Kategorie: DIE LINKE |
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Konservative Aufregung um bevorstehende soziale Unruhen |
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Wenige Tage vor der Bundestagswahl haben sich die hessischen Regierungsparteien CDU und FDP im Wiesbadener Landtag um die Neuauflage einer „Rote-Socken-Kampagne“ bemüht und damit einen heftigen Schlagabtausch im Plenum ausgelöst. Zielscheibe der Koalitionäre war die Spitzenkandidatin auf der Landesliste der hessischen LINKEN für die Bundestagswahl und bisherige Attac-Bundesgeschäftsführerin Sabine Leidig (siehe Foto). | |||
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Stein des Anstoßes bildeten aktuelle Äußerungen Leidigs in einem HR-Rundfunkinterview. Auf die Frage, welche Art von sozialer Unruhe sie sich wünsche, hatte die Kandidatin geantwortet: „Also ich wünsche mir soziale Unruhe, die so aussieht, dass die Leute die Verhältnisse in Frage stellen, wie sie heute sind. Und ich bin ziemlich sicher, dass das kommen wird, wenn die Bundestagswahl vorbei ist.“ Sie wünsche sich „auf jeden Fall, dass die Leute in Bewegung kommen“, so Leidig, wobei man sich „soziale Unruhe nicht als Straßenkampf vorstellen“ müsse. Soziale Unruhen könnten auch in Diskussionen auf den Betriebsversammlungen darüber zum Ausdruck kommen, „was eigentlich eine gute Betriebsführung ist, was man sich da eigentlich wünscht“. Schließlich sei „auch eine „öffentliche Auseinandersetzung“ über die Rolle der Banken „eine Form, die sich eigentlich alle Demokraten nur wünschen können“. Diese Äußerungen Leidigs hatten CDU und FDP zur Beantragung einer „Aktuellen Stunde“ über die „demokratiefeindlichen Aussagen“ der „sozialen Brandstifter der Linkspartei“ veranlasst. Mit Leidigs Äußerungen hätten „die Neo-Kommunisten die Maske fallengelassen und ihre hässliche Fratze gezeigt“, so der hessische CDU-Generalsekretär Peter Beuth. CDU-Fraktionschef Christean Wagner kritisierte eine zunehmende Bereitschaft von SPD und Grünen zur Kooperation mit den „Neokommunisten“ in den Ländern. Eine Zusammenarbeit mit denen, die „das Erbe von Honecker“ angetreten hätten und „eindeutig verfassungsfeindliche“ Ziele verfolgten, unterhöhle die Demokratie. Der FDP-Abgeordnete Wolfgang Greilich forderte als Konsequenz aus den Äußerungen der „bekennenden Linksradikalen und Altkommunistin“ Leidig eine verstärkte Überwachung der Linkspartei durch den Verfassungsschutz, da diese „das parlamentarische System abschaffen“ wolle und „die Systemfrage stelle“. Damit fand er auch bei Innenminister Volker Bouffier Zustimmung. Leidigs Aufruf zum Klassenkampf und Straßenkampf sei „kein Ausrutscher“, so der Liberale. Die Grünen-Abgeordnete Cordula Schulz-Asche empörte sich über ein Zitat des FDP-Vorsitzenden Guido Westerwelle, der nach Medienberichten gesagt hatte: „Deutsche – befreit Euch von dieser Regierung!“ „Soziale Unruhen kann auch die LINKE nicht herbeireden“, gab der SPD-Mann Ernst-Ewald Roth zu bedenken. Die Politik habe es in der Hand, den Menschen durch mehr soziale Gerechtigkeit „den Glauben an die Demokratie zurückzugeben“ und Unruhen zu vermeiden. „Schuld an der Unruhe in Betrieben sind die Parteien, die den Niedriglohnsektor eingeführt und die Gewerkschaften geschwächt haben, antwortete der LINKEN-Abgeordnete Ulrich Wilken auf den „Griff in die Mottenkiste des Kalten Krieges“ durch CDU und FDP: „Sie beleidigen alle aktiven Menschen, die für mehr soziale Gerechtigkeit und den Frieden streiten.