Kategorie: DIE LINKE |
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Mit ATTAC die Zukunft erobern? |
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Wir befinden uns im 21. Jahrhundert. Die ganze Welt befindet sich unter der Knechtschaft des Kapitals. Die ganze Welt? Nein, eine kleine Gruppe Unentwegter versucht, erbittert Widerstand zu leisten. Da haben wir unsere Helden Seattlix und Pragix, unterstützt von Madame ATTAC mit ihrer zaubertrankähnlichen Wunderwaffe: der Tobin Tax. | |||
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Achtung Kapitalismus! Die rasante Entwicklung der verschiedenen nationalen ATTAC-Sektionen spiegelt einerseits die momentan immer stärker gewordene Unzufriedenheit breiter Schichten mit der gegenwärtigen Lage wider und drückt andererseits den Wunsch aus, wenn schon nicht selbst über sein Leben bestimmen, wenigstens mitbestimmen zu können. Selbst in den entwickelten Industriestaaten machen sich immer mehr die verheerenden Auswirkungen des Kapitalismus bemerkbar: Während die großen Finanz- und Industriegruppen Rekordgewinne verbuchen, macht man sich an den Abbau von Sozialleistungen, die sozialen Errungenschaften der vergangenen Jahrzehnte werden in Frage gestellt und Unsicherheit verbreitet. Die verschiedenen Initiativen und Publikationen dieser Vereinigung klagen vor allem den Umfang der Finanzspekulationen im internationalen Maßstab an, verurteilen die durch das Verhalten der großen Finanz- und Industriegruppen verursachten zerstörerischen Auswirkungen und untersuchen die Auswirkungen der Globalisierung auf die Nord-Süd-Beziehungen. Kapitalismus in Zahlen
Alle gemeinsam gegen ... was? Das ATTAC-Programm setzt sich im wesentlichen aus vier Hauptforderungen zusammen:
In jüngster Zeit hat sich ATTAC wiederholt gegen die Privatisierung von gesetzlicher Kranken- und Rentenversicherung sowie eine Liberalisierung im Dienstleistungsbereich ausgesprochen. Der Kampf für eine solidarische Gesundheitspolitik wird im Bundestagswahlkampf in den Mittelpunkt einer Kampagne gestellt, die am 14.9 mit einem Aktionstag in Köln abschließt. ATTAC selbst setzt sich aus den unterschiedlichsten Gruppen und Personen zusammen. Die Unterstützer der sogenannten "Zivilgesellschaft" werden von Intellektuellen und dem aufgeklärten Kleinbürgertum repräsentiert. Dieser Teil tendiert in Richtung "Regulierung des Kapitalismus" und spricht sich gegen Globalisierung und Freihandel und für nationalstaatliche Regelungen aus. In einer vom TV-Sender Arte im März 2000 ausgestrahlten Sendung betonten Ignacio Ramonet und Bernard Cassens, der bei der Gründung 1998 zum ATTAC-Vorsitzenden gewählt wurde, daß sie keineswegs die Absicht hätten, dem Kapitalismus zu schaden, sondern, im Gegenteil, versuchten, ihn zu stabilisieren, indem sie gegen den Freihandel kämpften. Bernard Cassens sprach sich für eine stärkere politische Regulierung der Weltökonomie durch die Nationalstaaten aus. Sein Vorbild sei die Periode von 1945-1975, in der mehr oder weniger ohne Klassenkampf die Welt trotzdem für alle in Ordnung war. Bewußt dürfte er die revolutionäre Situation in Frankreich 1968 verdrängt, die verschiedenen Kriege (Vietnam, Algerien) vergessen und die ökonomische Lage, gekennzeichnet durch relativ hohe Wachstums- und Profitraten, übersehen haben. Da Cassens den Sozialismus ablehnt und den Kapitalismus nicht prinzipiell, sondern nur in Form der "Globalisierung" ablehnt, bleibt ihm nicht mehr, als