Lange schien das Bewusstsein der herrschenden Klasse ziemlich lernresistent. Die Weltwirtschaft ist seit 2008 in einer tiefen Krise und die etablierten politischen Parteien verlieren zunehmend das Vertrauen der Massen. Trotzdem haben die Kapitalisten nicht eingestanden, dass sie mit ihrem Latein am Ende sind.
Ihre Privatsphäre riegeln sie immer stärker ab. Nach Angaben der Zeitung Independent fürchten viele Milliardäre Revolten durch die Bevölkerung, weil durch die Digitalisierung enorm viele Arbeitsplätze vernichtet werden könnten. Natürlich verschwinden diese Jobs nicht von heute auf morgen, aber die Ersetzung von Menschen durch vollautomatisierte Maschinen wird – unter kapitalistischen Bedingungen – zu hoher Arbeitslosigkeit führen. Allein in Deutschland ist von bis zu 18 Millionen Arbeitsplätzen die Rede, die durch Roboter ersetzt werden könnten. Demnach sind 59 Prozent aller Berufe durch Roboter-Einsatz und EDV gefährdet.
Angriffe auf Errungenschaften der Lohnabhängigen seit den 80er Jahren und die Kürzungspolitik seit Ausbruch der Krise haben in weiten Teilen der Welt zu Arbeitslosigkeit, Lohnsenkungen sowie Armutsrenten geführt. Die angestammten Parteien, ob bürgerlich oder sozialdemokratisch, hatten und haben keine Antworten. Sie tragen die bürgerliche Krisenpolitik mit und verlieren zunehmend das Vertrauen der Massen. Das drückt sich im Massenbewusstsein widersprüchlich aus, denn das politische Pendel schlägt sowohl nach rechts als auch nach links aus. Der Aufstieg von rechtsbürgerlichen und linken Anti-Establishment-Parteien und Bewegungen ist eine direkte Folge.
Nachdenklichkeit
Diese Entwicklungen machen die Bourgeoisie nachdenklich. Als Christine Lagarde, Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), beim Weltwirtschaftsforum (WEF) 2013 davor warnte, dass „populistische Parteien die Konsequenz von steigender Ungleichheit“ sein können, nahm das niemand ernst. Heute ist das anders: Die Wahlerfolge von AfD und Trump und der Brexit rühren nicht von der Dummheit der Wählenden, sondern von deren Frustration und Ablehnung gegenüber der bestehenden Politik. Das wurde im vergangenen Jahr auch anderen WEF-Teilnehmenden klar. Sie sorgten sich um die politischen Entwicklungen in der westlichen Welt.
So schreibt zum Beispiel die „Financial Times“: „Der richtige Weg wäre es aufzuhören, die Wähler zu beschuldigen, und noch wichtiger, die Probleme eines außer Kontrolle geratenen Finanzsektors, eines unkontrollierten Flusses von Menschen und Kapital und einer ungleichen Einkommensverteilung zu lösen.“
Die Financial Times zeigt hier klar die Probleme des Kapitalismus auf. Sie erkennt korrekt, dass die Anarchie der „freien Marktwirtschaft“ nicht fähig ist, die Probleme und Bedürfnisse der Menschen zu lösen. Die bürgerlichen Ideologen beginnen zu begreifen, dass diese Auswüchse der kapitalistischen Produktionsweise und der bürgerlichen Herrschaft und die Weltwirtschaftskrise seit 2008 die Massen langsam in Bewegung bringen.
Aber die einzigen Antworten des Mainstreams gegen die Krise, welche sich derzeit abzeichnen, sind Steuersenkungen und Protektionismus. Weniger Steuerabgaben entlasten zwar die Unternehmen, greifen aber die Lebensbedingungen der Massen durch die daraus folgenden Sparpakete direkt an. Lagarde kennt trotz ihrer Vorahnung keine andere Lösung, als Griechenland ins Elend zu stürzen. Auch der Protektionismus wird – durch Vergeltungs-Zölle zum Beispiel – export- und importorientierte Branchen in arge Bedrängnis bringen.
Solche Lösungsansätze der Bourgeoisie sind mittelfristig nur Öl ins Feuer des Klassenkampfes. Das Bürgertum versteht nicht, dass der Kapitalismus selbst diese Probleme verursacht. Sie sehen die Risse, die die Baumwurzeln in den Asphalt sprengen und denken, dass sie das Problem lösen können, indem sie die Risse flicken. Doch es ist die tieferliegende Wurzel, welche immerfort neue Risse produzieren wird.
Der weltweit hohe Stand der Produktivkräfte hat längst die Grundlage geschaffen für eine klassenlose sozialistische Gesellschaft mit massiver Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich und Recht auf Arbeit und menschenwürdiges Leben für alle. Im Kapitalismus jedoch wird eine wachsende Reservearmee geschaffen, die unter prekären Bedingungen ihr Dasein fristet und von der Gesellschaft bestenfalls mit Gnadenbrot und Spielen, Sozialhilfe und Tafeln bei Laune gehalten werden soll. Wir wollen aber nicht nur Brot, sondern die ganze Bäckerei. Wessen Welt ist die Welt? Unsere Welt!
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