VW gilt nach Meinung vieler Menschen immer noch als Staatsunternehmen. So ist es allerdings schon lange nicht mehr. Ludwig Erhard, als angeblicher „Vater des deutschen Wirtschaftswunders“ verklärter ordoliberaler Wirtschaftsminister, leitete 1960 die Privatisierung von VW ein. Damals wurden VW-„Volksaktien“ im Wert von 360 Millionen DM veräußert. Bis zum heutigen Tag behielt nur das Land Niedersachsen eine durch das VW-Gesetz abgesicherte Sperrminorität von 20% am VW-Aktienpaket.
Wem gehört nun eigentlich VW?
Der stimmberechtigte Aktienanteil an der Volkswagen AG verteilt sich wie folgt: Porsche SE 52,20%, Land Niedersachsen 20,2 %, Emirat Katar 17% und Streubesitz 12,3%. Das Sagen bei der VW AG hat die Porsche SE. Alle stimmberechtigten Stammaktien der Porsche SE gehören den Familien Porsche und Piëch, den eigentlichen Machthabern im Hause Porsche und damit auch bei Volkswagen. Damit ist Volkswagen fest in der Hand eines zerstrittenen Familienclans von Kapitalisten in der dritten Generation.
Für die deutsche Autoindustrie ist dies nichts Ungewöhnliches. Die Familie Quandt besitzt 47% des BMW-Konzerns. Weltweit sind 90% der Industrieunternehmen fest in der Hand von Familien. Was die beiden Familien zusammengerafft haben, ist nicht von Pappe. Dies zeigt sich am weltweiten VW-Umsatz im Jahr 2014 in Höhe von 202,5 Milliarden Euro. Diesen Umsatz haben 592.586 Beschäftigte erarbeitet. Inzwischen gehören Audi, Škoda, SEAT, Bentley, Lamborghini, Bugatti, Volkswagen, Scania (Lkw und Busse), MAN (Lkw und Busse), Ducati (Motorräder) und Porsche zur VW AG.
Wo liegt das Problem?
Chaos und Schrecken brachen bei VW am 18. September 2015 aus. Damals teilte die US-Umweltbehörde EPA mit, Volkswagen habe eine spezielle Software eingesetzt, um die Messung des Schadstoffausstoßes bei Abgastests zu manipulieren. Durch die Enthüllungen wurden zunächst Stickoxide (NOx) bei Dieselmotoren und später auch das Treibhausgas CO2 bei Benzinern ins Gerede gebracht. Fast restlos können die Stickoxide aus Benzinmotoren mittels Drei-Wege-Katalysatoren in unschädlichen Sauerstoff (O2) und Stickstoff (N2) umgewandelt werden. Wegen des hohen Rußanteils ist diese Katalyse-Methode für Dieselmotoren ungeeignet. Der Abbau von NOx gelingt über eine Reaktion des schädlichen Gases mit Ammoniak (NH3). Realisiert wird dies durch die Einspritzung einer wässrigen Harnstofflösung in den Abgasstrom von Dieselmotoren.
Für NOx und CO2 in PKW-Abgasen gibt es EU-weite Grenzwerte. Für das Treibhausgas CO2, das zu 76% für die die vom Menschen gemachte Erderwärmung verantwortlich gemacht wird, gilt zurzeit ein Flotten-Durchschnittswert (Mittelwert aller verkauften Fahrzeuge eines Herstellers) von maximal 130 Gramm/km in Europa. Ab 2021 sind dann nur noch 95 g/km erlaubt. In den USA liegen die Grenzwerte geringfügig höher. Die Einhaltung der für die Umwelt und die Gesundheit der Menschen erforderlichen Grenzwerte ist eine große Herausforderung für die weltweite Autoindustrie und steht im Widerspruch zur Profitgier der Eigentümer.
Die regierenden Politiker der europäischen Autobaunationen, insbesondere Deutschland, Frankreich, Italien, Tschechien und Spanien versuchen seit langem die Umweltpolitik der EU zugunsten der Autohersteller bis zur Unkenntlichkeit zu sabotieren. Hier wird geschmiert und getrickst, wo es nur geht. Die vorgeschriebenen Prüfverfahren entsprechen nicht mehr auch nur annähernd dem realen Fahrbetrieb. Grenzwerte können in Europa durch schwammige Regelungen bis um ein Vielfaches überschritten werden. Kanzlerin Angela Merkel blockierte höchstpersönlich noch schärfere CO2-Regeln für Autos. Das liegt ganz im Interesse der deutschen Oberklasse-Hersteller. Auffällig ist die Nähe der Autolobby zur CDU/CSU.
