke
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