Kategorie: Solidarität |
|||
Friseur Klier will Hamburger Betriebsräte rauswerfen |
|||
|
|||
Interview mit dem Hamburger ver.di-Gewerkschaftssektretär André Kretschmar über den aktuellen Stand des arbeitsrechtlichen Konflikts zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat bei der Friseurkette Klier. Dort droht sechs Friseurinnen, die ihre Betriebsratstätigkeit ehrenamtlich verrichten, jetzt die fristlose Kündigung durch die Geschäftsleitung. |
|||
|
|||
Klier ist mit ungefähr 9000 Beschäftigten und 1200 Filialen eine der größten Friseurketten Europas. Trotz dieser Größe konnten die Beschäftigten in ganz Deutschland bisher nur einen Betriebsrat erkämpfen und jahrelang verteidigen. