Bereits in den 60er Jahren hatten Gruppen schwarzer Dichter wie die Last Poets oder die Watts Prophets einen rapähnlichen Stil entwickelt, um sozialkritische Anliegen vorzutragen. Mitte der 80er Jahre begann nun die Politisierung des Hip Hop, als das Leben in den Schwarzenghettos und die rassistische Unterdrückung zum Thema wurde.
Public Enemy, die 1987 ihr erstes Album herausbrachten, waren die wichtigste Gruppe, die Rap als Mittel der sozialen Kritik verwendeten. Chuck D., der Bandleader, definiert Hip Hop als "Schwarzes CNN", ein Platz für diejenigen, die sonst keine Stimme haben sich zu artikulieren. Public Enemy rappen zu verschiedenen sozialen Problemen, vor allem derer der schwarzen Communities, und zu politischem Aktivismus. Wichtiger Bezugspunkt gerade in den Anfängen von Public Enemy war jedoch die Nation of Islam, die einen Separatismus von Schwarzen aus religiösen Gründen vertritt. Fragwürdige sexistische, homophobe und antisemitische Äußerungen gab es immer wieder u.a. von Professor Griff zu hören. Vor diesem Hintergrund ist das Interview zu lesen, das sie jugoslawischen MarxistInnen nach einem Konzert in Belgrad gaben.
P.U.: Wie erklärt Ihr die Tatsache, dass Public Enemy zum globalen Symbol des Widerstandes geworden ist?
Griff: Wir sprechen eine universelle Sprache. Was eine Person in Belgrad durchlebt, kann das gleiche sein wie in China, Johannesburg oder Saint Louis. Was wir alle teilen, ist, dass wir unterdrückt werden. Die Herrschenden errichten Staaten zu ihrem eigenen Nutzen und nicht zu dem der Bevölkerung. Themen, über die Malcolm X vor dreißig Jahren gesprochen hat, sind immer noch aktuell. Das ist traurig, aber es zeigt, dass sich die Dinge nicht völlig geändert haben.
Chuck D: Die Mehrheit der Menschen auf diesem Planeten wird von einer Minderheit kontrolliert. Diese Minderheit beutet die Menschheit aus und missbraucht ihre Macht. Public Enemy kämpft dagegen. Unser Song ,Fight the Power' sagt alles - wenn man keine Gleichberechtigung von seiten derer, die regieren, bekommen kann, muss man sich gegen sie erheben.
P.U.: Wie schätzt ihr die momentane Lage von Hip Hop Musik in Amerika ein? Besteht eine große Kluft zwischen dem, was uns in den Musikvideos dargestellt wird, und dem, was sich tatsächlich auf den Straßen abspielt?
Griff: Manche Leute nennen das "kulturelle Verblendung". Wenn man eine Stunde lang fernsieht, wird man sagen, dass Schwarze gut leben. Sie haben teure Autos und Häuser und Mädchen, aber in der Realität leben sie nicht so schön. Die Masse der Schwarzen ist arm, hungrig, ohne Dach über dem Kopf und arbeitslos. Und der Typ, der rund um den Block fährt und mit seinen Juwelen angibt, wird ausgeraubt werden. Du kannst nicht unter den Massen leben und diesen Scheiß verbreiten, das ist gefährlich.
P.U.: Seid ihr wütend auf weiße liberale Medien, die am Anfang eurer Karriere Lobeshymnen auf euch gesungen haben und euch Mitte der neunziger Jahre den Rücken zugekehrt haben?
Griff: Nein, wir haben das nicht so aufgefasst. Sie machen ihre Arbeit. Zu dieser Zeit mussten sie das tun, um den Hip Hop von der Richtung wegzulenken, in die er sich zu dieser Zeit entwickelt hat. Man muss eine Sache verstehen - das schwarze Amerika hat das selbst verursacht. Das schwarze Amerika hat sich in sich selbst verschlossen, aber hinter all dem standen weiße Geschäftsleute, die uns zurückgebracht haben auf den Stand von "Niggers". Solange man nichts Politisches sagt, war man ok. Verträge sind dann nur mit solchen Künstlern unterschrieben worden.
P.U.: Lässt sich symbolisch das genaue Jahr bestimmen, wann es diesen Knick gegeben hat?
Griff: Etwa 92/93. Multinationale Konzerne haben den Hip Hop an sich gerissen, um damit Wasser, Hamburger, Tennisschuhe und Unterwäsche zu verkaufen. Sie haben keinerlei Achtung vor Hip Hop. Sie haben ihn an sich gerissen, zerkaut und ausgespuckt.
