Kategorie: DIE LINKE |
|||
DIE LINKE im Superwahljahr 2009: Was machen SozialistInnen im Parlament? |
|||
|
|||
In diesem Sommer stehen uns binnen weniger Wochen so viele Wahlen ins Haus wie kaum jemals zuvor: Bundestagswahl, Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen, Saarland und Thüringen (Schleswig Holstein?) sowie Kommunalwahlen in acht Bundesländern. DIE LINKE macht sich dabei nicht nur Hoffnung auf viele neue Mandate auf allen Ebenen, sondern will in mehreren Bundesländern auch gerne mitregieren. | |||
|
|||
Die Wahlen werden von der tiefsten Wirtschaftskrise seit 80 Jahren überschattet, die sich auf alle Lebens- und Politikbereiche auswirkt. Linke Parlamentarier haben in dieser Situation eine große Verantwortung. Sie können und müssen ihre Positionen vor allem dazu nutzen, um von der Tribüne des Parlaments aus eine konsequente antikapitalistische Alternative zu vertreten und mit Zahlen, Tatsachen und Argumenten Überzeugungsarbeit leisten. So wird die Partei gestärkt. So tragen wir auch dazu bei, dass sich die arbeitende Bevölkerung selbstbewusst dagegen stellt, dass sie die Krisenfolgen bezahlen soll. Neutralität des Staates? Dabei dürfen wir nicht vergessen: Die wirkliche Macht im Lande liegt nicht im Parlament und nicht einmal bei der Regierung. Die wahren Machtzentren sind in den Chefetagen der Großkonzerne, Banken und Versicherungen angesiedelt. Über persönliche Loyalitäten und Einflussnahme auf die Entscheidungsträger in Parlament, Regierung und Beamtenapparat, über ein Heer von Beratern und Stimmungsmachern in Medien und allerlei Druckmittel sichern sie in aller Regel ihre Interessen. Dies beschreibt auch Albrecht Müller treffend in dem Buch „Reformlüge“. Eine starke LINKE im Bundestag und in den Landes- und Kommunalparlamenten muss diese Machenschaften aufdecken und für die Masse der Bevölkerung sichtbar machen. Diese Aufklärung kann dazu beitragen, dass die arbeitende Bevölkerung Illusionen in die „Neutralität“ des Staates im Kapitalismus verliert und die Notwendigkeit erkennt, ihre Zukunft nicht an eine abgehobene Politiker- und Beamtenkaste zu delegieren, sondern selbst in die Hand zu nehmen (Siehe auch Georg Fülbert/Michael Krätke, Neun Fragen zum Kapitalismus). Konservative Politiker und sogenannte „Verfassungsschützer“ behaupten hartnäckig, das Ziel einer nichtkapitalistischen, sozialistisch-demokratischen Gesellschaft verstoße gegen die Grundsätze der „freiheitlich-demokratischen Grundordnung“ und sei daher „verfassungsfeindlich“. Landes- und Bundesämter für Verfassungschutz rechtfertigen damit die fortgesetzte Überwachung von Mitgliedern der Partei DIE LINKE. Der 2008 verstorbene linkssozialistische Politiker Peter von Oertzen vertrat allerdings die Ansicht, dass die im Grundgesetz verankerte freiheitlich-demokratische Grundordnung grundsätzlich mit einer sozialistischen Rätedemokratie vereinbar sein muss. Er kam zu dem (erstaunlichen?) Ergebnis, dass das Grundgesetz der Bundesrepublik der Einführung eines Rätesystems prinzipiell nicht im Wege steht: „Der Grundsatz der Selbstbestimmung des Volkes nach dem Willen der Mehrheit wäre im Rätesystem der Natur der Sache nach eher in höherem Grade realisiert als im Repräsentativsystem“. Und: „Im Rätesystem würden durch die Verlagerung der staatlichen Gewaltausübung nach unten, durch die damit verbundene Dezentralisierung und durch die verstärkte Kontrolle der staatlichen Organe durch die Bürger selbst Elemente der Gewaltenhemmung neu eingeführt werden, die die repräsentative Verfassung überhaupt nicht kennt.“ In Artikel 20 des Grundgesetzes heißt es:
„Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel können zum Zwecke der Vergesellschaftung durch ein Gesetz, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt, in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft überführt werden. Für die Entschädigung gilt Artikel 14 Abs. 3 Satz 3 und 4 entsprechend.“ Dazu Peter von Oertzen: „Das Verhältnis von sozialistischer Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung und freiheitlicher Demokratie ist weniger problematisch. Zwar kann man mit Recht bezweifeln, ob der vollständige Sozialismus, d.h. Vergesellschaftung aller Produktionsmittel und Planwirtschaft, im Rahmen des Grundgesetzes – etwa unter Berufung auf Art. 15 – durch einfache Gesetze verwirklicht werden könnte. Aber vermittels einer Verfassungsänderung wäre es unzweifelhaft möglich.“ Aufgaben der linken Parlamentarier Welche Aufgaben haben nun linke sozialistische Parlamentarier? Die Abgeordneten der LINKEN dürfen nicht der Illusion des „noch kleineren Übels“ aufsitzen – der Vorstellung nämlich, dass DIE LINKE nur durch Absprachen und Deals mit den regierenden Parteien Verbesserungen für die Menschen erreichen könne. Eine solche Überschätzung des Parlamentarismus verkennt, dass gesellschaftliche Veränderungen gegen den Willen der Herrschenden nur durch massiven Druck von unten erreicht werden können. DIE LINKE muss sich in allen Parlamenten und Kommunalparlamenten auf der Seite der arbeitenden Bevölkerung engagieren; sie darf auch hier keine Stellvertreterpolitik machen. Treibende Kraft Die Abgeordneten der LINKEN sind die Erben der Rätebewegung, wie sie nach dem 1. Weltkrieg bestand und im Ansatz einer höhere Form der Massenbeteiligung an politischen Entscheidungen darstellte als ein parlamentarisches System, in dem nur alle 4 oder 5 Jahre einige wenige „Stellvertreter“ gewählt werden. Sie sollten sich den WählerInnen und ehrenamtlichen Parteigremien verpflichtet fühlen. Der „Druck von unten“ muss in die Parlamente getragen werden, die MandatsträgerInnen der LINKEN müssen sich stark machen für Volksabstimmungen und Volksentscheide. Die linken Parlamentarier müssen die Bevölkerung über die Politik der Herrschenden und die gesellschaftlichen Missstände aufklären und aktiv im Parlament sowie auf der Straße gegen Privatisierungen vorgehen. Sie müssen außerhalb und innerhalb des Parlaments Alternativen zum Sozialabbau aufzeigen. Sie müssen die anderen Parteien mit weitergehenden Forderungen vor sich hertreiben. Besteht eine linke Parlamentsmehrheit, dann sollte diese der Regierung eine „Generalvollmacht“ zur Verstaatlichung von Banken, Versicherungen und Großkonzernen ausstellen. Anders als jüngst im Falle der Hypo Real Estate und der Commerzbank allerdings mit Mobilisierung von unten und unter demokratischer Arbeiterkontrolle und -verwaltung: Die Aufsichtsräte sollten jeweils zu einem Drittel aus VertreterInnen von Belegschaft, Gewerkschaften sowie von Bund, der Ländern und Kommunen zusammengesetzt und ihre Arbeit transparent sein. Keine Privilegien! Die Mitglieder der Fraktionen in den Parlamenten müssen sich von der Partei führen lassen, damit sie nicht an Parteitagsbeschlüssen und Parteiprogrammen vorbei Politik machen und sich abheben und verselbstständigen. Sie müssen jederzeit Rechenschaft über ihre Tätigkeit ablegen können. Parlamentarier der LINKEN in Land, Bund und Europa sind aufgefordert, Einkünfte, die über ein Vergleichseinkommen von 3500,- brutto hinausgehen, an die Partei bzw. Solidaritätsprojekte komplett abzuführen. So hat es der Landesparteitag der hessischen LINKEN bereits im August 2007 beschlossen und so soll es auch bundesweit sein. Bei der Sozialistischen Partei (SP) in den Niederlanden ist es zudem Praxis, dass alle für sie hauptberuflich Tätigen, vom Abgeordneten bis zur Schreibkraft, einen Einheitslohn erhalten. Dies hat zwei Vorzüge:
