Derzeit sind etwa 40 Millionen Menschen weltweit – davon 45% Frauen und 6% Kinder – vom HI-Virus infiziert (HIV führt zur AIDS-Erkrankung). Allein im Jahr 2005 gab es geschätzte 4,1 Millionen Neuinfizierungen. Im selben Jahr starben 2,8 Millionen Menschen an dieser Krankheit. Besonders alarmierend ist die steigende Zahl infizierter junger Frauen im Alter von 15 bis 24. (Sofern nicht anders angegeben, stammen sämtliche Zahlen aus dem 2006 Report on the Global AIDS Epidemic von UNAIDS.)
Eine Epidemie der Armen und Benachteiligten
Die Liste der von AIDS am schlimmsten betroffenen Regionen und Völker liest sich wie eine Liste der ärmsten und benachteiligsten Regionen der Erde. Die Länder der afrikanischen Sub-Sahara sind als die von AIDS am stärksten betroffen bekannt. Im Jahr 2005 betrug die AIDS-Rate in Südafrika 18,6% bei Erwachsenen (15 – 49 Jahre) und 24,1% in Botswana. Es folgen die Karibik, Süd-Ost-Asien, Russland und die Ukraine. Natürlich basieren Statistiken auf Diagnosen; und wo es keine Tests gibt, gibt es auch keine Statistiken. Es ist mit Sicherheit davon auszugehen, dass in Regionen, in denen die Diskussion über Sexualität tabu ist, versteckte Epidemien ausgebrochen sind. So weiß in Karachi (Pakistan) beispielsweise jedeR fünfte SexarbeiterIn nicht, was ein Kondom ist und einEr von drei hat noch niemals von AIDS gehört (UNAIDS, S.29).
Sogar in den USA und in Kanada sind die Infektionsraten der unteren sozialen Schichten extrem hoch. So machen Afro-AmerikanerInnen zwar nur 12% der Gesamtbevölkerung aus, gleichzeitig sind sie von 50% aller Neuansteckungen betroffen. In Nordamerika haben arme Frauen ein unverhältnismäßig hohes Ansteckungsrisiko; dort lebende aus Afrika stammende Frauen haben Berichten zufolge ein zwölfmal höheres Infektionsrisiko als weiße Frauen. Schockierenderweise ist im reichsten Land der Erde „AIDS die vorherrschende Todesursache für schwarze Frauen zwischen 25 und 34 und die Nummer drei der Todesursachen für schwarze Männer zwischen 25 und 54 Jahren“ (HIV/AIDS among African Americans, US Center für Krankheitskontrolle und Prävention, 2004).
Kanadas UreinwohnerInnen – die bei weitem ärmste und marginalisierteste Schicht Kanadas – sind zu 16,4% von der Krankheit betroffen, während sie nur 3% der Gesamtbevölkerung ausmachen (Cicle of Hope, The First Nations & Inuit of Québec HIV & AIDS Strategy, Herbst 2006). Während die kanadische Infektionsrate innerhalb der letzten zwanzig Jahre um 24% zurückgegangen ist, hat sie sich bei der Urbevölkerung verfünffacht.
Warum gibt es diesen Zusammenhang zwischen Armut und HIV? Die Antwort ist recht banal. Obwohl es noch nicht heilbar ist, wäre das HI-Virus vermeidbar und behandelbar. Im Kapitalismus erreichen Prävention und Bildung allerdings deshalb die Armen nicht, weil damit kein sofortiger Profit herausgeschlagen werden kann. AIDS hat sich am schnellsten dort verbreitet, wo es keine Bildung und Gesundheitsvorsorge gibt und wo Aberglaube und Unwissenheit vorherrschen, die die Menschen vom Zugang zu jenen Informationen fernhalten, die sie für ein gesundes Sexualleben benötigen. Armut und Verzweiflung führen auch oft zu verstärktem Drogenmissbrauch durch Spritzen, der in den Ländern der ehemaligen UdSSR die Nummer eins der Ansteckungsgründe darstellt. Tragischerweise zielt der neue blühende russische Drogenmarkt vor allem auf junge Leute ab; dort sind drei von vier HIV-Infizierte junge Leute unter dreißig.