das Rad der Geschichte zurückdrehen zu wollen und zu glauben, daß es möglich sei, die internationale Arbeitsteilung rückgängig zu machen und den Handelsverkehr auf lokale Märkte zu beschränken. Das ist schlicht und einfach eine reaktionäre Utopie (siehe Funke Nr.31). Wenn die Globalisierung soviel Zerstörung hervorbringt, dann nicht, weil die Menschen aller Kontinente die Früchte ihrer Arbeit austauschen, sondern weil dieser Austausch im Interesse der Kapitalisten und nach deren Kriterien geschieht. Die enormen Ressourcen, welche die Entwicklung der Produktion bisher hervorgebracht hat, könnten jegliches Zeichen von menschlichem Elend und Leid auf dieser Welt zum Verschwinden bringen. Aber diese Ressourcen sind heute in den Händen einer immer kleineren Klasse von Eigentümern. Unter diesen Bedingungen wird die Rentabilität des Kapitals zum entscheidenden Element des wirtschaftlichen Handelns. Wie kann man die Zerstörung des brasilianischen Regenwaldes erklären? Warum werden keine Impfstoffe für Afrika hergestellt? Warum all der soziale Rückschritt? Wegen der "Globalisierung" oder weil für den Profit produziert wird? Nachzulesen in: "Das Kommunistische Manifest" von Karl Marx. Innerhalb von ATTAC gibt es aber auch internationalistische Ansätze, die nicht auf die Nationalstaaten und ihre Regierungen setzen, sondern auf die internationale Gewerkschaftsbewegung. Dieser Teil wiederum versucht stärker sozialpolitische Elemente innerhalb von ATTAC zu betonen und gibt sich eher antikapitalistisch. Doch auch hier wird (aus Mangel an Alternativen?!) die Tobin Tax als Wundermittel gegen den Kapitalismus und seine Auswirkungen gesehen. Kleiner Ausflug in die Um die Globalisierung zu verstehen, muß man sich auch ganz allgemein mit wirtschaftlichen Prozessen auseinandersetzen. Für die VertreterInnen von ATTAC und keynesianistisch inspirierte Ökonomen ist der Grund für die gegenwärtige Instabilität des globalen Kapitalismus im Vorhandensein einer gigantischen Finanzspekulation zu suchen. Mit dem Ende des Systems der festen Wechselkurse 1973, welches durch die Vereinbarungen von Bretton Woods 1944 geschaffen wurde, brach die ökonomische Nachkriegsordnung zusammen. Das Ende der festen Wechselkurse wird als der wirtschaftspolitische Sündenfall per se angesehen. Danach konnte das internationale Finanzkapital seine dominante Stellung immer weiter ausbauen. Die praktische Schlußfolgerung aus dieser Analyse ist, das Bestreben die Herrschaft des Finanzkapitals, wenn möglich in Form eines globalen Keynesianismus, einzuschränken, um so zur alten Stabilität zurückzukehren. Was auf den ersten Blick plausibel aussehen mag, macht in Wahrheit den Bock zum Gärtner. Wechselkursstabilität und keynesianistische Wirtschaftspolitik werden als Grund für den Wirtschaftsaufschwung angesehen. Das entspricht aber nicht den Tatsachen - es war die gewaltige Kapitalvernichtung in Form des 2.Weltkrieges, die, so zynisch das klingen mag, dem internationalen Kapital die Möglichkeit bot, die tiefe Krise der Jahrzehnte davor zu überwinden. Dadurch entstand die Möglichkeit, die angeschlagenen Profitraten zu sanieren (die in den 1950er und 1960er Jahren ihren Höhepunkt erreichen sollten), parallel dazu stieg die USA zur neuen, unangefochtenen Weltmacht der kapitalistischen Welt auf. Hohe Profitraten bedeuteten (zumindest für die westlichen Industriestaaten) wirtschaftliche und politische Stabilität und ermöglichten es der Arbeiterklasse, sozialpolitische