Kategorie: Kultur

Eine Kritik an Orwells "Farm der Tiere"

Farm der Tiere ist eine 1945 erschienene Fabel von George Orwell. Sie handelt von einer englischen Farm auf welcher die Tiere, von ihren menschlichen Besitzern, ausgebeutet und unterdrückt werden. Diese Unterdrückung endet allerdings, als sich die Tiere zusammentun und ihren Unterdrücker vom Hof jagen, um selber die Kontrolle über die Farm, welche sie in die Farm der Tiere umtaufen, zu übernehmen.

Bild: Winkler Film



Nach einigen Kapiteln wird jedoch die Revolution verraten und ein Schwein namens Napoleon errichtet eine Diktatur der Schweine, welche nach Orwell mit der der Menschen zum Verwechseln ähnlich ist. Die Allegorien hier sind klar, die Tiere sind das Proletariat,die Menschen die Bourgeoisie, der Aufstand der Tiere soll die Oktoberrevolution darstellen und die Herrschaft der Schweine den Stalinismus. Das mag jetzt alles erst einmal unbedenklich und wie eine interessante Idee klingen, doch sind in dem Werk einige gravierende Fehler, die nicht unkommentiert stehen gelassen werden sollten.

Der Film als Propagandawerkzeug der CIA

Man mag meinen, dass die CIA ein Buch, das von einem Sozialisten wie Orwell geschrieben wurde nicht gerade als geeignetes antikommunistisches Propagandawerkzeug sehen würde, und doch war es genau die CIA, die das Buch auf die Leinwand brachte. Natürlich hat die CIA den Film an einigen Stellen umgeschrieben, um ihn besser für ihre Zwecke zu nutzen. Ein Beispiel dafür wäre das Ende, doch hat sie den Großteil des Buches vorlagengetreu umgesetzt.

August Bebel sagte mal: „Wenn mich meine Feinde loben, kann ich sicher sein, einen Fehler gemacht zu haben“, und Orwell wird von seinen Feinden regelrecht auf ein Podest gesetzt.
Was hat Orwell also falsch gemacht, dass er so leicht zu verfälschen war?

Er hat die stalinistische Degeneration auf gänzlich individualistischer Art erklärt und deshalb ist es möglich "Farm der Tiere" so einfach umzudeuten, da es eben genau in die bürgerliche Doktrin hereinfällt, die behauptet, dass jede Revolution in einer Diktatur enden muss, da sie immer von einem Despoten gekapert werden. Da war es auch nicht hilfreich, das Schwein, das eben diese Rolle übernimmt, Napoleon zu nennen.

Die Verherrlichung des Zynismus

Benjamin ist der Esel der Farm. Er wird als eines der intelligentesten Tiere auf dem Hof dargestellt, wenn nicht sogar das Intelligenteste, wenn man vielen prominenten Interpretationen des Werkes glaubt. Man nimmt beim Lesen eigentlich kaum Notiz von Benjamin. Was macht er denn auch Besonderes? Während die anderen Tiere nach der Revolution von Enthusiasmus erfüllt sind, verändert sich in den Augen Benjamins nichts.
Benjamin leugnet gänzlich, dass es einen Unterschied zwischen der Farm unter den Schweinen und unter Mister Jones gibt.

Und Orwell gibt Benjamin auch noch recht! Orwell schrieb das Buch in der Art, dass man nur mit Benjamin sympathisieren kann. Er wird als eine Art weiser Zyniker dargestellt, der die Herrschaft Napoleons vorhersieht.

Doch woher sollte Benjamin gewusst haben, dass es so enden würde?

Er hatte keinerlei Anhaltspunkte. Das einzige, was er hatte, war sein Zynismus, der von Orwell als Weisheit gezeichnet wurde.
Benjamin stellt ganz klar die Intelligenzija da, welche nicht aktiv am revolutionären Umsturz teilnimmt, sondern nur zynische Kommentare ablässt.
Es wäre vollkommen im Charakter gewesen, hätte Benjamin einen Satz wie „die Revolution frisst ihre Kinder“ gesagt und damit haben wir auch einen guten Einblick in dem, was Orwell über Revolutionen gedacht haben muss.

Orwell als Sozialist

Orwell hat sich Zeit seines Lebens nie einer klaren Tendenz verschrieben. Das mag auf viele wie etwas Positives wirken. Ein Freigeist, welcher sich nicht von einem Dogma vereinnahmen lassen wollte! Doch in Wahrheit war das wieder bloß ein Ausdruck Orwells Individualismus, der zu seinen abstrusen Positionen und Analysen führte.