Seit sich das Virus aus den Kreisen homosexueller Männer und Drogenabhängiger herausbewegt hat, gehören Frauen zu den am meisten gefährdeten Gruppen. Dafür gibt es eine physiologische Erklärung: HIV wird durch Blut oder Samen übertragen und muss für eine Infektion den Blutstrom betreten. Natürlich gibt es auch andere Faktoren. Frauen erleiden die Hauptlast der Armut und Verzweiflung als Opfer von körperlicher und sexueller Gewalt. Auch sind sie durch unbezahlte Hausarbeit und Fürsorge doppelt belastet und haben deshalb oft nicht die Möglichkeit, Zeit für ihre eigene Gesundheitsvorsorge zu finden. Laut der „YouthCO AIDS Society“ sind „junge Frauen normalerweise die letzten, die getestet werden und eine Behandlung bekommen“ (www.youthco.org). Wie bereits erwähnt sind junge Frauen die am schnellsten wachsende Gruppe der HIV-infizierten. Das trifft vor allem dort zu, wo eine extreme Verarmung und eine große Geschlechterungleicheit vorherrschen. So ist die Wahrscheinlichkeit für 15- bis 19-jährige Mädchen in Trinidad-Tobago, sich mit HIV zu infizieren, sechsmal höher als für gleichaltrige Jungen.
Im Afrika der Sub-Sahara sind 59% der Erwachsenen, die HIV-positiv sind, Frauen. In Botswana waren von 2003-2004 38% jener schwangeren Frauen, die eine Klinik besucht haben, mit dem Virus infiziert. Die Zahl für Südafrika ist 29,5%. Inzwischen gibt es in dieser Region zwei Millionen infizierter Kinder – das sind 90% der infizierten Kinder weltweit. Es ist der Kapitalismus, der sie ihres Rechts auf Leben beraubt hat. Es gibt keinen vernünftigen Grund, warum sich im Jahr 2007 derartig viele Kinder bei ihren Müttern anstecken müssen. Mit einer Behandlung und angemessenen Fürsorge (vor allem Medikamente und sauberes Wasser) kann das Risiko, dass sich Kinder bei ihrer Geburt bei der Mutter mit dem HI-Viurs anstecken, auf unter 1% gedrückt werden. Diese Behandlung und Fürsorge gibt es allerdings nicht für jene, die dafür nicht zahlen können.
Kapitalismus und AIDS
Die meisten tödlichen Krankheiten betreffen die Jungen und die Alten einer Gesellschaft. HIV hingegen betrifft vor allem die Altersgruppe zwischen 20 und 49 und hat in den davon am schlimmsten betroffenen Teilen der Welt zu einem wahrhaften Untergang einer gesamten Generation geführt – vor allem der Mehrheit der arbeitenden Bevölkerung. Die Auswirkungen davon auf die Ökonomien und ohnehin schon völlig unzureichende Infrastruktur dieser Länder kann man sich leicht vorstellen. Die Arbeiterschaft in Teilen der afrikanischen Sub-Sahara wurde im Landwirtschafts- wie im Industriesektor praktisch ausradiert. In vielen Gemeinden gibt es weder ärztliches Personal noch LehrerInnen; jene Erwachsenen, die noch gesund sind, müssen all ihre Aufmerksamkeit jenen widmen, denen es bereits schlecht geht. Die Beziehung zwischen Armut und der wuchernden Ausbreitung von AIDS in einigen Teilen der Welt kann nicht länger geleugnet werden. Die wichtige Frage ist, welche Schlüsse wir aus dieser Verbindung ziehen. In der Welt des Wohlstandes und der Diplomatie, in der sich weltoffene Intellektuelle zum Bankett zusammenfinden, sucht man jedenfalls nach Wegen, sich von der Schuld freizusprechen, ein System zu verteidigen, das man nicht verteidigen kann. Das ganze wird im der folgenden Einleitung zum Kapitel 4 des UNAIDS-Berichts von 2006 schön zusammengefasst:
