In Wahlumfragen und -ergebnissen wachsen deutlich konservativ-nationalistische und rechtspopulistische Parteien an. Die Programme vieler vormals linker oder mitte-links Parteien blicken im Parteienspektrum deutlich zu offen rechtem und gedeckt rechtem Klientel. Auch bei der LINKEN ist ein politischer Rechtsruck zu vermerken. Die zweifelhaften Aussagen von Sahra Wagenknecht beweisen, wohin Teile der Parteispitze zielen, um Wählerpotential zu ergattern. Doch wo führt das unsere Bewegung hin? Und viel wichtiger ist die Frage, wie die Situation an der Parteibasis aussieht.
Wie kam ich zur Partei?
Ich bin seit 2013 Mitglied der Partei DIE LINKE und engagiere mich seit 2015 aktiv an der Basis und in der Kommunalpolitik im sächsischen Freiberg. Meine Beweggründe für den Parteieintritt sind trivial: ich bin Sozialist und nehme gemeinsam mit den anderen GenossInnen den Kampf für ein besseres Leben auf. Ich bin außerdem Sprecher der örtlichen Linksjugend ['solid], mit der ich den sozialistischen Standpunkt wieder mehr an die Jugend heranbringen möchte.
Doch für uns SozialistInnen und KommunistInnen wird es nicht nur in der großen Politik schwieriger. Auch die Basis nimmt den täglichen Kampf nicht mehr so ernst. Einige Ortsgruppen der Linksjugend und viele der Partei DIE LINKE kämpfen keinen Kampf mehr, sondern vegetieren vor sich hin und sind weit weg von der realen Politik.
Die Freiberger Basis – wie die sächsische Provinz im rechten Sumpf versinkt
In Freiberg zumindest ist die Situation deutlich angespannt. Noch vor einem Jahr hatte die Partei die Oberbürgermeister- und Landratswahl zu verdauen. Der OB-Kandidat holte 7,4% und die Landratskandidaten des Wählerbündnisses aus LINKE, SPD und Grünen erreichte etwa 36%. Der Wahlkampf war hart, die Ergebnisse bei Betracht der Umstände nicht schlecht, aber wie verhielten sich Ortsvorstand und Kreisvorstand in diesem Zeitraum?
Noch Anfang 2015 suchte der Ortsverband Freiberg händeringend nach einem geeigneten Kandidaten für die anstehende OB-Wahl. Der Vorsitzende Fankhänel äußerte seine Wünsche in einem emotionalen Artikel in der regionalen Zeitung und fütterte damit einen externen Kandidaten an, der vor knapp einem Monat nun selbst zum Vorsitzenden des Ortsvorstandes gewählt wurde: Marcel Dönicke.
Der Wahlkampf ging schon gut los – Fankhänel geriet mit seinem Vorstoß auf Kreisebene in Verruf. Es habe interne Absprachen gegeben, dass in Freiberg ohne Bedingungen der SPD-Kandidat Sven Krüger unterstützt werden würde, da ja die Kreis-SPD die LINKE-Kandidatin Tändler-Walenta unterstützt. Der Vorstand entschied sich trotzdem für den eigenen Kandidaten, alleine „um die jungen Menschen nicht zu verprellen, die sich für uns engagieren wollen“, hieß es damals vom Vorsitzenden.
Nach einer heißen Phase des Kampfes um die Wähler und nach etlichen Diskussions- und Podiumstreffen war das Ergebnis raus. Krüger hatte zwar über 40%, konnte so aber noch nicht OB werden. Er musste sich nun Unterstützung suchen – koste es, was es wolle; sie sollte nur geheim bleiben.
Nachdem der FPD-Kandidat dem CDU-Baron seine Unterstützung zusicherte und die Karnevalskönigin ihre Kandidatur nicht zurückzog, erwartete Krüger plötzlich Unterstützung vom LINKE-Kandidat Dönicke. Doch dieser hatte nichts zu entscheiden. Kurzer Hand entschloss nämlich der damalige Vorsitzende Fankhänel, Krüger im zweiten Wahlgang ohne Bedingungen aufzustellen zu unterstützen. Dönicke setzte sich in mehreren internen Gesprächsrunden dafür ein, Bedingungen an die Unterstützung zu heften, doch er scheiterte am reformistischen Geist großer Teile der Partei DIE LINKE.