Er war offen homophob und das Jahrzehnte, nachdem die Bolschewiki Homosexualität in der Sowjetunion legalisierte. Während des Zweiten Weltkriegs rief er zu britischem Patriotismus auf und machte keine Versuche, die Politik Churchills und der Torys zu kritisieren.
Das mag man vielleicht dadurch verteidigen dass er die Kriegsbemühungen nicht durch innere Instabilität behindern wollte. Doch fällt dieses Argument dadurch flach, dass er dennoch kein Problem damit hatte, die Sowjetunion, anzugreifen. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs trug seine inkohärente Ideologie weitere Früchte und er wurde weiter und weiter zu einem zahmen Reformismus gezogen.

Das Schweigen der Schweine

Der wohl schwerwiegendste historische Patzer, den sich Orwell erlaubt hat, ist die Darstellung der Schweine.
Fünf Schweine werden uns vorgestellt: Old Major, der eine Mischung aus Marx und Lenin darstellen soll, auch wenn es schwer ist herauszufinden, wo hier genau die Lenin-Parallelen sind.

Schneeball, der Trotzki, Napoleon, der Stalin und Schwatzwutz, der Molotow darstellen soll sowie Rotäuglein, welches Stalins Wahnvorstellungen darstellt.
Die Schweine werden als die intelligentesten Tiere eingeführt, sie sollen deshalb die Rolle als Organisatoren auf den Hof übernehmen.

Wen Orwell mit den Schweinen als Ganzes darstellen möchte, liegt also auf der Hand. Die Schweine sollen die Bolschewiki sein. Wenn die Schweine also die Bolschewiki sind, wieso stehen sie dann im Buch, mit Ausnahme Old Majors, Schneeballs und vier namenloser Unterstützer Schneeballs, geeint hinter Napoleon?

Im Buch wie auch im Film werden die Schweine als korrupt, gierig und opportunistisch dargestellt.
In der Realität wurden 8 der 15 Mitglieder des Zentralkomitees der Bolschewiki, das durch den siebten Kongress der Bolschewistischen Partei gewählt wurde, durch Stalin bzw. in seinem Auftrag umgebracht und 4 starben aus anderen Gründen.

Das heißt, dass nur 2 Personen (Stalin selbst ausgenommen) Stalin unterstützten. Die Fraktion der Schweine wird nicht durch Karrieristen geflutet. Die Schweine zu Beginn des Buches bleiben zu großen Teilen die selben wie gegen Enden des Buches. Wenn Orwell eine realistische und den Bolschewiki gegenüber gerechte Darstellung hätte schreiben wollen, wären Napoleon, Schwatzwutz und Rotäuglein am Ende des Buches die letzten lebende Schweine gewesen. Die letzten Lebenden, weil er sämtliche andere, eines nach dem anderen, umgebracht hätte.

Orwells individualistische Geschichtsauffassung

Die gesamte Handlung von Farm der Tiere wird durch die Taten von einzelnen Individuen angetrieben.
Das ist für eine Geschichte nicht grundsätzlich schlimm. Die meisten Geschichten fokussieren sich auf Individuen, da sie für den Leser oder Zuschauer als Ankerpunkte dienen mit denen sie sich identifizieren können.
Für Farm der Tiere ist das jedoch keine Entschuldigung. Es gibt keinen Protagonisten in Farm der Tiere und auch niemanden mit dem man sich explizit identifizieren soll, da jeder Charakter lediglich eine reale Gruppe oder Individuum darstellt.

Farm der Tiere hätte es daher gar nicht nötig gehabt, seine Handlung einzig und allein auf die Taten der Individuen zu reduzieren und doch hat sich Orwell dazu entschieden, es so zu schreiben. Das lässt uns natürlich leicht auf den Schluss kommen, dass Orwell selber diese individualistische Geschichtsauffassung vertrat und versuchte mit eben dieser, die Ereignisse, die in der Sowjetunion stattfanden, zu erklären.

Wenn man sein Verständnis über den Stalinismus nur aus Farm der Tiere erhalten hätte müsste man annehmen, dass der einzige Grund für die Degeneration der Sowjetunion dieser einzige Mann war. Er allein ist für die Vorkommnisse verantwortlich und die materiellen Umstände waren gänzlich irrelevant. Diese Erklärung ist allerdings falsch, der Stalinismus ist aus den materiellen Umständen, in denen sich die junge Sowjetunion entwickeln musste, entstanden.

Wenn jemand wirklich verstehen will wie der Stalinismus entstanden ist, sollte Farm der Tiere keine Anlaufstelle sein. Viel eher sollte man sich zu Trotzkis "Verratene Revolution" wenden. Orwell hat mit diesem Buch nicht das antistalinistische sozialistische Meisterwerk geschaffen, das viele darin sehen wollen. Er hat lediglich seine kleinbürgerliche Ideologie in ein Gewand gepackt, welches so undeutlich ist, dass Sozialisten es als antistalinistisches Werk hochhalten, während Bürgerliche es als die Bibel des Antikommunismus hochhalten.

Quellen: Farm der Tiere, Farm der Tiere Film, The cartoon that came in from the cold vom Guardian

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