Zugeständnisse zu machen. Das Problem des Kapitalismus ist aber, daß diese "idyllischen" Zustände nicht ewig andauern. Früher oder später sinken die Profite der UnternehmerInnen - zuviel Kapital und zuwenig Massenkaufkraft ist vorhanden, technische Neuerungen verschlingen immer größere Summen, vernichten Arbeitsplätze und schränken damit wiederum die Ausbeutungsmöglichkeiten der Unternehmer ein. Genau das passierte auch im Nachkriegsaufschwung. Die Profitraten fielen in den 1970er Jahren im Durchschnitt von 20 auf 13%, ehe sie noch weiter sanken. Konkret bedeutet das, daß sich Investitionen in die viel zitierte Realwirtschaft immer weniger lohnen und immer unsicherer werden. Kapital, das nicht in die Produktion investiert wird, muss aber, soll es nicht zum großen Verlustgeschäft werden, irgendwo anders angelegt werden. Womit wir bei den Finanzmärkten wären. Nachdem die Krisenüberwindung mittels Ausdehnung des Kredits und Inflation (sprich Keynesianismus) in die Hosen ging, sollten die Börsen dem internationalen Kapitalismus aus der Krise helfen. Die Nationalstaaten waren in diesem Prozeß keineswegs wie oftmals dargestellt die hilflosen Opfer. In den 1970er Jahren kamen die Regierungen von Großbritannien und den USA gemeinsam mit den wichtigsten Sektoren von Finanz und Industrie zu dem Ergebnis, daß ihren nationalen Interessen am besten gedient ist, wenn sie andere Staaten zur Öffnung ihrer Finanzmärkte zwingen. Das heißt, eine krisenhafte wirtschaftliche Entwicklung zwingt (zumindest im Rahmen des Kapitalismus) zur Liberalisierung der Finanzmärkte. Jüngste und sehr anschauliche Beispiele dafür sind Japan und Südkorea. Wie immer im Kapitalismus ist der Hund in den Produktionsbedingungen begraben und nicht wie vielfach angenommen im Bereich der Zirkulation (wovon die Finanzmärkte ein wichtiger Teil sind). Börsenwahn in Zahlen
Regulierter Kapitalismus durch die Mit dem Namen ATTAC wird stets der Kampf um die Tobin-Steuer verbunden. 1972 schlug der dieses Jahr verstorbene US-Amerikaner James Tobin vor, "ein bißchen Sand in das Räderwerk der Finanzen" zu schütten. Der Vorschlag ist eine niedrige(!) Besteuerung von 0,1 bis 0,5% der Wechselkurstransaktionen einzuführen. Durch diese Besteuerungen soll die rein spekulative Finanzzirkulation zurückgedrängt und das Kapital dazu gezwungen werden, mehr in die reale Produktion zu investieren. Unklarheit herrscht darüber, ob es sich nur um die Wechselkurstransaktionen oder um alle Transaktionen auf den Warenterminmärkten handelt? Außerdem bleiben die Fragen unbeantwortet, wer die Steuer erheben und kontrollieren soll und was mit dem Gewinn gemacht wird? WTO, IWF und Weltbank haben als Wegbereiter für günstige Kapitalverwertungschancen sicher nicht das Interesse, ihrer Klientel zu schaden. Insofern ist die sehr beliebte Forderung nach einer Demokratisierung besagter Organisationen eine reine Utopie. Sie sind Institutionen des Kapitals und sicher nicht der Masse der Lohnabhängigen. Faktisch bedeutet die Tobin Tax eine (kleine) Besteuerung der Gewinne und könnte somit eine Umverteilung des Mehrwertes zugunsten der ArbeitnehmerInnen sein. Viele ATTAC-Gruppen schlagen deshalb vor, die aus der Steuer resultierenden Gewinne für den Bildungs- und Sozialbereich zu verwenden. Doch werden sich die Unternehmer angesichts des deutlichen Kräfteverhältnisses zugunsten ihrer Seite diesen verlorenen Mehrwert auf betrieblicher und nationaler Ebene wieder