Mehr als 270 Teilnehmer aus fast 30 Ländern waren dabei. Dieses Jahr stand sie unter dem Motto „100 Jahre seit Zimmerwald. Baut die revolutionäre Internationale auf!“. Dabei zeichnete sie sich durch großen revolutionären Enthusiasmus und einem hohen Anteil junger Teilnehmer aus. Alle Sitzungen, Referate und Wortbeiträge waren durch ein hohes politisches und theoretisches Niveau gekennzeichnet. Auf dem Programm standen Themen wie
- Der Zusammenbruch der Zweiten Internationalen und die Zimmerwalder Konferenz
- Marxistische Philosophie
- Marxismus und Nationale Frage
- Marxismus und Religion
- Marxistische Wirtschaftstheorie
- Der 1. Weltkrieg und der Imperialismus
- Die Krise im Nahen Osten
- Schwarzer Nationalismus und Klassenkampf
- Griechenland und die Eurokrise
Daneben bestand die Möglichkeit – z.B. in den Pausen oder am Abend – in Kontakt mit AktivistInnen aus verschiedenen Ländern zu kommen, sich gegenseitig über die politische Situation in den jeweiligen Ländern auszutauschen und Freundschaften mit GenossInnen aus aller Welt zu schließen. Während der Sommerschule hatte auch jede Sektion die Möglichkeit, eigene Stände aufzubauen und ihre Materialien (Zeitungen, Bücher, T-Shirt, Buttons) zu verkaufen. Hierbei hatte man wieder die Gelegenheit, etwas über die politische Situation in anderen Ländern zu erfahren.
Weltperspektiven
In seinem Eingangsreferat sprach Alan Woods über die Weltperspektiven. Er betonte, dass der ökonomische Einbruch von 2008 das wirtschaftliche Gleichgewicht zerstört habe und einen fundamentalen Wendepunkt bedeute. Diese andauernde Krise sei keine „normale“ kapitalistische Krise. Hierbei erwähnte Alan Woods einen Bericht der OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung), wonach in den kommenden 50 Jahren kein nennenswertes Wachstum stattfinden werde. Dies bedeutet für die nächsten zwei Generationen eine Zeit ständiger Kürzungen und sinkenden Lebensstandard und werde zu einem enormen Anstieg von Klassenkämpfen führen. „Wir sind in die turbulenteste Periode der Menschheitsgeschichte eingetreten“, sagte Alan Woods. Er erinnerte an die Äußerung von Donald Tusk (Präsident des Europäischen Rates), der u.a. sagte: „Die Situation erinnert mich an 1968. Es gibt in Europa eine weit verbreitete Unzufriedenheit mit den bestehenden Verhältnissen, die schnell in eine revolutionäre Stimmung umschlagen kann.“ (Interview in der Frankfurter Allgemeine Zeitung, 17.07.2015). Die Bürgerlichen haben Angst vor der Zukunft. So haben die Staaten bis heute enorme Schulden angehäuft, andererseits standen die Bürgerlichen niemals zuvor einer solch starken Arbeiterklasse gegenüber, während gleichzeitig die sozialen Reserven der Reaktion so schwach wie nie zuvor sind. Aus Sicht der Bürgerlichen ist es aufgrund der hohen öffentlichen Schulden eine absolute Notwendigkeit, die Errungenschaften der Arbeiterklasse anzugreifen. Alan Woods erwähnte, dass z.B. in Großbritannien darüber gesprochen wird, 40 Prozent der Ausgaben im sozialen Bereich zu kürzen. Durch diese Kürzungen und diese Attacken auf die Arbeiterklasse wird nacheinander in jedem Land eine Explosion von Klassenkämpfen ausgelöst. Alle Versuche der Bürgerlichen, das ökonomische Gleichgewicht wieder herzustellen, werden dabei das soziale und politische Gleichgewicht zerstören.
