Viele von uns kennen die traurigen Bilder, die immer wieder durch die Medien gehen: Von Schildkröten oder anderen Meerestieren, wie sie qualvoll an Plastikmüll verenden. Einigen mag auch der Great Pacific Garbage Patch ein Begriff sein. Mit 1,6 Millionen Quadratkilometern ist er einer der größten Abfallstrudel in den Weltmeeren. Liest man Medienberichte über das Problem, ist der vermeintlich Schuldige schnell gefunden: Der einzelne Verbraucher mit seinem übermäßigen Plastikkonsum.
Mit diesem Bild will die Netflix-Doku Seaspiracy aufräumen. Der Film zeigt anhand von Interviews mit Aktivisten, Journalisten und Wissenschaftlern, welche Rolle die Fischindustrie bei der Zerstörung der Umwelt spielt. Regisseur Ali Tabrizi enthüllt dabei erstaunliche Fakten. Er sieht aber nicht, dass der Fehler im Kapitalismus selbst liegt. Am Ende wälzt er die Verantwortung wieder auf den Konsumenten ab.
Laut der Doku stammen fast 50 Prozent des Mülls im Great Pacific Garbage Patch von Fischernetzen. Der Anteil an Plastik, der auf den privaten Konsum zurückzuführen ist, liege dagegen in einem zu vernachlässigenden Bereich. Plastikstrohalme würden zum Beispiel nur 0,03 Prozent des Plastikmülls in den Ozeanen ausmachen. Und trotz dieses Faktes sei von NGOs wie Greenpeace nichts zu hören von der Rolle der großen Fischerei bei dem Problem: Nach wie vor betonen sie das Rückschrauben des individuellen Plastikkonsums als Lösung.
Betrügerische Gütesiegel
Ein weiteres Thema, das der Film aufwirft, ist der sogenannte Beifang – also Meerestiere, die zum Beispiel durch Schleppnetzte ungewollt mitgefangen werden. Laut Seaspiracy werden so jedes Jahr rund 50 Millionen Haie sowie mehr als 300.000 Wale und Delfine getötet. Auch Verbraucherlabels, die den Fisch im Supermarktregal als Beifang-frei auszeichnen, würden gegen das Problem nicht helfen. Eine isländische Fischerei, so die Doku, habe zum Beispiel ihre Ware unter dem Logo der NGO Marine Stewardship Council (MSC) verkauft, obwohl sie monatlich rund 269 Schweinswale, 900 Robben und 5.000 Seevögel tötete. Dabei soll das MSC-Logo eigentlich Beifang-freien Fisch garantieren.
Regisseur Tabrizi fragt sich, warum NGOs wie Greenpeace oder MSC wegschauen, während die großen Fischereibetriebe weiter die Umwelt und sogar Menschenleben direkt zerstören. In Seaspiracy ist auch die Rede von Zwangsarbeit auf den Schiffen. In Ländern wie den Philippinen oder Indonesien würden kriminelle Gangs Fischer anheuern und sie dann für Jahre nicht von Bord lassen. Bei Widerstand gegen die Sklavenarbeit seien Morde keine Seltenheit auf hoher See – dort könnten selbst die Staaten nicht durchgreifen.
Milliarden für eine zerstörerische Industrie
Trotz dieser zerstörerischen Probleme würden weltweit jedes Jahr Subventionen von 35 Milliarden Dollar in die Fischereiindustrie fließen. Was man mit diesem Geld anstelle machen könnte, wird ebenfalls im Film zitiert: Laut den Vereinten Nationen könnte der Welthunger schon mit 30 Milliarden Dollar überwunden werden.
Am Ende des Films präsentiert Tabrizi seine Lösung: Weniger oder am besten gar keinen Fisch essen. Warum wir so aber das Problem nicht überwinden können, beantwortet er eigentlich selbst in Seaspiracy. Unsere Möglichkeiten als Konsumenten sind im Kapitalismus zu beschränkt. Wie der Film beschreibt, sagen Verbrauchersiegel in Wirklichkeit nichts aus über die Produktionsbedingung. Dass sich Unternehmen die Gütesiegel einfach einkaufen, ist gängige Praxis. Überhaupt gibt es bei den Siegeln oftmals keine verbindlichen Standards, die Unternehmen erfüllen müssen. Außerdem stecken die Firmen enorme Summen in Öffentlichkeitsarbeit, um ihre Probleme mit Pseudo-Lösungen zu vertuschen. Das zeigt zum Beispiel die oben erwähnte Diskussion in den Medien über Plastik-Strohhalme.
Nur der Profit zählt
Darüber hinaus produzieren die Unternehmen nicht nach der wirklichen, sondern nur nach der zahlfähigen Nachfrage. Die Doku zeigt auch, wie ehemalige Fischer in Somalia in die Piraterie getrieben werden, weil sie in der Konkurrenz mit der großen Fischindustrie untergehen und sonst verhungern würden. Gleichzeitig hätte Mitsubishi, der größte Thunfisch-Händler der Welt, genügend Fische auf Lager, um den Markt für die nächsten 50 Jahre zu bedienen. Wie Captain Paul Watson von der Umweltschutzorganisation Sea Shepherd in einem Interview mit Russia Today betont, fische das Unternehmen jedoch trotzdem weiter, damit der Preis der gelagerten Ware nicht sinkt. Nur die Profitmaximierung steht also im Vordergrund und nicht die Bedürfnisse der Menschen.
Gleichzeitig stecken die Staaten weltweit Milliarden in diese umweltschädliche, menschen- und tierverachtende Industrie. Es handelt sich also um eine politische Entscheidung, an der wir in unserer Rolle als Konsumenten nichts ändern können. Jedoch haben wir als Arbeiterklasse durch unsere Rolle im Produktionsprozess die Macht, uns für ein Wirtschaftssystem einzusetzen, bei dem die Bedürfnisse der Menschen im Vordergrund stehen. Wir brauchen eine demokratisch geplante Wirtschaft, die natürliche Ressourcen nicht einigen großen Unternehmen, sondern der Mehrheit überlässt. Vorwärts zum Sozialismus! Denn die wirkliche Verschwörung heißt Kapitalismus.
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