Was sagen uns die Enthüllungen?
Nicht nur aus Gründen der Werbung für Elektroautos, die fast nur mit Strom aus fossilbetriebenen Kraftwerken betrieben werden, äußerte sich Elon Musk vom Elektroautobauer Tesla zum VW-Skandal: „Wir haben die physikalischen Limits erreicht, es ist kaum noch Raum für Verbesserungen. Die VW-Ingenieure dürften unter massivem Druck gestanden haben und sind an die Grenze von dem gestoßen, was möglich ist. Tricksen war wohl die einzige Option“. Damit trifft Musk den Nagel auf den Kopf. Wer eine saubere Umwelt und nachhaltig wirtschaften will, muss auf Wachstum in der Autobranche fast verzichten oder am besten den privaten Autoverkehr weitgehend abschaffen.
Zur Erhaltung der Profitrate ließen sich die Software-Ingenieure von VW etwas Nettes einfallen und rüsteten erst alle Dieselfahrzeuge in der 2-Liter-Klasse ab Modellreihe 2009 damit aus. Dem Vernehmen nach wurde eine Veränderung im „Auxiliary Emissions Control Device“ (AECD) vorgenommen, das für die Optimierung der Abgaswerte im Betriebsprogramm der VW-Bordcomputer verantwortlich ist. Die Fahrzeugmotoren werden einfach bei den in Europa üblichen laschen Prüfstandtests in einen sparsamen Schlafmodus versetzt, ohne dass es der Prüfer oder Autobesitzer merkt. Mit der üblichen, nach oben fast offenen Auslegung der Grenzwerte in Europa fiel diese Manipulation nur schwer auf. Betroffen sind nun ca. 11 Millionen Dieselfahrzeuge, der größte Teil davon in Europa. Dank einiger „Whistleblower“ erfuhr die Öffentlichkeit, dass auch bei Benzinern der Spritverbrauch um 25% und der CO2-Ausstoß um bis zu 500 % geschönt wurden.
Zum VW-Skandal erklärte die Bundestagsabgeordnete Sabine Leidig (LINKE): „Was in den Chefetagen der Automobilindustrie organisiert wurde, ist gewerbsmäßiger Betrug“. In der Tat: Die VW-Manager kämpfen nicht nur mit Mafiamethoden um die Erhaltung ihrer Profitrate und versuchen die Konkurrenz auszustechen, sondern sie führen auch noch einen nicht zu gewinnenden Krieg gegen die Naturgesetze. Um die geforderten umweltverträglichen Abgaswerte dauerhaft zu unterschreiten, muss überproportional viel Energie für die Reinigung der Abgase aufgebracht werden. Ein solcher Reinigungsprozess der Autoabgase wäre einfach nicht bezahlbar.
Globale Erwärmung und Klimakatastrophe
Für die globale Erwärmung ist der Gesamtausstoß an CO2 verantwortlich. Dabei sind die Autoabgase in einem sehr hohen Maße beteiligt. Dies haben weltweit alle Verantwortlichen der Autoindustrie ignoriert. Man hätte schon seit 20 Jahren spritsparende Autos mit geringem CO2-und NOx-Ausstoß bauen können, wenn man gewollt hätte. 1996 wurde in Luzern ein mit Greenpeace-Geldern geplanter und gebauter Prototyp eines Renault Twingo vorgestellt, der nur die Hälfte an Benzin verbraucht und entsprechend weniger Schadstoffe ausstößt. Doch die Autofirmen verkaufen weiter Fahrzeuge mit aufwendigem Firlefanz und hohem Verbrauch. Gerade beim möglichst hohen Spritverbrauch kann sich ein Autokonzern wie VW, der zu 17% dem Öl-Staat Katar gehört, keine Zugeständnisse leisten.
