Kategorie: Kultur

Auch im Sport herrscht der Klassenkampf

Anfang des Jahres 2020 ging ein Aufschrei durch die Stadien deutscher Fußballvereine der oberen Spielligen. Der DFB hat die Fans von Borussia Dortmund mit einer Kollektivstrafe belegt.


Sie dürfen nun für die nächsten zwei Jahre das Stadion der TSG Hoffenheim nicht betreten und somit auch ihre Mannschaft bei den beiden Auswärtsspielen nicht anfeuern. Grund hierfür sind wiederholte Spruchbanner der Fans mit Beleidigungen in Richtung SAP-Eigentümer und TSG-Mäzen Dietmar Hopp. Als Anmerkung: Kollektivstrafen widersprechen dem Schuldprinzip im bürgerlichen Strafrecht. Der DFB hat sich hier also eine Paralleljustiz geschaffen. Eine große Solidarität unter den Fans verschiedenster Vereine war die Folge. Sogar die Fans von Schalke 04 solidarisierten sich mit den Dortmunder Fans, was bemerkenswert ist, denn eigentlich sind die beiden Fanlager verfeindet. Aber das gebrochene Versprechen des DFB, welcher im August 2017 versprochen hatte, in Zukunft auf Kollektivstrafen wie Geisterspiele, Zuschauerteilausschlüsse oder Blocksperren zu verzichten, war der Auslöser eines heftigen Streits zwischen Fans, Vereinen und Verband, was dazu führte, dass sich Fans, unabhängig ihrer Vereinsfarben zusammenschlossen, um gegen den gemeinsamen Feind zu kämpfen. Doch wie kam es dazu?

Milliardär Dietmar Hopp ist, seitdem er der TSG Hoffenheim mit seinen gezahlten Millionen den Aufstieg in die erste Bundesliga im Schnelldurchlauf ermöglichte, das Gesicht der Kommerzialisierung im Fußball. Seitdem Hoffenheim im Profifußball fest verankert ist, kam es immer wieder zu Beleidigungen von den Zuschauerrängen in Form von Plakaten oder Schmähgesängen. Dietmar Hopp wurde zum Symbol des Kapitals, welches sich den Fußball, wie auch andere Sportarten, einverleibte, um auch hier Profite zu erwirtschaften. Das ging einher mit immer höheren Millionenbeträgen, die für Spieler gezahlt wurden, um sie aus ihrem bestehenden Vertrag herauszukaufen. Bestes Beispiel hierfür ist der immer noch bestehende Rekordeinkauf von Paris St. Germain. Der Verein bezahlte im Jahr 2017 222 Millionen für Neymar Jr. an den FC Barcelona. Auf die Summe kommen dann noch Gehalt und Handgeld oben drauf. Weitere negative Auswirkungen für Fans sind steigende Preise für Tickets, Fanartikel, usw. Des Weiteren wurden die Spieltage immer weiter auseinandergezerrt, sodass immer mehr Anstoßzeiten für höhere Profite der Übertragungsdienste wie DAZN oder SKY möglich wurden. Auch hier sind die Benachteiligten die Fans, die zu ungünstigen Zeiten und teilweise unter der Woche zu stetig steigenden Ticketpreisen immer mehr auf sich nehmen müssen, um ihren Verein zu sehen. Für viele Fans ist das eine große Belastung, da die meistens von ihnen Lohnabhängige sind, welche unter der Woche arbeiten müssen.

Die meisten Fußballfans sind gegen die Kommerzialisierung des Sports. Ihnen gefällt es nicht, dass ihre Vereine auffälligere Sponsorenwerbung als Vereinslogos tragen. Dass schicke Alternativtrikots verkauft werden, die nichts mit den Vereinsfarben zu tun haben. Traditionelle Arbeitervereine in unteren Ligen gehen bankrott, weil an ihrer Stelle Werbeprojekte von großen Konzernen in der Bundesliga etabliert werden oder Milliardäre aus Langeweile Vereine kaufen. Der Großteil der Fans steht somit in ganz klarer Opposition zum Kapital und zur Monetarisierung des Fußballs. Dem Großteil der Fans geht es einfach nur um den Sport an sich. Sie wollen nicht, dass das Kapital auch in ihrem Sport den Ton angibt, was in der Vergangenheit immer wieder zu Protesten geführt hat. In den letzten Jahren stand verstärkt Dietmar Hopp, als Gesicht des Kapitals und reichster Mann im deutschen Fußball, im Mittelpunkt. Der DFB reagierte nun mit den eingangs beschriebenen Maßnahmen, was die Interessengegensätze zwischen Fans und den Führungen ihrer eigenen Vereine sowie den Verbänden zuspitzen ließ.

Hier zeigt sich nun ganz klar der Klassencharakter und welcher Klasse die Solidarität durch Verbände und Vereinsführungen zusteht. Nicht den Fans und somit auch nicht der Arbeiterklasse. Wenn man den Umgang mit Rassismus und Diskriminierung und deutschen Stadien nun den Beleidigungen Dietmar Hopp gegenüber vergleicht wird schnell klar, dass anders reagiert wird. Wenn ein dunkelhäutiger Spieler oder Fan rassistisch angegangen wurde (was leider häufig passiert), wird bei weitem nicht so extrem reagiert. Hier ein Ausschnitt aus dem Statement der Schickeria München, welche den FC Bayern anfeuern: „Das Verhalten des DFB ist sowieso an Scheinheiligkeit nicht zu überbieten. Wann in den letzten Jahrzehnten hat sich der DFB jemals so entschieden gegen eine Sache gestellt, wie gegen die Beleidigung seines Premium-Partners?“