“Die Auswirkung von AIDS auf Menschen und Gesellschaften: In manchen Ländern untergräbt AIDS die Entwicklung der Millenniumsentwicklungsziele: Vor allem die Ziele der Armutsreduzierung, das Erreichen einer grundsätzlichen Allgemeinbildung, das Fördern der Geschlechtergleichheit, die Reduzierung der Kindersterblichkeit und die Verbesserung der Gesundheit von Müttern.“
Man weiß nicht, ob man lachen oder weinen soll, wenn man diese Zeilen liest. Die Haltung der UNO hat etwas Tragikomisches an sich. Der Versuch, Armut zu reduzieren, die Gesundheitsvorsorge und Bildung zu verbessern, das Fördern der Geschlechtergleichheit, die Entwicklung einer globalen Partnerschaft, etc. bis 2015. Diejenigen, die daran glauben sind entweder revolutionäre SozialistInnen (die genau wissen, dass nicht die UNO, sondern die Arbeiterklasse diese Ziele verwirklichen wird) oder einfach naive Menschen. Sogar die VerfasserInnen des Dokuments selbst geben zu, dass es schwierig sein könnte, die Ziele bis 2015 zu erreichen. Warum? Erraten - wegen AIDS!
Das ist kein einfacher Fall von „Was kam zuerst? Das Huhn oder das Ei?“ Diese Leute versuchen von ihre Unfähigkeit ablenken, wirksam etwas gegen Armut zu tun. Das passt auch gut zum „Entwicklungs“-Mythos als Ganzes. Das Märchen lautet folgendermaßen: Diese „hinsichtlich ihrer Entwicklung herausgeforderten“ Länder befinden sich dank der Muskeln und des überlegenen Intellekts „des Westens“ in einem steten Aufstieg. Trotzdem genügt ein kurzer Blick in die Weltwirtschaftsstatistiken, dass sich die „Entwicklungsländer“ alles andere als entwickeln. In Wirklichkeit ist deren Entwicklung zurückgegangen, während der Unterschied zwischen reichen und armen Ländern ständig größer wird. Diese Leute sind erleichtert darüber, dass HIV zur rechten Zeit aufgetreten ist: Das Virus kann ihnen nun als Feigenblatt gute Dienste erweisen. Trotzdem ist klar, dass es eigentlich die Armut ist, die es AIDS erlaubt hat, derartige Ausmaße anzunehmen. Und Armut ist nichts anderes als das Produkt eines Wirtschaftssystems, das große soziale Ungleichheit nicht nur erlaubt, sondern sogar von ihr abhängt.
Ein karibisches Land, das unseren LeserInnen bekannt sein sollte, liefert eine bildliche Darstellung davon, dass der Kapitalismus dafür verantwortlich ist, dass AIDS epidemische und pandemische Ausmaße annimmt. Die Karibik ist nach der Sub-Sahara die am meisten von AIDS betroffene Region der Erde. AIDS ist dort die häufigste Ursache für den Tod von Erwachsenen (15 bis 44 Jahre), 51 % der Infizierten sind Frauen. Nun sind sogar die Leute von UNIDAS dazu gezwungen zuzugeben, dass „Kuba (…) in dieser Region eine Ausnahme bleibt. Das Programm zum Schutz der Kinder vor einer AIDS-Übertragung von der Mutter bei ihrer Geburt gehört hier zu den effektivsten der Welt. Die Gesamtanzahl der HIV-Infizierten Babys liegt bis heute bei unter 100. Gleichzeitig hat der kostenlose Zugang zu antiretroviralen Therapien die Fälle von AIDS-Fällen und –Sterblichkeit beschränkt“ (UNIDAS, 39).