Danach sprach Alan Woods über die wirtschaftliche Situation in China. In der Vergangenheit war China das Zugpferd der Weltwirtschaft und hatte hohe Wachstumsraten, jetzt aber befindet sich die Wirtschaft in China in einem bedenklichen Zustand. In den letzten Monaten gab es an der Börse Shanghai einen Absturz der Aktienkurse um 30%. Obwohl die Börse nicht die reale Wirtschaft widerspiegelt, ist sie wie ein Barometer für zukünftige Wirtschaftsentwicklungen. Es droht eine gewaltige Immobilienblase, so ähnlich wie in den USA, in Spanien und in Irland vor dem Zusammenbruch 2008. Eine Wirtschaftskrise in China würde eine große weltweite Rezession auslösen. Ab den 1990er Jahren war China der Motor der Weltwirtschaft; es entstanden neue Märkte und neue Investitionsfelder und internationale Unternehmen machten dort riesige Profite. Aber wie die Dialektik uns erklärt, schlagen die Dinge später in ihr Gegenteil um; dieselben Faktoren, die in der Vergangenheit zum Wirtschaftswachstum weltweit führten, können nun das Wirtschaftswachstum nach unten ziehen.
Heutzutage ist China eines der Länder der Erde mit der größten Ungleichheit. Es gibt eine extreme Armut und Ausbeutung auf der einen Seite und obszönen Reichtum und Luxus auf der anderen Seite. In China wird die große Empörung der Arbeiterschaft zu einer Explosion führen, wenn keiner es erwartet. Dies ist sehr bedeutend, denn in China ist die größte und stärkste Arbeiterklasse der Welt entstanden. So erklärte Alan Woods, ein Zitat Napoleons abwandelnd: „Das chinesische Proletariat ist ein schlafender Drache, wenn dieser Drache erwacht, wird er die Welt erschüttern“
Alan Woods kam anschließend zur Krise in der Eurozone zu sprechen. Er betonte, dass die Politik der Memoranden gegenüber Griechenland zum Scheitern verurteilt ist, auch aus bürgerlicher Sicht. Die Situation in Griechenland heute ist untragbar. So gibt es z.B. Schulen ohne Bücher oder auch Krankenhäuser ohne Medikamente. Nach fünf Jahren dieser Kürzungspolitik sind die Staatsschulden auch höher als zu Beginn der Krise und es ist offensichtlich, dass Griechenland seine Schulden nicht zurückzahlen kann.
Am 25. Januar 2015 wählte die griechische Bevölkerung SYRIZA in die Regierung. Das Kabinett Tsipras machte in den darauf folgenden Wochen und Monaten während der Verhandlungen mit der EU sehr viele Zugeständnisse. Wie Alan Woods hervorhob, war die deutsche Bourgeoisie vom Vorsatz geleitet, die Verhandlungen zu sabotieren. Eigentlich wollte sie von Anfang an SYRIZA zerstören, weil sie die Idee des Sozialismus in den Augen der Massen zerstören und die Arbeiterklasse demoralisieren wollte. Die deutsche Bourgeoisie wollte unbedingt verhindern, dass die Regierung Tsipras etwas Positives erreichen würde und dies dann Auswirkungen in anderen Ländern hätte. Die Linke wäre dadurch in ganz Europa ermutigt worden. Im Referendum vom 5. Juli gab es dann ein erstaunliches Ergebnis: 61% stimmten trotz der massiven Medienkampagne mit „Nein“. Wie Alan Woods ausführte, wäre eine friedliche Revolution möglich gewesen, wenn Tsipras dafür die Massen mobilisiert hätte. Leider sah er das Referendum nicht als ein Mittel, die Massen zu mobilisieren, sondern als bessere Ausgangsbasis für Verhandlungen. Am Ende unterschrieb Tsipras das neue Memorandum, das schlimmer als das alte Memorandum ist; es ist eine komplette Kapitulation und Verrat von Tsipras. Wie Alan Woods erwähnte, sagte schon Trotzki, dass der Verrat dem Reformismus innewohnt.
Eine schwierige wirtschaftliche Situation existiert auch in Spanien. Dort ist die politische Linke sehr stark geworden (was sich in den Regionalwahlen im Mai zeigte). Vor zwei Jahren hat PODEMOS noch nicht existiert, jetzt ist es die stärkste linke Partei in Spanien. PODEMOS hat hunderttausende Menschen mobilisiert. Bei den Regionalwahlen hat die Linke in allen großen Städten gewonnen oder zugelegt (so in Madrid, Barcelona, Valencia, Zaragoza). Wie Alan Woods hervorhob, haben wir vor uns eine Periode von scharfen und plötzlichen Veränderungen von Situationen und müssen das Unerwartete erwarten. Unter der Oberfläche existiert europaweit eine Stimmung von Wut, Unzufriedenheit und v.a. Frustration, die nicht von den Massenparteien reflektiert wird. Dies zeigte sich auch in Irland, einem traditionell sehr katholischen Land, wo es vor einigen Monaten ein Referendum über die Frage der gleichgeschlechtlichen Ehe gab und deren Befürworter einen haushohen Sieg errangen.