Angesichts des Widerspruchs zwischen einem auf Profit ausgerichteten kapitalistischen Wirtschaftssystem und dem Umweltschutz fanden die VW-Manager nur einen Ausweg: den Betrug an Mensch und Umwelt. Damit bewiesen sie, dass niemand unter den kapitalistischen Führungskräften und schon gar nicht die deutsche „Umweltkanzlerin“ an eine ernsthafte globale Reduzierung der Treibhausgase glaubt oder dafür etwas zu tun versucht. Schlimm können die Folgen für die ArbeiterInnen des VW-Konzerns und der Zulieferer werden. Mitte Dezember 2015 wurde die Entlassung von 600 Leiharbeitern im VW-Werk Zwickau (Sachsen) angekündigt.
Was nun?
Umweltschonende, nachhaltige Industrieproduktion und Kapitalismus sind wie Feuer und Wasser. Beides kann nebeneinander nicht existieren. Alle Maßnahmen zur Wiedergutmachung des Schadens und die anfallenden Strafen werden für den VW-Konzern richtig teuer. Die Manager werden die Kosten auf die Beschäftigten abzuwälzen versuchen. Zur Aufarbeitung fordert die Bundestagsabgeordnete Sabine Leidig (LINKE) eine unabhängige Untersuchungskommission aus Experten von Umwelt- und Verbraucherorganisationen und gemeinnützigen Einrichtungen. Sie solle bei allen in Deutschland produzierenden Autoherstellern, beim Automobilverband VDA und bei Autozulieferern wie Bosch zu den Manipulationen an Fahrzeugmotoren ermitteln, und sie müsse dabei umfassend mit der Staatsanwaltschaft zusammenarbeiten. Ziel ist eine unabhängige Überprüfung der tatsächlichen Abgas- und Verbrauchswerte, die für alle Pkws repräsentativ durchgeführt werden.
Das VW-Chaos und die Anarchie in der Umweltpolitik zeigen darüber hinaus, wie die kapitalistische Wirtschaftsweise uns Menschen und dem Planeten Erde schadet. Karl Marx und Friedrich Engels haben schon vor über 150 Jahren auf die Zerstörung der Umwelt durch die kapitalistische Produktionsweise hingewiesen. Die Planung, die es auch im Kapitalismus gibt, hat eine entscheidende Beschränkung: Jeder Betrieb, jeder Konzern plant nur für sich, will seinen Profit erhöhen und plant über den Bedarf hinaus. Es kommt zu Überproduktionskrisen. Überkapazitäten müssen genauso wie die Überproduktion abgebaut und vernichtet werden. Dies ist Verschwendung von Arbeitskraft, Energie, Rohstoffen und letztlich extrem umweltbelastend.
Für die gesamte Industrieproduktion darf nicht mehr die Frage sein: „Was bringt Profit?“, sondern „Was ist sinnvoll? Was brauchen wir? Welche Prioritäten sollen wir setzen?“ Ziel der Produktion wäre es, die Umwelt zu schonen und die Arbeitszeit radikal zu senken, ohne dass irgendjemand hungern müsste. Gesellschaftlich unnötige Produktion und Tätigkeiten würden gestoppt, an oberster Stelle die Rüstungsindustrie, aber auch zum Beispiel die Werbebranche. Beispiel Verkehr: Die Entscheidung, das Verkehrssystem auf Bahnen und Busse umzustellen und die entsprechende Planung der Produktion würden zentral stattfinden, aber die EinwohnerInnen der jeweiligen Stadt würden entscheiden, wo es Sinn macht, alte Straßenbahntrassen wiederherzustellen und neue zu bauen oder doch lieber Elektrobusse einzusetzen.
Dazu müssen wir aber Wirtschaft und Gesellschaft revolutionär umbauen. Die Großkonzerne müssen den profitgierigen Aktionären und Managern aus der Hand genommen, in öffentliches Eigentum überführt und demokratischer Kontrolle durch die Beschäftigten, Umweltverbände und eine breitere Allgemeinheit unterstellt werden.
Die Belegschaften der Automobilkonzerne haben genug Fachwissen und Erfahrung, um das Verkehrswesen auch ganz ohne ohne spritfressende und umweltschädliche Verbrennungsmaschinen endlich auf ökologische, soziale und gesunde Beine zu stellen.
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