Während Harvard-AkademikerInnen wie der kürzlich verstorbene Jonathan Mann [1] davon reden, „die synergetischen Kräfte von öffentlicher Gesundheit, Ethik und Menschenrechten zu kombinieren“ (was auch immer das heißen mag), ist es die simple Errungenschaft der Planwirtschaft, die dazu geführt hat, dass Kuba heute die niedrigsten Infektionsraten der Welt aufweist. Es dürfte kaum überraschen dass diese zuversichtlichen Fortschritte dort ernsthaft bedroht werden, wo der Kapitalismus eingreift. Seit dem Zerfall der Sowjetunion ist die einzige Hoffnung vieler KubanerInnen ein bescheidenes Einkommen durch die Tourismusindustrie. Für viele Frauen bedeutet das den Weg in die Prostitution.
Ein mühsamer Kampf im Kapitalismus
Für aufrichtige AIDS-AktivistInnen gibt es viele Hoffnungsansätze. Es wird nach einer Heilmethode geforscht, einer langen Reihe an anti-retroviralen Arzneien für die Kombinationstherapie, genauso wie nach neuen präventiven Maßnahmen. Der neuste Hoffnungsträger sind die topischen Mikrobizide, die sich derzeit noch im klinischen Entwicklungsstadium befinden und die erste vorbeugende Maßnahme für Frauen wären, die sie ohne das Wissen ihres Geschlechtspartners einsetzen können (Diese Mikrobizide würden in Form eines Gels vaginal angewendet werden und vor AIDS schützen). All diese Dinge stellen spannende Aussichten dar. Sie könnten dazu beitragen, die Infektionsraten in der „Dritten Welt“ zu reduzieren und wären im Sozialismus allen zugänglich. Innerhalb des Kapitalismus ist der allgemeine Zugang darauf allerdings ebenso unwahrscheinlich wie auf die Fülle an Arzneien, Ergänzungs- und Präventivmittel, die auch heute schon von den Patent-InhaberInnen hinter Schloss und Riegel verwahrt werden.
Die meisten LeserInnen werden bereits von den fragwürdigen Aktivitäten der großen Pharmakonzerne wissen (Siehe z.B. "Dying for drugs - Health warning: Capitalism kills!" von Jordi Martorell, www.marxist.com). Für die Autorin des vorliegenden Textes personifiziert die Handvoll Leute an der Spitze dieser Konzerne, die von Krankheiten profitieren und Behandlungen verhindern, das einzige wirkliche Übel in der heutigen Welt: Das kapitalistische System. Die Pharma-Riesen saugen sämtliche öffentliche Subventionen für Forschung auf, holen unschuldige Kranke in gefährliche klinische Versuche, verlangen für billig produzierte Medikamente hohe Preise und bedrohen alle Regierungen, die billigere generische Versionen ihrer patentierten Medikamente herstellen wollen.
Das menschliche Immunschwächevirus (HIV) greift das Immunsystem des Körpers an und infiziert damit lebenswichtige Abwehrzellen (primär CD4+ T Zellen). Einerseits tötet das Virus die von ihm infizierten Zellen direkt, andererseits bringt es auch andere Abwehrzellen des Körpers (CD8 Zellen) dazu, die infizierten CD4+ Zellen anzugreifen und zu vernichten. Wenn die Anzahl der CD4+ Zellen im Körper eines Individuums unter einen kritischen Wert fallen, verliert der Körper seine zelluläre Verteidigungsfähigkeit und wird durch sämtliche opportunistische Infektionen [2] angreifbar, die er sonst bekämpfen könnte. Das Auftreten dieser opportunistischen Infektionen kündigen den Angriff des Acquired Immune Deficiency Syndrome (AIDS - Erworbenes Immunschwächesyndrom) an. Schließlich wird eine dieser opportunistischen Infektionen die mit HIV infizierte Person töten.