In vielen Ländern herrscht ein allgemeines Gefühl gegen das Establishment (nicht nur gegen Banker, sondern auch gegen Medien, Justiz und politische Parteien (sie werden alle als Teil des Establishments gesehen. So wählten bei der Parlamentswahl in Großbritannien sehr große Teile der Arbeiterklasse in Schottland die SNP (Scottish National Party); die Labour-Partei, die dortfrüher große Unterstützung hatte, erlitt eine große Wahlniederlage. Die Schlussfolgerung der Labour-Führung nach der Wahl war, dass die Partei weiter nach rechts gehen muss. Nun hat Jeremy Corbyn massive Unterstützung bei der Wahl zum Labour-Vorsitzenden. Er steht gegen Austerität und gegen Krieg. Seine Kandidatur ist ein Kristallisationspunkt für alle, die mit der herrschenden Politik unzufrieden sind.
Schließlich kam Alan Woods auf den Nahen und Mittleren Osten zu sprechen. Der Irak-Krieg hat die ganze Region destabilisiert. Der IS agiert nun im Irak, in Syrien und auch in Libyen und stellt eine Gefahr auch für die US-amerikanischen Interessen dar. Durch die Schwäche des US-amerikanischen Imperialismus bestand u.a. die einzige Möglichkeit, ein Bündnis mit dem Iran zu schließen. Es ist ein großer Erfolg für den Iran, weil dadurch seine Position als Regionalmacht gestärkt wird. Das Ende der Sanktionen wird große Auswirkungen auf die iranische Wirtschaft haben (militärische Sanktionen bleiben aber erhalten). Es gab in den letzten Jahren große Proteste im Iran, v.a. die Mittelklasse, Intellektuelle und Studenten waren daran beteiligt. Wie Alan Woods betonte, wird in nächster Zeit das Ende der Sanktionen einen ökonomischen Boom im Iran auslösen, dies wird einen tiefen Einfluss auf den Klassenkampf im Iran haben, da die Arbeiterklasse selbstbewusster werden und somit Forderungen (z.B. nach Lohnerhöhungen) stellen wird.
In Ägypten hingegen wurde während des „Arabischen Frühlings“ und danach die Möglichkeit vertan, die Macht zu übernehmen. Als Mursi zu Fall gebracht wurde, gingen 17 Millionen Menschen auf die Straße; die Macht lag praktisch in den Händen der Bevölkerung, aber eine revolutionäre Partei mit einer revolutionären Führung fehlte.
In der Türkei bewegt sich Erdogan in Richtung Bonapartismus. Bei der letzten Wahl sahen wir eine Niederlage für Erdogan und den Aufstieg der linken türkisch-kurdischen Partei HDP. Erdogan unterstützt in Wirklichkeit den IS. Ende Juli hat ein Selbstmordattentäter in Suruç ein Attentat auf linke Jugendliche, die in dieser Region ihre Solidarität ausdrücken wollten, angerichtet (32 Tote), das zweifellos mit Wissen des türkischen Staat organisiert wurde. Die einzige Möglichkeit, Erdogan zu besiegen, ist die Schaffung einer gemeinsamen vereinten Massenbewegung von türkischen und kurdischen Arbeitern.
Wie wir in Ägypten und sogar in Griechenland gesehen haben, ist es für eine erfolgreiche Revolution notwendig, dass die revolutionären Kräfte aufgebaut werden, um die revolutionäre Führung bereitzustellen und dies muss vor Beginn der Revolution geschehen, wie Alan Woods hervorhob. Es muss unsere Aufgabe sein, die Jugend auszubilden, das theoretische Niveau anzuheben und die marxistische Bewegung zu organisieren. Um den Alptraum der kapitalistischen Barbarei zu beenden, ist die Kraft einer großen marxistischen Internationalen notwendig.