“ Die FDP müsse sich entscheiden, ob sie wirklich den „deutschen Haider spielen" wolle. Die LINKE werde allen Versuchen zur Einschränkung von Freiheitsrechten entschieden entgegen treten. „Es sind die gesellschaftlichen Zustände, die sozialen Protest erzeugen“, gab auch der Bundestagsabgeordnete Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE.) auf Anfrage zu bedenken. Wollten CDU und FDP wirklich soziale Unruhe vermeiden, so müssten Managergehälter begrenzt, Massenentlassungen untersagt und soziale Sicherungssysteme nicht weiter in Frage gestellt werden. Lange Tradition in Hessen Die hessische CDU hatte in den beiden zurückliegenden Landtagswahlkämpfen Anfang 2008 und Anfang 2009 mit einer gezielten Kampagne und „Enthüllungen“ über „Altkader“ erfolglos versucht, den Einzug der „Kommunisten“ in den Landtag zu verhindern. „Freiheit oder Sozialismus“ hatte die FDP auf Großplakaten suggeriert. Bei der vorgezogenen Landtagsneuwahl im Januar 2009 hatte sich die Linksfraktion mit 5,4 Prozent allerdings behauptet. Mit dem Trommelfeuer gegen Leidig möchte die Hessen-CDU offenbar auch verdrängen, dass ihr Landeschef und Ministerpräsident Roland Koch im Herbst 2000 selbst vergeblich versucht hatte, mit einer Unterschriftenkampagne gegen die von SPD und Grünen eingeführte Ökosteuer soziale Unruhe und eine außerparlamentarische Massenbewegung anzufachen. Koch hatte damals vor Medienvertretern in der Wiesbadener Fußgängerzone publikumswirksam unterschrieben und wenig später fluchtartig den Platz verlassen, nachdem ihn die jugendlichen Teilnehmer einer Demonstration gegen Bildungsabbau umringt, ausgebuht und als „Lügner“ bezeichnet hatten. Auch wenn jeder Vergleich hinkt, so erinnert die demonstrative, lautstarke Empörung von CDU und FDP über die "Neokommunistin" und "Linksradikale" Sabine Leidig an den Prozess gegen Rosa Luxemburg vor der 2. Strafkammer des Landesgerichts Frankfurt im Februar 1914. Sie stand vor Gericht, weil sie in Versammlungen in Frankfurter Stadtteilen zum Kampf gegen die drohende Kriegsgefahr aufgerufen und die Arbeiter aufgefordert hatte, im Falle eines Krieges nicht auf ihre Klassenbrüder in Frankreich und in anderen Ländern zu schießen. Dafür zog sie sich den Hass der Konservativen und Kapitalisten zu und wurde zu einem Jahr Gefängnis verurteilt. Vergessen wir auch nicht, wie die Bürgerlichen und ihre Medien vor einem Jahr die damalige hessische SPD-Landesvorsitzende Andrea Ypsilanti bekämpften, weil sie ernsthaft plante, den Favoriten des Kapitals, Roland Koch, als Ministerpräsidenten zu stürzen, und weil sie einige Programmpunkte umsetzen wollte, die dem Kapital absolut nicht passten. Dafür fanden sich auch bereitwillig Komplizen im rechten SPD-Flügel in Hessen und im Bund. Machen wir uns nichts vor: Die Herrschenden und ihre ideologischen Helfershelfer werden alles daran setzen, jeden sozialen Fortschritt zu bremsen und zu vereiteln. Sie werden mit aller Macht ihren Besitz und ihre Privilegien verteidigen. Wir müssen darauf gefasst sein, dass letztlich die Krise des Kapitalismus (und nicht die Appelle und Überzeugungskünste seiner Kritiker) zu massenhafter sozialer Unruhe führen wird, vielleicht schneller als es viele denken. Die darin frei werdenden Energien dürfen aber nicht sinnlos verpuffen, sondern müssen gebündelt und konzentriert werden. Nur so können wir den Widerstand der Herrschenden überwinden und eine wirklich demokratische, sozialistische Gesellschaft aufbauen. |