Mit Zugang zu einer nährstoffreichen, das Immunsystem stärkenden Kost und einer teuren antiretroviralen Kominationstherapie ist es möglich, ein ziemlich normales Leben mit HIV zu haben. Das Problem liegt darin, dass die Mehrheit der Weltbevölkerung nicht den Zugang zu einer solchen Kost oder antiretroviralen Behandlungen hat. So hat im Afrika der Sub-Sahara nur jedeR Sechste, die/der der antiretroviralen Behandlung unbedingt bedarf, auch Zugang dazu. Die Zahlen Südostasiens sind ähnlich, in Russland und der Ukraine sind sie sogar noch niedriger. Nicht einmal in der entwickelten Welt haben jene, die der Infektion am stärksten ausgesetzt sind – Drogenabhängige, SexarbeiterInnen, benachteiligte Bevölkerungsschichten und arme Frauen – Zugang zu nährstoffreichem Essen. Im Jahr 2006 bezeichnete der Londoner „Economist“ Vancouver das vierte Mal in Folge als die lebenswerteste Stadt der Welt. Gleichzeitig gehört zu dieser Stadt die der ärmsten Gegend Kanadas, die Downtown Eastside, die sich durch die höchste HIV-Rate der westlichen Welt auszeichnet. Hier, wo extreme Armut, öffentlicher Drogenmissbrauch, Prostitution und Obdachlosigkeit vorherrschen, sind 40% der Drogenabhängigen HIV-positiv. Diese Leute haben keinen Zugang zu jenen Lebensmitteln, die ein gefährdetes Immunsystem benötigt. Deshalb sterben sie an Krankheiten wie Lungenentzündung oder Tuberkulose, von denen man lange gedacht hat, dass sie in diesem Teil der Erde längst der Vergangenheit angehören.
Inzwischen kämpfen zahllose Non-Profit-AIDS-Organisationen einen zermürbenden Kampf, um die grundlegenden Bedürfnisse der HIV-Positiven weltweit sicherzustellen. Beratung, Bildung und Hilfsdienstleistungen, die mit öffentlicher Gesundheitsvorsorge weltweit möglich gemacht werden könnten, werden somit Wohltätigkeitsvereinen überlassen. Diese Organisationen werden dazu gezwungen, sich zur Finanzierung vor die Füße der großen Pharmakonzerne zu werfen und zu betteln. Gleichzeitig stehen sie mit anderen Organisationen in Konkurrenz, die ebenfalls versuchen, die Aufmerksamkeit von Bill und Melinda Gates zu erhaschen.
So gab es vor kurzem z.B. einen Wettbewerb, der von einer kanadischen Bank initiiert worden war. Vier Non-Profit-Organisationen traten gegeneinander an, um eine Million Dollar für ihre laufenden Kosten und ihre Hilfsprogramme zu gewinnen. Es folgte ein verzweifelter Kampf um die öffentliche Meinung zwischen Organisationen, die sich für Hungernde, Obdachlose bzw. HIV-Positive einsetzen. Was bleibt, ist die Frage, ob diese Million Dollar nicht besser dafür ausgegeben werden sollte, den vier Organisationen die Kosten für diese Kampagne zurückzuerstatten.
Wie in allen anderen Wirtschaftszweigen bedeutet Wettbewerb für Non-Profit-Organisationen ein Wettrennen nach unten. Finanziers geben nicht deshalb Geld an Organisationen, um deren Angestellten anständige Arbeitsbedingungen zu gewähren. Ihnen geht es meist um medienwirksame Konferenzen. Das Ergebnis ist ein kaum regulierter Sozialsektor, der vor allem von Angestellten ohne regelmäßiges Einkommen, ohne Sicherheit und Anrecht auf Renten aufrecht erhalten wird.
Im Kapitalismus bedeutet Wohltätigkeit Schuldminderung und Steuervorteile für die großen Konzerne. Sie erlaubt es den außergewöhnlich Reichen, freundlich und großzügig zu wirken. Schließlich subventionieren sie ein zerfallendes Wirtschaftssystem, das nicht länger dazu fähig ist, die grundlegendsten Bedürfnisse der Bevölkerung zu befriedigen.