Die Zweite Internationale und Zimmerwald
Im Seminar „Der Zusammenbruch der Zweiten Internationalen und die Zimmerwalder Konferenz“ sprach Niklas Albin Svensson über den Reformismus, der sich in den Parteien der Zweiten Internationalen in der Phase des wirtschaftlichen Aufschwungs ab Ende des 19. Jahrhunderts bildete. Der zweite Teil seines Referates hatte die Zimmerwalder Konferenz von 1915 zum Schwerpunkt. Insgesamt wurde deutlich, dass die Geschichte der Zweiten Internationale vor allem eine Geschichte des Kampfes gegen den Reformismus war. In dieser Session wurde besonders der Reformismus in ihrer wichtigsten Partei, der SPD, untersucht und die Entwicklung des Reformismus und seine Konfliktlinien mit anderen Strömungen in den Gründungsjahren der Zweiten Internationale bis zur Zustimmung zu den Kriegskrediten für den Ersten Weltkrieg dargestellt.
Niklas Albin Svensson zeigte, dass sich vor dem Hintergrund ökonomischer und politischer Zugeständnisse der Bürgerlichen eine Arbeiteraristokratie herausbildete und eine Bürokratisierung ihrer Organisationen einsetzte. Ihre Vertreter verließen in der Folge den revolutionären Standpunkt des Marxismus und sprachen sich für einen graduellen und allmählichen Übergang zum Sozialismus aus - ohne den offenen revolutionären Sturz des Kapitalismus. Zu diesen Vertretern gehörte Eduard Bernstein, der äußerte: „Der Weg ist das Ziel; das Endziel, was auch immer es sei, ist nichts“. Er stellte auch die Dialektik in Frage und wollte sie vom Marxismus loslösen. Dabei erzeugte er eine Debatte innerhalb der Partei, die aber von den Linken und insbesondere Rosa Luxemburg zurückgewiesen werden konnte. Aber immer wieder erhob sich der Reformismus in der SPD und führte zu kontroversen Auseinandersetzungen zwischen der linken, der zentristischen und der reformistischen Strömung, so z.B. in der „Kolonialfrage“ und in der Frage des Massenstreiks.
Vor 1914 waren die Parteien der Zweiten Internationale einig, wenn es zum Krieg komme, alles zu seiner Beendigung beizutragen. Bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges stimmten aber alle Parteien, außer den Bolschewiki und der Sozialdemokratischen Partei Serbiens, unter dem Druck des Patriotismus in den jeweiligen Ländern für den Krieg.
Im September 1915 kamen 38 Kriegsgegner aus der Zweiten Internationalen in Zimmerwald, in einem kleinen Dorf im Vorgebirge südlich von Bern, zusammen. Sie bestanden aus den unterschiedlichsten Personen. So waren einige Teilnehmer vor dem Krieg Reformisten, sie wandten sich aber nun gegen den Krieg wandten. Ebenso vertreten waren Zentristen und marxistische Linke; zu den linken Teilnehmern gehörten u.a. Sinowjew, Lenin, Radek, Höglund und Platten. Die Linke, die nur aus acht Personen bestanden, brachten ihr eigenes Manifest ein, welches aber von der Mehrheit der Teilnehmer abgelehnt wurde. Das Mehrheitspapier sagte u.a., dass die Aussöhnung der Völker und ein dauerhafter Friede nur möglich seien, wenn alle Gewaltanwendung gegen die Freiheit und die Nationen verurteilt werde und das Selbstbestimmungsrecht der Nationen gewahrt bleibe. Hier wurde der Frieden gegen den Krieg gestellt, die Fragestellung von Revolution und Klassenkampf aber ganz fallengelassen. Die Linken unterstützten dieses Manifest, weil sich darin auch ein Aufruf zum Kampf gegen den Krieg befand. Sie kritisierten aber auch, dass in diesem Manifest der Opportunismus nicht klar verurteilt wurde. So hatten einige Teilnehmer Illusionen in die alte Internationale und wollten z.B. mit den Opportunisten reden, um sie zu überzeugen. Die Linken, die sich auf marxistischen Positionen befanden, befanden sich absolut in der Minderheit.
Niklas Albin Svensson hob die Parallele zu heute hervor: Es gibt ganz wenige Massenparteien, die sich auf den Marxismus berufen. Das grundlegende Problem ist geblieben. Heutzutage ist es notwendig, marxistische Theorie zu studieren, zu verbreiten und keine Angst vor theoretischen Auseinandersetzungen zu haben. Außerdem sollten die Differenzen öffentlich diskutiert werden. Zimmerwald war ein großer Schritt nach vorne, um die revolutionären Kräfte wieder zusammenkommen zulassen.
