In einer Pressekonferenz in Berlin hat Martin Schulz (SPD) kürzlich die Weichen gestellt für eine Fortführung der Großen Koalition unter Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Bedingung für die Fortsetzung der Großen Koalition seien jedoch die sogenannten „vier roten Haltelinien“ der SPD, so Schulz, der sich selbst Chancen auf den Posten als Vizekanzler ausrechnet. Dabei handelt es sich jedoch um die inhaltsleeren Floskeln von gerechten Löhnen, Chancengleichheit bei Bildung, einer sicheren Altersvorsorge und einem demokratischen Europa – also jene Punkte, mit denen Martin Schulz seit Frühjahr 2017 ohne konkrete Forderungen auf Stimmenfang geht. Die Unionsparteien sehen das gelassen. CDU/CSU-Fraktionschef Volker Kauder kommentierte, dass diese Forderungen „nun wirklich nicht der Kracher“ seien und längst auf dem Wege seien.
Diese unverbindlichen verbalen Scharmützel zwischen der SPD unter Martin Schulz und der CDU unter Angela Merkel können niemanden darüber hinwegtäuschen, dass es nur populistische Manöver sind, um die Mehrheiten für eine weitere Fortsetzung der bisherigen Bundespolitik zu sichern. Hätten Martin Schulz und die SPD wirklich eine ernsthafte Oppositionshaltung zu Angela Merkel und der CDU/CSU, dann hätten sie die Regierungskoalition längst aufgekündigt oder zumindest alle geplanten sozialen Konterreformen boykottiert. Aber Regierungsposten und Vertragspapiere haben für die Sozialdemokratie seit jeher einen höheren Wert als ernsthafte Politik im Sinne der Jugendlichen und abhängig Beschäftigten. Die stets kämpferisch anmutenden Wahlversprechen vor Bundestagswahlen werden hinterher in Angriffe auf den Lebensstandard der Bevölkerung umgedichtet.
Bilanz der Hartz IV- und Kriegsparteien
Die Bilanz aus 12 Jahren arbeitnehmerfeindlicher Krisenverwaltung unter Bundeskanzlerin Angela Merkel – davon acht Jahre im Bündnis mit ihren sozialdemokratischen Erfüllungsgehilfen im Bundestag – erfahren täglich Millionen Menschen in Deutschland. Weit über vier Millionen Menschen sind auf Hartz IV angewiesen, fast eine Million Erwerbstätige stehen unter der Knute von Leih- und Zeitarbeitsfirmen, fast drei Millionen leiden unter befristeten Arbeitsverhältnissen zu Niedriglöhnen – und die Spirale nach unten wird immer größer. Ganze 45% aller 3,4 Millionen Neueinstellungen im Jahr 2016 geschahen auf der Grundlage befristeter Arbeitsverträge, also etwa 1,6 Millionen Arbeitsverhältnisse. In einigen Branchen sind 50-Stunden-Wochen und mehr an der Tagesordnung, während andere Menschen keine Arbeit finden. Gleichzeitig können unzählige Menschen ihren Lebensunterhalt nur mithilfe mehrerer Nebenjobs bestreiten. Jede vierte Person unter 25 Jahren benötigt inzwischen therapeutische Hilfe.
Gleichzeitig steigen die Profite der Banken und Konzerne ins Unermessliche. Diese Profite sind das Ergebnis schlechter Löhne und unbezahlter Mehrarbeit. Die Politiker im Dienste deutscher Banken und Großkonzerne verteidigen diesen Status Quo und versuchen zeitgleich „gemeinsam mit ihren europäischen Partnern“ wieder „mehr Verantwortung in der Welt“ zu übernehmen. Damit meinen sie Waffenexporte in Kriegsregionen, Zusammenarbeit mit diktatorischen Regimes und wirtschaftliche Unterjochung anderer Länder unter die deutschen Wirtschaftsinteressen. Die Europäische Union ist dabei vor allem ein Instrument in den Händen des deutschen und französischen Imperialismus.