P.U.: Inwiefern hat die Kriminalisierung des Samples (z.B. Material anderer Musikgruppen als Basis für eigene Tracks zu verwenden, Anm.) zur Degradierung des Hip Hop beigetragen?
Griff: Zur gleichen Zeit, wie der weiße Geschäftsmann das Sample kriminalisierte, hat sein "Bruder" den Preis der Rhythmusmaschine erhöht. Du kaufst eine Rhythmusmaschine, du samplest... und dann führen sie dich vor Gericht. Sodass man jetzt sehr vorsichtig sein muss, auf welche Weise man die Musik erzeugt. Heutzutage ist es nicht möglich, ein Album des Typs "It takes a Nation of Millions to hold us back" zu machen. Das war Kunst. Der gesamte "Bomb Squad" Sound von Public Enemy basierte auf Samples. Heute sind wir gezwungen, uns etwas auszudenken. Wir spielen etwas live ab, danach nehmen wir es auf und samplen uns selbst. Es gibt eine Menge solcher Techniken, die man nutzen kann.
P.U.: Ihr habt häufig die rohe Natur des Show- Business hervorgehoben, in dem schon seit den Zeiten des Jazz schwarze MusikerInnen durch weiße Geschäftsleute ausgebeutet werden. Für jeden Dollar, den der Künstler verdient, verdienen die Produzenten zumindest zehn. Einmal habt ihr erklärt, gerne an der Spitze einer Hip Hop-Gewerkschaft stehen zu wollen, die die Rechte der KünstlerInnen schützen würde?
Chuck D: Ja, ich würde gerne an der Spitze einer Gewerkschaft stehen, die Hip Hop KünstlerInnen vertritt, aber zuerst müssen die KünstlerInnen erkennen, dass das Problem existiert. Es ist nötig zu begreifen, dass wir uns zusammenschließen müssen, um uns zu verteidigen. Unzureichendes Wissen darüber gefährdet uns wirklich.
P.U.: Es scheint, als hättet ihr jetzt die Freiheit, euch im Internet ausdrücken zu können. Im Unterschied zu anderen großen Bands wie Metallica habt ihr MP3 und freie Distribution mit beiden Händen ergriffen.
Chuck D: Freie Distribution und freie Beteiligung. Wir bemühen uns, es allen Leuten möglich zu machen, sich an der Erzeugung von Musik zu beteiligen. Die Technologie hat es uns ermöglicht, dass Tausende anonymer Produzenten, Rapper sich in den gesamten Prozess übers Internet einschalten. Unser Online-Label „Slam Jamz“ bietet genau diese Möglichkeit. Für „Revolverlution“ haben wir Acapella-Versionen von einigen Liedern gepostet, und dann baten wir die Fans, uns ihre Versionen dieser Songs durch Remixe zu schicken.
P.U.: Das neue Video "Gotta Give the Peeps What They Need" wird auf MTV nicht gezeigt. Eure früheren Videos wurden nicht verboten, obwohl sie genauso kontroversiell waren. Wie kann man das erklären?
Griff: Dies ist eine sehr sensible Zeit in Amerika. Die Erwähnung zweier muslimischer Menschen, die des Mordes an Polizisten angeklagt werden - das ist nicht kontrovers, sondern gefährlich! Wir leben in kritischen Zeiten. Alles, was wir sagen, ist - macht ihnen einen fairen Prozess. Wenn man schwarz ist und dazu noch muslimisch in Amerika, hat man keine Chance auf einen fairen Prozess.
P.U.: Es gibt Gerüchte, dass der Name Public Enemy in einem Dokument erwähnt wird, das sich mit dem Schutz der inneren Sicherheit der USA beschäftigt, das zu Beginn der neunziger Jahre vom FBI an den Kongress weitergeleitet wurde. Existiert dieses Dokument tatsächlich?
Griff: Ja, ich weiß, dass es existiert, aber ich weiß nicht viel darüber. Ziel sind sozial bewusste KünstlerInnen, die es schaffen, die Massen zu bewegen. Wenn man dies nicht unter Kontrolle hält, könnten junge Leute inspiriert werden, sich zu erheben. Das Establishment bekämpft bewusste Rap-Songs, die die Massen inspirieren können. Möchte man die Massen kontrollieren, darf man dieses gefährliche Element nicht erlauben. Man darf Staatsfeinde nicht auf den Straßen behalten. Man muss Staatsfeinde entweder umbringen, einsperren oder sabotieren.
P.U.: Aber wie sagt Ice T: "Wir sind wie das gute alte Monster, sie haben uns nur stärker gemacht!"
Griff: So ist es! We Don't Die! We Multiply!
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