Die Krise im Nahen und Mittleren Osten
Hamid Alizadeh sprach in einer anderen Sitzung über die Krise im Nahen und Mittleren Osten. Dabei sprach er über die gegenwärtigen und historischen Probleme der Region und auch davon, dass das Eingreifen des Imperialismus in diese Region, insbesondere des US-Imperialismus, die Situation enorm verschärft hat. Keines der selbstgesteckten Ziele der Imperialisten wurde erreicht, weder in Afghanistan, noch im Irak. Im Gegenteil, die Einmischung des Imperialismus in diese Region trug mit zum Aufstieg des Islamischen Staates und anderer fundamentalistischen Gruppen bei.
Hamid erwähnte, dass ein großer Teil der Gesellschaften im Nahen Osten aus Jugendlichen besteht, von denen sehr viele (mehr als 30% von ihnen, in einigen Ländern mehr als 40%) arbeitslos sind. Viele von ihnen sind ohne Perspektive und ohne Zukunft und suchen nach einem Ausweg. Die erste Reaktion auf diese Situation war die Arabische Revolution, die zuerst in Tunesien, danach in Ägypten stattfand. In nur wenigen Tagen haben die Massen die Diktatur von Mubarak in Ägypten gestürzt. Nachbarschaftsräte entstanden und die Soldaten und die Polizei verbrüderten sich mit der Bevölkerung. Das Problem war, dass die Revolutionäre nicht auf diese Revolution vorbereitet waren. Da die Gelegenheit nicht genutzt wurde, gab man der Konterrevolution die Möglichkeit, in das politische Vakuum einzudringen. Die Folge ist eine große Demoralisierung, besonders innerhalb der Jugend. Aber die Revolutionen in dieser Region sind noch nicht vorüber und die Arbeiter werden von ihren Erfahrungen lernen, wie Hamid erklärte.
Im Irak haben die USA durch Krieg und Besatzung alle Infrastruktur zerstört und eine sektiererische Politik zwischen Schiiten und Sunniten geschürt. Aus dem Chaos, der Erniedrigung und der Hoffnungslosigkeit, das die Imperialisten dort hinterließen, entwickelte sich ein Nährboden für den durch Saudi-Arabien, die Türkei und anderer Regimes unterstützten IS. Hamid unterstrich, dass dem US-Imperialismus im Nahen Osten seine Grenzen aufgezeigt wurden. Die einzige Möglichkeit für die USA bestand darin, sich mit dem Iran zu verbinden. Und de facto ist der Iran nun der wichtigste Verbündete der USA im Nahen Osten. Durch die Krise des US-Imperialismus und die Instabilität im Nahen Osten bieten sich Spielräume für kleinere Mächte. So begann Saudi-Arabien im März einen Krieg gegen Jemen. Ende Juli begann die Türkei einen Krieg gegen die PKK. Dabei wird in näherer Zukunft und sogar mittel- oder langfristig die Instabilität des Nahen Ostens steigen.
Saudi-Arabien war mit der Situation nach dem Irakkrieg nicht sehr zufrieden, da der traditionelle Gegner Iran an Einfluss gewann. Mit dem Atomabkommen zwischen dem Iran und dem Westen hat sich die Situation verschärft. Im letzten Jahr haben die Saudis einen Preiskrieg geführt, um den Ölboom in den USA zu stoppen, aber auch um Iran zu schaden. Wie Hamid hervorhob, ist aber das größte Problem für Saudi-Arabien ein Internes. Das saudische Regime ist sehr reich, besitzt aber überhaupt keine Legitimität. Es gibt eine steigende Ungleichheit, vier von 18 Millionen Menschen leben in Armut und religiöse Spannungen heizen den Konflikt im Inneren an. Saudi-Arabien befindet sich im Spannungsfeld zwischen allen möglichen widerstreitenden Kräften. Dabei kann es nicht isoliert vom Rest der Länder in dieser Region betrachtet werden, sobald der Klassenkampf im Nahen und Mittleren Osten wieder zunimmt, wird dies auch Einfluss auf Saudi-Arabien haben.