Während der Bundestag im Juni 2017 unter dem zunehmenden Druck der Bevölkerung mehrheitlich endlich die gleichgeschlechtliche Ehe einführte, schloss die Bundesregierung kurze Zeit später – im Juli 2017 – einen großen Waffendeal mit dem diktatorischen Regime in Saudi-Arabien ab, wo Homosexuelle systematisch verfolgt und ermordet werden. Alleine in diesem Jahr hat das Regime – trotz seines Krieges gegen Jemen und der faktischen Unterstützung der Terrormiliz IS – deutsche Rüstungsgüter im Wert von über 48,2 Millionen Euro erhalten. Außerdem „liegen seit Monaten Anträge für die Ausfuhr von dringend benötigten Ersatzteilen für die Lizenzproduktion von G36-Sturmgewehren in Saudi-Arabien oder die Ausfuhr von 750 Schulterwaffen, 100 Sattelschleppern, Berge- und Pionierpanzern, geschützten ‚Boxer‘-Panzern und massig Munition und Granaten in den Wüstenstaat vor.“ (SPIEGEL ONLINE vom 14.03.2017)
Deutsche Rüstungskonzerne wie Airbus, Rheinmetall und Thyssen-Krupp sind dabei die großen Profiteure und verzeichnen Rekordgewinne. Deutschland ist weiterhin der europäische Exportmeister bei Waffendeals. Dies wird in dem vom Bundesministerium für Wirtschaft herausgegeben sogenannten Zwischenbericht der Bundesregierung über ihre Exportpolitik für konventionelle Rüstungsgüter in den ersten vier Monaten des Jahres 2017 systematisch verharmlost. Darin wird behauptet: „Über die Erteilung von Genehmigungen für Rüstungsexporte entscheidet die Bundesregierung im Einzelfall und im Lichte der jeweiligen Situation nach sorgfältiger Prüfung unter Einbeziehung außen- und sicherheitspolitischer Erwägungen. […] Der Beachtung der Menschenrechte im Empfängerland wird besonderes Gewicht beigemessen. Wenn hinreichender Verdacht besteht, dass die zu liefernden Rüstungsgüter zur internen Repression oder zu sonstigen, fortdauernden und systematischen Menschenrechtsverletzungen missbraucht werden, wird eine Genehmigung grundsätzlich nicht erteilt.“ Die Bundesregierung würde „besonders strenge Regulierung von Kleinwaffenexporten“ verfolgen und habe „besonders strenge Maßstäbe an die Genehmigungserteilung für Exporte von Kleinwaffen in Drittländer an“.
Das ist eine bewusste Verdrehung der Wirklichkeit, denn der Export von Kleinwaffen in besagte Drittländer hat sich im Zeitraum von Januar bis April 2017 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum von knapp über 50.000 Euro auf ein Volumen von fast acht Millionen Euro vervielfacht. Auch für die Türkei, die unter Erdoğans Regime jede ernsthafte Opposition verfolgen und unterdrücken lässt, erließ die Bundesregierung in den ersten vier Monaten des Jahres 2017 Exportgenehmigungen im Wert von über 20 Millionen Euro. Weitere Empfänger von deutschen Rüstungsgütern sind despotische Regimes wie Libyen, Afghanistan, Pakistan, Iran und Irak, Katar, Marokko, Ägypten, Algerien, Bahrain, Demokratische Republik Kongo, Vereinigte Arabische Emirate und viele weitere.
Im Klartext bedeutet dies, dass der angepriesenen Beachtung der Menschenrechte im Empfängerland keineswegs Gewicht beigemessen wird. Wenn, wie im Bericht erwähnt, der Verdacht besteht, dass die Rüstungsgüter für interne Repression oder systematische Menschenrechtsverletzungen missbraucht werden, wird eine Genehmigung sogar insbesondere dann erteilt, wenn es sich um strategische Handelsbeziehungen mit den Empfängerstaaten handelt. Bundeskriegsministerin Ursula von der Leyen (CDU) und ihre französische Amtskollegin Florence Parly – die ein sozialdemokratisches Parteibuch besitzt – reisten vor wenigen Wochen nach Niger und trafen sich mit Regierungsvertretern des Regimes. Es wurden Verträge abgeschlossen, nach denen Deutschland und Frankreich die Militarisierung des Landes unterstützen und die Armee des Regimes mit Waffen und Munition beliefern. Das ist auch die wesentliche Ursache für die Flüchtlingsbewegung der Menschen, die in diesen von Deutschland finanzierten Regimes und Bürgerkriegsgebieten verfolgt werden und keine Existenzgrundlage mehr haben. Die Zusammenarbeit mit jenen Diktaturen ist kein Geheimnis. Im Juni 2017 traf sich die Außenbeauftragte der Europäischen Union mit den Außenministern von Mauretanien, Mali, Burkina Faso, Niger und Tschad zur Gründung der sogenannten G5 Sahel Joint Force. Diese, von der Europäischen Union unter deutscher Federführung unterstützte, militärische Eingreiftruppe soll unter Anwendung von Waffengewalt die nördlichen Grenzen jener Länder kontrollieren und Menschen an einer Flucht in Richtung Mittelmeer hindern. Seit 2014 verfolgt die Europäische Union die gleiche Strategie bereits in Ostafrika mit den Regimes von Eritrea, Sudan und Südsudan, Somalia und Äthiopien. Nicht das Mittelmeer, sondern die Sahara soll die neue Außengrenze Europas werden. Militarisierung von diktatorischen Regimes und Finanzierungshilfen für Bürgerkriege zwingen jährlich Millionen Menschen zur lebensgefährlichen Flucht nach Europa. Hierzulande werden sie – wenn sie es überhaupt bis nach Mitteleuropa schaffen – anschließend gegen „einheimische“ Arbeitnehmer als Lohndrücker ausgespielt. Die Profiteure dieses Systems sind ausschließlich die Chefetagen und Vorstände der Banken und Großkonzerne, die durch schlechte Löhne und Arbeitskonditionen die Arbeiterklasse insgesamt auspressen und den Krieg exportieren.
Wir brauchen eine sozialistische Arbeiterpartei
Die politischen Anwälte dieses Herrschafts- und Unterdrückungssystems sind die etablierten Parteien. Die Bundestagsfraktionen von SPD und CDU/CSU unterscheiden sich nicht in ihrer Tagespolitik und die GRÜNEN betteln regelrecht um eine Regierungsbeteiligung. Um den absehbaren Einzug der rechten AfD in den Bundestag abzumildern, setzt das wirtschaftsliberale bürgerliche Milieu auf eine penetrante Wiederbelebung der FDP. Mit großer Wahrscheinlichkeit wird der nächste Bundestag rechte Mehrheiten für neoliberale Angriffe auf den Lebensstandard der lohnabhängigen Bevölkerung finden. DIE LINKE ist die einzige Partei, die im Bundestag bisher für soziale Reformen im Interesse der abhängig Beschäftigten kämpft.
Der sozialdemokratische Parteiflügel um Dietmar Bartsch und Katja Kipping versucht weiterhin, DIE LINKE auf Regierungsbündnisse mit der SPD zu orientieren. Sie wären bereit, die politische Existenzberechtigung der Linkspartei für Regierungsverträge zu opfern. Eine pro-kapitalistische Regierungsbeteiligung der Partei auf Bundesebene ist derzeit allerdings extrem unwahrscheinlich. DIE LINKE darf im aufziehenden Sturm der kommenden Klassenkämpfe aber nicht in vermeintlich sicheres Fahrwasser flüchten, sondern muss einen kämpferischen sozialistischen Kurs einschlagen. Verstaatlichung der großen Banken und Konzerne als erster Schritt hin zur Einführung von bundesweiter Kontrolle und Verwaltung der Betriebe durch demokratisch gewählte Belegschaftskomitees – das wären Maßnahmen einer sozialistischen Arbeiterpartei.
Die lohnabhängige Bevölkerung braucht natürlich eine starke linke Fraktion und eine kraftvolle sozialistische Opposition im Bundestag. Mehr als das braucht sie aber ihre eigene sozialistische Organisierung in den Betrieben und auf der Straße. Deswegen sollten alle kritischen Jugendlichen, abhängig Beschäftigten, Erwerbslosen und RentnerInnen am 24. September 2017 DIE LINKE wählen und sich revolutionär organisieren. Werdet aktiv für DIE LINKE und Linksjugend ['solid], schließt euch der marxistischen Linken um unsere Zeitschrift der funke an und kämpft für ein internationales sozialistisches Programm!
|