Kategorie: Kultur |
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Italien ist Fußballweltmeister, aber der Clubfußball versinkt im Sumpf des Profitsystems |
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Die WM in Deutschland ist vorbei. Die Squadra Azzurra ist zum 4. Mal Weltmeister. Dieser sportliche Erfolg kann aber nicht über die große Krise des italienischen Fußballs hinwegtäuschen, die in Wirklichkeit ein Ausdruck der Krise des Profitsystems ist.
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Italien wird derzeit vom größten Skandal der modernen Klubfußballgeschichte des Landes erschüttert. Im Mittelpunkt dieses Sumpfs steckt Juventus Turin, die „Alte Dame“ des italienischen Fußballs, wie der erfolgreichste Klub auf dem Appenin von seinen Tifosi liebevoll genannt wird. Juves Topmanager Moggi dürfte eine derartige Machtfülle erlangt haben, dass er de facto die gesamte Seria A, die oberste Spielklasse in Italien, nach Belieben kontrollieren konnte. Schiedsrichter wurden bestochen, führende Funktionäre des nationalen Fußballverbandes geschmiert, hohe Staatsbeamte und Politiker des damals noch regierenden Mitte-Rechts-Bündnis korrumpiert. Diese skandalösen Vorfälle geben natürlich allen Recht, die es ja schon immer gewusst haben, dass „die Italiener“ zum Falschspielen und Hintergehen neigen und dass ihre „bestechende“ Spielart Ausdruck dieser doch so typischen südländischen Doppelbödigkeit ist. Alle Vorurteile finden wieder einmal ihre Bestätigung. In Wirklichkeit hat dieser Skandal weniger mit den nationalen Besonderheiten am Stiefel zu tun als vielmehr mit den Folgen der unvorstellbaren Kapitalkonzentration im italienischen Fußball in den letzten 25 Jahren. Der Fußball ist im Grunde genommen längst nicht mehr einfach Sport, sondern eine Industrie, der wie alle anderen Bereiche der kapitalistischen Ökonomie funktioniert. Nicht Tore und Siege, geschweige denn schöne Spielszenen, sind das Entscheidende, sondern die Maximierung der Profite der als Unternehmen geführten Vereine. Und zur Erreichung dieses obersten Zieles ist jedes Mittel recht. Die Bestechung ist da genauso inkludiert wie ein taktisches Foul zur Verhinderung einer zahlenmäßigen Überlegenheit der Angreifer. Wie auf allen Märkten sehen wir auch im Fußball die Herausbildung einiger weniger großer Konzerne, welche sich einen Großteil des Kuchens aufteilen. Im italienischen Fußball sind dies konkret drei Blöcke: die Gruppe unter Führung von Juventus, das traditionell auf das Engste mit Italiens wichtigstem Industriekonzern FIAT und somit dem italienischen Finanzkapital verbunden ist; die Gruppe rund um Capitalia und natürlich der Konzern von Ex-Premier Silvio Berlusconi und seinem Privatverein AC Milan. Diese Konzerne verfügen über den überwältigenden Anteil der Investitionen und bestimmen über verschiedenste Mechanismen die Geschicke des italienischen Spitzenfußballs und der kleineren Vereine. Der Fußball war immer schon Objekt ökonomischer Interessen und somit auch Schauplatz mehr oder weniger großer Skandale. Mit dem Aufkommen des Pay-TV, das immer stärker den Ablauf der Seria A bestimmte, bekommt die Ökonomisierung des Fußballs jedoch eine völlig neue Dimension. Unsummen sind nun im Spiel. Die Profiteure Nr. 1 sind die großen Klubs wie Milan, Juve und Inter Mailand. Zwar versuchten sich mehrere Klubs dieser Omnipotenz entgegenzustellen und ein eigenes Kartell mit einem eigenen Pay-TV aufzubauen. Dieser Versuch scheiterte jedoch, nachdem die gewagten Finanzoperationen der Verantwortlichen dieser Klubs in Pleiten endeten. Die Finanzskandale wie bei Parmalat oder Cirio trieben Klubs wie Parma oder Lazio Rom an den Rand des Ruins. Der Schachzug im Fußball dieses Geld weiß zu waschen, schlug fehl. Die Klubs schlitterten in die sportliche Krise und die Rechnung hatten einerseits die in den betroffenen Unternehmen beschäftigten ArbeiterInnen und andererseits die Menschen, die ihre Ersparnisse in die Aktien dieser Gesellschaften steckten, zu begleichen. Damit war die Kapital- und somit Machtkonzentration perfekt. Milan und Juve haben sich eine Position erobert, von der aus sie gezielt ihre Imperien errichten konnten. Seit Jahren teilen sich die beiden Großklubs mit ganz wenigen Ausnahmen die Meisterschaftstitel. Andere Klubs verkommen zu Filialen der Spitzenklubs und zu Statisten im Run um den größten Anteil am Kuchen. Der herkömmliche Prozess der kapitalistischen Ökonomie regiert somit auch die „schönste Nebensache der Welt“. Der italienische Fußball wurde immer mehr vergleichbar mit einer klassischen Spekulationsblase. Die erhofften Profite blieben aber zusehends aus. Vor allem die Investitionen in das Pay-TV erwiesen sich als falsch. Der Goldrausch war ausgeblieben. Die ursprünglichen Verträge mit den Klubs waren nicht mehr zu halten und mussten neu ausgehandelt werden. Dies traf aber die Klubs wiederum schwer, nachdem diese Unsummen in neue Spieler investierten und diese fürstlich entlohnten. Spieler wie Totti oder Buffon gehören zu jenen mit dem größten Marktwert weltweit. Das WM-Finale in Berlin zwischen Frankreich und Italien glich einem letzten großen Aufeinandertreffen der Stars und Ex-Stars von Juventus Turin. Selbst die Großklubs waren nun trotz aller sportlichen Erfolge mit gewaltigen Finanzproblemen konfrontiert. Der Staat versuchte dieser Krise entgegenzuwirken und ermöglichte es den Klubmanagern im großen Stil Steuern zu hinterziehen bzw. zu sparen, während zur gleichen Zeit jeder Staatshaushalt für die lohnabhängigen Massen, die auch die Masse der Tifosi stellen, die Sonntag für Sonntag in die Stadien pilgern, schwere Einschnitte bei den angeblich nicht mehr zu finanzierenden Sozialleistungen und Steuererhöhungen beinhaltete. Der jetzige Bestechungsskandal war nichts anderes als eine direkte Konsequenz dieser Krise des italienischen Fußballkapitals, in der mit allen Mitteln um jeden Marktanteil gekämpft wird. Jetzt stehen die Urteile in diesem Skandal ins Haus. Man spricht von einer „Säuberung“ des italienischen Fußballs, einer Art „Neugründung“. Neue moralische Kriterien sollen das Verhalten der Klubs bestimmen. Mit Juventus wird wohl der Rekordmeister in die Zweitklassigkeit gestürzt und somit aus dem Konkurrenzkampf gezogen werden. Doch die grundsätzlichen Mechanismen des Fußballs in einer kapitalistischen Ökonomie werden sich deshalb noch lange nicht ändern. Wer einen von Fairness und Sportlichkeit geprägten Fußballsport will, der muss dieses System grundsätzlich in Frage stellen und für eine Alternative jenseits der Profitwirtschaft kämpfen. Diesen Kampf gilt es in den Betrieben, den Schulen, Unis, den Gemeinden und in den Stadien zu führen. Gernot Trausmuth |