Wie Hamid in seinem Referat ausführte, sind die Türkei und der Iran neben Ägypten die Schlüsselländer dieser Region. In der Türkei befindet sich seit 12 Jahren die AKP an der Macht, die durch den ökonomischen Aufschwung stabilisiert wurde. Seit einiger Zeit sehen wir die Osmanisierung des Erdogan-Regimes, er schmiedet große imperialistische Pläne (in Tunesien, Ägypten, im Irak). In Syrien hatte Erdogan von Anfang an imperialistische Absichten und unterstützte den IS. Wir sahen die Gezi-Park-Bewegung im Jahr 2013, die aber keine Führung hatte. Während der Wahlen im Juni 2015 erfolgte die erste Niederlage der Erdogan-Regierung, der seine absolute Mehrheit verlor. Es gab einen großen Erfolg der HDP (13%). Das stellt einen enormen Sieg der kurdischen Bevölkerung und der türkischen Arbeiter dar; dabei ist die HDP zum Kristallisationspunkt für die Linke in der Türkei geworden.
Es gibt keinen Zweifel, dass der türkische Staat beim terroristischen Anschlag in Suruç beteiligt war (niemand kann diese Region ohne den Geheimdienst begehen und verlassen). Nun bombardiert die Türkei PKK- und YPG-Stellungen, aber sie greifen IS-Stellungen in Syrien nicht so stark an (von den Verhafteten sind weniger als 20% IS-Leute). Die Kurden im Norden Syriens, die eine sehr effektive Kraft im Kampf gegen den IS sind, haben in ihrer Region Räte gegründet, als Assad seine Truppen im Norden Syriens abzog. Sie besitzen eine politische Ausstrahlungskraft.
Der Iran ist nach dem Irak-Krieg der USA und seiner Verbündeten eine wichtige Macht in dieser Region geworden. Mit dem Aufstieg des IS wurde der Iran noch gestärkt und wichtiger, da er nun ein bedeutsamer Bündnispartner im Kampf gegen den IS ist. Deswegen erfolgte auch das Atomabkommen mit dem Iran, was eine Niederlage des US-Imperialismus darstellt. Durch die Sanktionen verarmte ein Großteil der Bevölkerung, außerdem gab es eine permanente Kriegsdrohung von Seiten der USA. In dieser Zeit sind die Gehälter der Arbeiterklasse nicht gestiegen, sondern immer mehr gesunken. Nun, mit dem Ende der Sanktionen, ist es das erste Mal, dass die Bevölkerung Licht am Ende des Tunnels sieht und dies wird die iranische Arbeiterklasse stärken.
Wie Hamid ausführte, wird die fortdauernde kapitalistische Krise im Nahen Osten zu einem Wiederaufleben der Arbeitskämpfe führen. In dieser Sitzung wurde auch betont, dass die wahren Traditionen der arabischen Massen nicht jene des islamischen Fundamentalismus und der Barbarei sind, sondern die des Sozialismus und des Kampfes für Gleichheit. Leider ist die Linke in dieser Region sehr schwach, wofür die Stalinisten in der Vergangenheit mit verantwortlich sind. So wie Friedrich Engels es ausdrückte, ist die Zukunft für die Menschheit die Wahl zwischen „Sozialismus oder Barbarei“ und dies zeigt sich v.a. im Nahen Osten, wie Hamid am Ende feststellte.
Griechenland und die Eurokrise
Fred Weston hielt das Referat in der Sitzung „Griechenland und die Eurokrise“. Er betonte, dass die griechische Krise ein Spiegel der generellen Krise in Europa ist. Die Probleme, die es in Griechenland gibt, existieren auch in anderen Ländern, nur auf einem anderen Niveau. Dabei zeigt sich, dass die Politik des Schuldenabbaus in Griechenland völlig fehlgeschlagen ist, so betrug der Schuldenstand am Anfang der Krise 105% des BIP, nun aber 180% des BIP. Das Problem ist, dass Griechenland die Schulden nicht zurückzahlen kann. Dabei sitzt nicht nur Griechenland auf einen großen Schuldenberg. So hat z.B. Italien – die drittgrößte Wirtschaftsmacht im Euroraum – öffentliche Schulden von 2.000 Mrd. Euro, das sind relativ gesehen höhere Schulden (130 % des BIP) als Griechenland zum Anfang der Krise hatte.
Es gibt für die Bürgerlichen Gründe, Griechenland nicht aus dem Euro zu werfen. Die EU hat einen der größten Märkte weltweit und aufgrund des zerbrechlichen Zustandes der Weltwirtschaft könnte sie wieder in den Abgrund gezogen werden. Deswegen ist auch die USA daran interessiert, dass die europäische Wirtschaft stabil bleibt.