Das Ende von AIDS
Wie beseitigen wir HIV und AIDS? Darauf gibt es keine einfache Antwort. Vielleicht wird in Kürze ein Heilmittel erfunden. Es gibt immer eine Lösung. Aber die Pharmakonzerne sind heute bei weitem mehr an Behandlungen gegen Potenzprobleme, Akne, männlichen Haarausfall und anderer solch profitablen „Krankheiten“ interessiert. Wir wissen, welche Herangehensweise die Pharmakonzerne zur Entwicklung von Arzneien haben – wenn sie damit keinen Profit erwirtschaften können, werden sie auch nicht investieren. Würde morgen ein Heilmittel entdeckt werden, würde es (trotz massivem öffentlichen Druck und politischen Aufständen) ebenso wie die bereits existierenden antiretroviralen Medikamente zu einem Preis verkauft werden, den sich die meisten auf dieser Welt nicht leisten könnten.
Während ich diesen Artikel verfasse, wurde entdeckt, dass die einfache chemische Dichloressigsäure (DCA) die Mitochondrien in Krebszellen reaktiviert, womit es ihnen erlaubt wird, natürlich abzusterben (das bedeutet nichts anderes, als dass den Krebszellen damit der Befehl zum Selbstmord gegeben wird), was eine potentielle Heilmethode für Krebs darstellt. Die größte Gefahr liegt nun darin, dass das Medikament „aufgrund wirtschaftlicher Gründe“ nicht den Weg zu den KrebspatientInnen findet, wie Top Cancer News berichtet:
„Es gibt kein Patent mehr auf DCA, womit sich die Säure nicht mehr im Eigentum eines einzigen Konzerns befindet. Weil es darum wenig Aussicht darauf gibt, dass ein Konzern damit einen großen Profit machen könnte, wird es für die Pharmaindustrie keinen Anreiz geben, hier in die Forschung zu investieren. Tragischerweise könnte dieses Medikament – das anscheinend bemerkenswert gut wirkt – niemals Krebskranken zu Hilfe kommen. Und das nur deshalb, weil damit niemand ein paar Milliarden verdienen kann.“
Im Gegensatz zu den Lehren der kapitalistischen Wirtschaftswissenschaft spiegelt das Angebot in Fragen der menschlichen Bedürfnisse nicht deren Nachfrage wider – nicht einmal deren Notwendigkeit. Im Kapitalismus ist es die Profit bringende Nachfrage, die zählt. Wenn kein Profit gemacht werden kann, werden keine Waren angeboten. So einfach ist das. Darum haben wir in einigen Teilen der Welt eine Überproduktion der Nahrungsmittel, während andere Teile Hunger leiden müssen. Für die große Mehrheit der 40 Millionen HIV-Infizierten bedeutet diese Logik, dass sie keinen Zugang zu Behandlungen, Nährstoff reichem Essen oder anderen notwendigen Leistungen bzw. zu den relevanten Informationen besitzt.
Wir können die AIDS-Pandemie nicht sofort stoppen. Sehr wohl können wir aber errechnen, welche Ressourcen und Strukturen dafür benötigt werden würden, um die Voraussetzung für die Beseitigung von AIDS zu schaffen. Die weltweite Bereitstellung von antiretroviralen Medikamenten ist nur für jene ein Wundermittel, die entweder die Realität dieser Krankheit oder die Realität des Kapitalismus nicht verstehen. Natürlich ist das für die Übertragung von der Mutter auf das Kind essentiell. Genauso essentiell, wie die Lebensbedingungen jener zu verbessern, die von der Krankheit betroffen sind. Trotzdem ist das unter kapitalistischem Recht vollkommen illegal. Die Leute, die die Macht haben das Gesetz zu ändern, sind Leute die es nicht geändert haben wollen.
In einer sozialistischen Gesellschaft, in der der Wohlstand, den die Bevölkerung produziert, der Bevölkerung wieder zurückgegeben und dazu verwendet wird, die Bedürfnisse der Menschen zu befriedigen, wäre das ein sehr einfacher Schritt. Tatsächlich machte die verstaatlichte und geplante Wirtschaft Kubas, wie bereits erwähnt, die kostenlose Verbreitung antiretroviraler Medikamente möglich. Ein wirtschaftliches System, das einen Schwerpunkt auf anständige öffentliche Gesundheitsvorsorge setzt, die sexuelle und fortpflanzungstechnische Vorsorge beinhaltet, würde die Verbreitung von HIV schnell senken, indem Diagnosen viel schneller getroffen und Präventivinformation einfacher zugänglich gemacht werden würden.