Wenn die LINKE künftig noch stärker wird und mehr Einfluss hat, ist Wachsamkeit geboten. Denn die herrschende Klasse wird ihre Privilegien nicht freiwillig abgeben, geschweige denn einen Weg hin zu einer sozialistischen Demokratie, wie ihn auch Peter von Oertzen beschreibt, hinnehmen. Zu dieser Frage schrieb Rosa Luxemburg im Dezember 1918 in ihrem Artikel „Nationalversammlung oder Räteregierung?“: „Ein idyllischer Plan dies: auf parlamentarischem Wege, durch einfachen Mehrheitsbeschluss den Sozialismus zu verwirklichen! Schade, dass diese himmelblaue Phantasie aus dem Wolkenkuckucksheim nicht einmal mit der geschichtlichen Erfahrung der bürgerlichen Revolution, geschweige mit der Eigenart der proletarischen Revolution rechnet. (...) Nicht umsonst hat August Bebel zum Schluss seiner berühmten Rede auf dem Dresdner Parteitag 1903 gerufen: ´Ich bin und bleibe ein Todfeind der bürgerlichen Gesellschaft!‘ Es ist der letzte große Kampf, in dem es sich um Sein oder Nichtsein der Ausbeutung, um eine Wende der Menschheitsgeschichte handelt, ein Kampf, in dem es keine Ausflucht, kein Kompromiss, keine Gnade geben kann.“ Mit welchen Widerstand die Arbeiterklasse zu rechnen hat, wenn sie es diesen Kampf aufnimmt. beschreibt auch Karl Kautsky in „Demokratie oder Diktatur“: „Kein Zweifel, wo das Proletariat in einem demokratischen Staat an Macht zunimmt, muss man mit Versuchen der herrschenden Klassen rechnen, durch Gewaltmittel die Ausnutzung der Demokratie durch die aufstrebende Klasse zu vereiteln.“ Zu guter Letzt möchte ich noch Ted Grant und Alan Woods zitieren: „ (…) Wir haben oft genug gesagt, dass eine friedliche Veränderung der Gesellschaft absolut möglich wäre, wenn die Führer der reformistischen Parteien und der Gewerkschaften bereit wären, die kolossale Macht in ihren Händen zu nutzen, um die Gesellschaft zu verändern. Das ist alles, was wir in dieser Frage gesagt haben. Und dazu haben wir immer hinzugefügt: Wenn Arbeiterführer dies nicht tun, dann können Flüsse an Blut vergossen werden und läge die Verantwortung gänzlich bei den reformistischen Führern. Es ist eine Tatsache, dass die Arbeiter vielfach in den letzten sieben Jahrzehnten in Frankreich, Italien, Spanien, Großbritannien und Deutschland die Macht übernehmen hätten können, falls es eine revolutionäre Partei gegeben hätte, die fähig gewesen wäre, diese Aufgaben zu erfüllen. Viele revolutionäre Gelegenheiten gingen durch den Verrat des Reformismus und des Stalinismus verloren. Die Arbeiterklasse musste dafür meist mit ihrem Blut für die Verbrechen ihrer Führung bezahlen. Es hängt alles vom nationalen und internationalen Kräfteverhältnis zwischen den Klassen ab und vor allem von der Fähigkeit, die entscheidenden Sektoren der Arbeiterklasse für das Programm des Marxismus zu gewinnen. (…) Es kommt also immer wieder auf geduldige Überzeugungsarbeit an, damit die Arbeiterklasse für ein marxistisches Programm gewonnen werden kann und dieses auch bereit ist gegen die Reaktion zu verteidigen.“ |