Wir sparen uns die zur Genüge genannten Beispiele, wo das nicht der Fall war. Alleine die Tatsache, dass am Freitag noch ein Treffen mit DFB/DFL in Frankfurt stattgefunden hat, um den 3-Stufen-Plan explizit auf Schmähungen gegen Dietmar Hopp auszudehnen, sagt alles. Nachdem er ja eigentlich schon eine Weile existiert, hätte er ja auch öfter angewandt werden können (z.B. bei den rassistischen Äußerungen gegen Torunarigha). Das erste Mal flächendeckend zum Einsatz kam er aber erst am vergangenen Wochenende. Unsere Schlussfolgerung daraus: Wer genug Geld bezahlt, der wird geschützt, diejenigen, die es nötig hätten, nicht.“ Als Anmerkung: Der 3-Stufen-Plan beschreibt, wie der Schiedsrichter vorzugehen hat bei Beleidigungen im Stadion. Stufe 1 bedeutet, dass es eine Spielunterbrechung und eine Stadiondurchsage gibt. Bei Stufe 2 gehen die Mannschaften in die Kabine und es gibt eine erneute Stadiondurchsage und in Stufe 3 folgt der Spielabbruch. Das erste Spiel, welches abgebrochen wurde, war wie im oberen Statement beschrieben, das Auswärtsspiel des FC Bayern München in Sinsheim bei der TSG Hoffenheim. Es zeigt sich also ganz klar, dass Verbände und Vereinsführungen bei Rassismus und Diskriminierung nichts konsequent unternehmen, beim Liebling des DFB, Dietmar Hopp, hört der Spaß allerdings auf. Nun sind es die gleichen Kapitalvertreter, die der Masse an Fußballfans Menschenhass vorwerfen. Sie wollen nun in den Beleidigungen gegen Hopp mindestens so schlimme Vergehen sehen, wie bei Rassismus oder Sexismus, wogegen sie sonst nichts als warme Worte übrig haben. Die Scheinheiligkeit liegt auf der Hand, doch der Zweck ebenso:

Seit langer Zeit führen Verbände und Vereinsvorstände einen Kampf gegen die eigenen „Kunden“, Fans, Ultras. Ginge es nach ihnen, wären sie im Stile der englischen Premier League deutlich weiter mit der Kommerzialisierung. Wenn in Deutschland vom großen Vorbild England gesprochen wird, ist damit gemeint, dass das Kapital in der Premier League bereits deutlich offener agieren kann. Es wird deutlich mehr Profit generiert, Stehplätze wurden abgeschafft und Ticketpreise sind so hoch, dass viele Engländer lieber nach Deutschland fliegen, um hier ins Stadion zu gehen und dabei noch günstiger wegkommen. Deutschland hat hier den Anschluss verloren und ist kaum konkurrenzfähig, wenn es darum geht, Starspieler oder Sponsoren von England nach Deutschland zu locken. Damit sich dies ändert, ist ein massiver Angriff auf die Fankultur und die Grundrechte der Fans notwendig. Deutschland hat sehr wohl aufgeholt, doch die Fanszenen, welche immer wieder nahezu den kompletten Anhang eines Vereins mitreißen können, stehen im Weg. Aktionen wie „Kein Zwanni für nen Steher“ konnten weiter steigende Preise der Stehplätze fürs Erste auf Eis legen. Massenhafte Proteste gegen die Montagsspiele führten zur Abschaffung ab 2021. Hier zeigt sich, was möglich ist, wenn der Druck zu groß wird.

Es gibt zahlreiche Beispiele dafür, was vereinsübergreifender Protest bewirken kann. Der sportliche Wettbewerb und Rivalitäten sind ein großer Teil dessen, was Fußballfans an ihrem Sport lieben. Doch immer, wenn ein größerer gemeinsamer Feind, wie der DFB, ausgemacht wird, sind die getrennten Vereinsfarben nebensächlich. Gerade die Ultrabewegung ist in ihrem Ursprung politisch und hat immer politisch gehandelt. Sie ist in der Lage dazu, Missstände zu thematisieren, zehntausende Fans mitzureißen und voran zu gehen. Viele Demonstrationen mit zahlreichen Teilnehmenden wurden von Ultras verschiedener Vereine initiiert.

Die Proteste haben ihre Berechtigung. Doch Errungenschaften aktiver Fußballfans können immer zurückgenommen werden. Daher muss der Protest weiter gehen und verschärft werden. Die Fans fühlen sich verraten, weil sie, im Gegensatz zum Kapital und seinen Vertretern, nicht geschützt werden. Bei Rassismusvorfällen oder Polizeigewalt und -willkür gegen normale Fans hat noch kein Fußballteam den Spielbetrieb eingestellt wie der FC Bayern gegen Hoffenheim.

Die Symptome des Kapitalismus zeigen sich auch im Fußball, wie in jedem anderen Lebensbereich. Diese Symptome lassen sich allerdings nur beseitigen, wenn das auf dieser Profitlogik basierende kapitalistische System überwunden wird. Fußball ist ein großes Kulturgut und Kultur muss frei zugänglich und leistbar für jede und jeden sein! Das ist aufgrund des Wettbewerbszwangs im Kapitalismus nicht möglich. Die Proteste gegen Hopp sind gut und wichtig, doch sie müssen sich nun genauso gegen ihre eigenen Vereinsbosse richten, welche die Farce mit stützen. Deshalb gilt: Kampf dem Kapital! Im Stadion, wie auch überall sonst.

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