zurückholen, z.B. durch Verlängerung der Arbeitszeit, Senkung der Lohnnebenkosten usw. Selbst wenn, was unrealistisch genug ist, die Tobin Tax erfolgreich eingeführt wird und wirklich Kapital in die Realwirtschaft fließt, heißt das nur, daß die Profiraten weiter zusammenschmelzen und die Krise des Kapitalismus nur potenziert wird. "Man muss nicht verbergen, daß die Tobinsteuer allein nicht geeignet ist, eine Welt des ökonomischen Krieges in eine Welt der Kooperation und des Friedens zu verwandeln. Isoliert kann sie zu einem Schlag ins Wasser führen, wenn die Kapitalbesitzer die Erschwernisse umgehen, indem sie ihre Transaktionen komplett entterritorialisieren, z.B. durch ausschließlichen Handel im Internet, faktisch die Benutzung der Tauschmärkte abschaffend. Dieses Risiko des 'Umgehens' existiert auch dadurch, dass die Geldpolitik die Besteuerung mit dem Nahen des völlig privaten Geldes noch verzögert (...) Abgesehen davon (...) muss sich die Tobinsteuer um effektiv zu sein, in eine Gesamtheit von Maßnahmen zum Steuern der Zukunft des Planeten einordnen" (Jean Marie Harribey: Die Tobinsteuer gegen den Finanzkapitalismus?). Wir wollen kein größeres Stück vom Kuchen, sondern die ganze Bäckerei! Die Tobin Tax kann sich nicht nur auf Finanztransaktionen beschränken. Es ist nicht einzusehen, warum die Gewinne der Unternehmen nahezu unangetastet bleiben und Steuerschulden legitim sind. Genauso ist es auch unverständlich, daß eine kleine Minderheit über den Mehrwert entscheidet, den die Mehrheit produziert. Der Kampf um die Tobinsteuer muss deshalb auch ein Kampf gegen den Kapitalismus werden. Die Unternehmen, egal ob national oder multinational, handeln nicht aus moralischen Überlegungen heraus, sondern aus der in der Marktwirtschaft inhärenten Konkurrenz und dem Streben nach maximalen Profiten. Appelle und "Überzeugungsarbeiten" in ihre Richtung werden genauso schnell verschwinden wie die unterzeichnete Shell-Menschenrechtscharta in den nigerianischen Ölfeldern. Dies trifft auch für die Entschuldungskampagne für die "Dritte-Welt"-Länder zu. Die meisten Gläubiger sind private Banken und diese wiederum werden nicht aus einem Anflug von Humanität heraus die gewaltigen Schuldenberge erlassen. "Eine andere Welt ist möglich", so ATTAC. Die wohl wichtigste Frage innerhalb der ATTAC-Bewegung ist sicher, wie wir dieses Ziel erreichen können. Der Erfolg von ATTAC liegt nicht zuletzt in der Mitarbeit von vielen GewerkschafterInnen, die von der Politik ihrer Organisationen frustriert sind und sich alleine gelassen im betrieblichen Klassenkampf zurückziehen. Genau da liegt aber der Hund begraben. Ohne Druck von seiten der ArbeitnehmerInnen wird das Kapital nicht in die Knie gezwungen werden können und jede Reform wird eine Reform gegen die ArbeitnehmerInnen sein. Und genau deshalb werden sich die Mitglieder von ATTAC entscheiden müssen. Wollen sie weiterhin mit moralischen Appellen dem Kapital entgegentreten und gleichzeitig die Marktwirtschaft unterstützen, oder aber stützen sie sich auf eine marxistische Analyse, sagen dem Kapitalismus den Kampf an und orientieren sich auf die Arbeiterklasse und ihre Organisationen, wie die Gewerkschaften, die aus den Betrieben heraus den Weg zur Veränderung antreten können. Ein positives Beispiel hierfür ist der Aktionstag "Her mit dem schönen Leben" am 14. September in Köln, der zusammen mit der Gewerkschaftsjungend organisiert wird. Elisabeth Mandl, Christoph Mürdter |