Wie Fred Weston in seinem Vortrag ausführte, konnten durch die Gründung der Europäischen Gemeinschaft teilweise die nationalen Unterschiede und Interessenskonflikte zwischen den kapitalistischen Ländern überbrückt werden. Der gemeinsame Wirtschaftsraum vergrößerte sich in Westeuropa und expandierte nach dem Zusammenbruch des Stalinismus auch nach Osteuropa. Vor der Einführung des Euro konnten Ländern wie Spanien, Italien und Griechenland ihre Währung abwerten, um ihre Produkte günstiger zu verkaufen und konkurrenzfähig zu bleiben. Mit der Einführung des Euro wurde dem ein Ende gesetzt.
Fred Weston hob hervor, dass der Zusammenbruch des Ostblocks und der Sowjetunion einen wichtigen Einfluss auf den wirtschaftlichen Vormarsch Deutschlands hatte, da nun deutsche Unternehmen nach Ostdeutschland und Osteuropa expandieren konnten und dort neue Märkte vorfanden. Auch das Verhältnis zu Frankreich änderte sich mit der Zeit; so dominiert jetzt Deutschland, weil es zur stärksten wirtschaftlichen Macht in Europa aufgestiegen ist. Dies wurde v.a. durch eine Steigerung der enormen Wirtschaftsproduktivität (die deutschen Unternehmer investierten enorm in die Wirtschaft) erreicht, wobei gleichzeitig die Arbeiterschaft durch eine ganze Serie von Angriffen, (Agenda 2010, Prekarisierung etc.) geschwächt wurde. So wurden Niedriglöhne für einen Teil der Arbeiterklasse in Deutschland zum Alltag. Heute ist die Arbeitsproduktivität in Deutschland mehr als 40% höher als in Griechenland. Innerhalb Europas ist eine enorme Migration vom Süden und Osten Richtung Westen und Norden entstanden. In Deutschland profitieren die Unternehmen enorm davon, so arbeiten viele Billigarbeitskräfte aus Ländern wie Bulgarien und Rumänien zu Hungerlöhnen.
Die deutschen Exporte haben Konkurrenten in anderen Teilen Europas (v.a. im Süden) zerstört, weil sie wettbewerbsfähiger waren. Als Folge der immer größer werdenden Unterschiede in Europa sind in den einzelnen Ländern Anti-EU-Parteien stärker geworden. Die politische Polarisierung in Europa geht dabei nach links und nach rechts: in Griechenland SYRIZA (nach links) und die „Goldene Morgenröte“ (nach rechts), in Großbritannien UKIP (nach rechts), SNP, die Corbyn-Kampagne (nach links), in Spanien PODEMOS (nach links), in Frankreich der Aufstieg von Len Pen und ihrer „Front National“ (nach rechts), in Italien die Lega Nord (nach rechts), in Deutschland die AfD (nach rechts). Anti-EU-Einstellungen findet man auf der Linken wie auf der Rechten. Heute ist es in der jetzigen Situation v.a. wichtig, eine marxistische Alternative aufzuzeigen. Wie Fred Weston ausführte, ist das Problem der EU mit Griechenland eigentlich das kleinste Problem. Ein Zugeständnis in der Griechenland-Frage hätte aber ein Signal an andere Länder ausgesendet, deswegen konnten von Seiten der Troika keine Zugeständnisse gemacht werden, denn sie wissen, dass dies zu einem Aufstieg von Anti-Austeritäts-Parteien führen würde.
Während der Verhandlungen mit der Troika hatte Tsipras panische Angst vor einem „Grexit“. Nach der Unterzeichnung des Memorandums gab es einen Riss innerhalb von SYRIZA. Die Mehrheit des ZK von SYRIZA und auch der Jugendverband waren gegen das Memorandum. Aber auch Lafazanis von der „Linken Plattform“ hat keine wirkliche Alternative (er will die Wiedereinführung der Drachme). Währenddessen ist die „Kommunistische Strömung“ in den letzten Wochen und Monaten stärker geworden, weil sie klare marxistische Alternativen gezeigt haben (siehe z.B. das „10 Punkte-Programm“ der „Kommunistischen Strömung“).