Letzten Endes hat der Vorsitzende den Kandidaten verbrannt und dafür zog er nun Anfang Juni die Konsequenzen. Er musste seinen Vorsitz an eben denjenigen OB-Kandidaten abgeben, der sich so voller Leidenschaft für die linke Sache einsetzte. Mit ihm konnte die örtliche Linksjugend ['solid] drei weitere Mitglieder in den Ortsvorstand bringen und der reformistischen Fraktion der Partei den Kampf ansagen.
Wie die LINKE derzeit in Gremien arbeitet, zeigen Fankhänel und weitere sozialdemokratische GenossInnen in Stadtrat und Kreistag in Freiberg und Mittelsachsen. Wenn OB Krüger oder Landrat Damm den Marsch vorgeben, dann wird eben marschiert und durchgewunken, was das Zeug hält. Darunter wurden unter anderem - fast auch durch DIE LINKE - die Krankenhäuser in Mittelsachsen privatisiert. Von schändlichen Steuererhöhungen in Freiberg ganz zu schweigen.
Von der Basis zur Bundespartei
Was ziehen wir hier für Schlüsse auf die gesamte Partei? Es ist schwierig, aber in Ansätzen möglich zu erklären, wo wir uns gerade hinbewegen. Die Spielereien um einen gemeinsamen Bundespräsidenten- und Bundeskanzlerkandidaten von SPD, LINKEN und Grünen zeigen es – die Fahnen der LINKEN sind auf Regierung gerichtet, koste es, was es wolle.
Gysi, Riexinger und Liebich bereiten die GenossInnen langsam auf den R2G-Kurs vor und bereden fleißig Journalisten mit ihren Ideen, fordern die SPD auf, linker zu werden und pochen auf angeblich inhaltliche Abstimmungen. Und auf die Frage nach der Gier nach Regierungsposten sagte Gysi neulich noch, dass das nicht unbedingt sein müsse – Minister wolle er nicht unbedingt werden, um seine Karriere zum Höhepunkt zu bringen.
Dass hier aber sozialistische Grundsätze mit Füßen getreten und verraten werden, ist nicht wichtig, solange die Reformisten der Partei endlich ihre Regierung stellen können. Es fehlt an Haltung und Biss und linken Ikonen wie vormals Luxemburg und Liebknecht, die diese Partei aus dem Verderben holen und zur sozialistischen Linie zurückführen.
Was braucht es für eine erfolgreiche sozialistische Partei?
An sozialen Ideen fehlt es der Partei nicht – auch der Umwelt- und Klimaschutz kommt nicht zu kurz. Forderungen nach Ansätzen eines demokratischen Wirtschaftssystems macht das 2011 beschlossene Erfurter Programm ebenfalls auf – was fehlt der Partei noch? Das Programm führt keine konkreten Vorstellungen auf, wie das Land nach einer Machtübernahme aussehen würde. Außerdem ist es für viele Bürger schlichtweg zu lang und undurchsichtig und vor allem schwer verständlich.
Die Partei müsste mit einem konkreten und gut strukturierten, aber vor allem sozialistischen und kämpferischen Programm aber insbesondere eines tun: sich wieder vor Ort in den Kommunen und Betrieben verankern und den Leuten das Gefühl geben, wirklich da zu sein und für die Rechte der schwächsten Glieder der Gesellschaft zu kämpfen – denn dieses Gefühl, dass die Partei DIE LINKE für diese Schichten der Bevölkerung kämpft, ist längst abhanden gekommen. Die AfD nutzt diese Lücke und wirft ihre falschen Parolen in die Menge und erntet damit Wähler, die eigentlich nicht einmal Nutznießer der AfD-Programmatik sind – im Gegenteil.
DIE LINKE hat es aber längst verpasst auf den fahrenden Zug der modernen sozialistischen Politik aufzuspringen – sie steht still am Bahnsteig der offenen Hoffnungen nach einem besseren System und einem schöneren Leben. Sie begegnet den aktuellen Geschehnissen innerhalb sowie außerhalb der parteilichen Strukturen mit weiterem Stillstand und reagiert auf keine Weise auf den Rechtsruck. Mit Nichten werden sich die Umfragewerte der LINKEN bessern, wenn die Spitze und die verstockten GenossInnen so weiterarbeiten. Die linke Tageszeitung »Neues Deutschland« berichtete kürzlich, dass die GRÜNEN bundesweit inzwischen mehr Mitglieder zähle als DIE LINKE. da letztere inzwischen nur noch auf 58.989 Mitglieder käme. Seit der Bundestagswahl 2009 hat die Partei damit fast 20.000 Mitglieder verloren, als sie noch über 78.000 Mitglieder zählte. Wundert uns das?
|