Eine Gesellschaft, die dazu befähigt ist, Entscheidungen über die Verteilung des Wohlstandes zu treffen, würde ihre Priorität zweifellos auf freie öffentliche Bildung legen. Das würde die gigantischen intellektuellen Kapazitäten jener der Tausenden (wenn nicht Millionen) jungen Leute freisetzen, die heute dazu verdammt sind, Burger zu braten oder Nike-Schuhe zusammenzukleben. Stattdessen wären sie in der Lage dazu, an einer Heilung für AIDS und anderen Krankheiten zu forschen. In vielen Teilen der Welt, wie etwa der Sub-Sahara würde eine universelle Bildung dazu beitragen, die Bevölkerung das erste Mal von Aberglaube und Unwissenheit rund um die sexuelle Hygiene zu befreien. Eine Gesellschaft, die nicht vom Profitmotiv erstickt wird, sondern in der die echten menschlichen Bedürfnisse im Mittelpunkt stehen, würde all diesen Dingen höchste Aufmerksamkeit schenken können.
Äußerst wichtig – und im Kapitalismus komplett unmöglich – für das Verschwinden von AIDS ist die Voraussetzung, dass es keine Menschen mehr gibt, die derartig verarmt, vernachlässigt und ohne jede Hoffnung sind, dass sie sich Gift in ihre Venen drücken, nur um für einen Moment aus ihrer höllischen Existenz zu entfliehen. Wir benötigen die Voraussetzung, dass sich keine Frau mehr in der Position befindet, für ihr Überleben oder einen bescheidenen Lebensstandard ihren Körper verkaufen zu müssen. Diese dunklen Realitäten des Kapitalismus haben in einer sozialistischen Gesellschaft, in der allen nach ihren Fähigkeiten geben und allen nach ihren Bedürfnissen nehmen, keinen Platz.
Die sozialistische Gesellschaft, von der wir hier sprechen, ist keine unmögliche, utopische Welt. Es ist eine Welt ohne Ungleichheit und Ineffizienz im Namen des Profits. In dieser Welt trifft das Angebot wirklich die menschliche Nachfrage. In dieser Welt wird jenen Dingen Vorrang gegeben, die das Leben der normalsterblichen Menschen verbessern. Somit wird die Voraussetzung dafür geschaffen, jene Neuerungen und jenen Fortschritt zu schaffen, der nur dann möglich ist, wenn alle Menschen dazu befähigt sind, bei Entscheidungsprozessen teilzunehmen. Dazu müssen die Produktionsmittel in den Besitz der gesamten Gesellschaft übergehen – die großen Banken und Konzerne, die täglich die Leistungen unserer Arbeit einheimsen.
Die AIDS-Pandemie und die Unfähigkeit des Kapitalismus, dem etwas entgegenzusetzen ist nur eines der Symptome eines zerfallenden Wirtschaftssystems. Wenn ein System nicht mehr länger dazu in der Lage ist, auf die Bedürfnisse der Bevölkerung einzugehen und die weitere Entwicklung voranzutreiben und die Lebensbedingungen der Menschen zu verbessern, ist es an der Zeit, dieses System zu ersetzen. Nicht nur die Zukunft der Millionen mit HIV infizierten und an AIDS erkrankten Menschen, sondern jene der gesamten Menschheit hängt davon ab.
[1] Der Leiter des AIDS-Programms der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und Gründer des WHO-Global-Programms gegen AIDS, der 1998 beim Absturz des Swissair-Fluges 111 auf dem Weg nach Genf zu einer UNAIDS-Konferenz starb.
[2] Als opportunistische Infektionen bezeichnet man Infektionen durch Erreger, die häufig im gesunden Organismus vorkommen, ohne Schaden anzurichten. Bei der Entwicklung eines Immundefekts nützen diese Erreger die Schwächung des Körpers aus und vermehren sich aggressiv auf Kosten ihres Wirtes.
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