Die griechischen GenossInnen der „Kommunistischen Strömung“ bereicherten mit interessanten Beiträgen die Debatte und berichteten aus erster Hand über die Situation in Griechenland. So berichteten sie, dass dieses Memorandum den Austritt aus dem Euro nur verzögert hat. Die Bürgerlichen stellten sich während des Referendums vom 5. Juli an die Spitze der „Ja“-Kampagne und verbreiteten eine starke Hetze. Die Massen sahen das Referendum als das Ende der erniedrigenden Memoranden an und stimmten mit 61% dagegen, in den Arbeitervierteln wurde sogar mit 70 bis 80% mit „Nein“ gestimmt; insbesondere in der Jugend war der Anteil auch sehr hoch. Ebenso waren auch 80% der KKE-Wähler für das „Nein“, obwohl die Führung der Partei für Enthaltung plädierte. Nach dieser Wahl hatte Tsipras, anstatt sich auf die fortschrittlichsten Schichten der Arbeiterklasse zu stützen, sich mit der Mehrheit der bürgerlichen und rechten Parteien abgestimmt, so dass es eine Regierung der „nationalen Einheit“ gab. Ein weiterer griechischer Genosse erklärte, dass die Gewerkschaften nur 20 bis 25% der Arbeiterklasse (750.000 Arbeiter) organisieren und dass die Gewerkschaftslandschaft ist in Griechenland sehr zersplittert ist. Das Memorandum verschärft die Situation der Gewerkschaften zusätzlich, z.B. können jetzt keine Tarifverträge mehr abgeschlossen werden (nur noch 7% der Arbeiter sind jetzt durch Tarifverträge geschützt).
Der griechische Genosse erwähnte, dass die KKE (Kommunistische Partei Griechenland) die historisch am längsten bestehende Arbeiterpartei Griechenlands ist. Sie hat eine starke Verbindung zur Arbeiterklasse und hat an Boden gewonnen (bei ihrer letzten Konferenz haben sie die „Etappentheorie“ verworfen und eine internationale Perspektive eingenommen; die Führung greift sogar die Volksfronttheorie an, wendet sich aber nicht vom Stalinismus ab). Die KKE ist eine zentristische Partei, obwohl sie in der Theorie ein Maximal- und ein Minimalprogramm haben. In der Praxis verweigert sie weiterhin die Einheitsfrontpolitik. Ebenso hat ihre Haltung zum Referendum (pro Enthaltung) viele Menschen irritiert, trotzdem wird die KKE umso mehr wachsen, wie SYRIZA weiter ihr Wahlprogramm verrät; aber wegen des Sektierertums der KKE wird ihr Wachstum begrenzt sein.
Was in Griechenland in den letzten Jahren und Monaten geschah, wird später auch woanders in Europa passieren. In Griechenland gibt es jetzt eine große Enttäuschung, aber die Arbeiterbewegung wird wieder beginnen, sich zu sammeln und zu mobilisieren und dies wird auch in ganz Europa geschehen. In diesem Prozess wird die Arbeiterklasse revolutionäre Schlussfolgerungen ziehen, wie Fred Weston abschließend hervorhob.
Baut die revolutionäre Internationale auf!
Am Ende der Sommerschule stand der Bericht über die einzelnen Sektionen der IMT (Internationale Marxistische Tendenz). Dort zeigte sich, dass es fast in allen Mitgliedsorganisationen große Zuwächse und Fortschritte gibt. Dies ist v.a. durch das hohe theoretische Niveau und der guten Analyse der politischen Prozesse geschuldet, die viele neue Mitglieder anziehen. Alan Woods beendete die Schule mit einer großartigen Rede. Er ermutigte die Mitglieder der IMT, weiterhin die Kräfte des Marxismus aufzubauen, so dass wir in Zukunft eine wichtige Rolle dabei spielen können, den Kapitalismus zu überwinden und eine Gesellschaft aufzubauen, die für Gleichheit sorgt und einen steigenden Lebensstandard für jeden auf der Erde bereitstellt. Nie war es wichtiger als heute, für die Ideen von Marx, Engels, Lenin und Trotzki zu kämpfen. Dabei ist es wichtig, sich und andere zu bilden und eine Alternative zum immer brutaler werdenden Kapitalismus aufzuzeigen. Zum Abschluss der Weltschule wurde die „Internationale“ gesungen und am Abend folgte der traditionelle Liederabend, bei dem GenossInnen aus jedem Land ihre jeweiligen revolutionären und Arbeiterlieder vortrugen. Es war ein wirklich schöner Abschluss einer großartigen weltweiten Sommerschule. Sei auch du nächstes Mal dabei und schließe dich uns an im Kampf für eine bessere, eine sozialistische Welt!
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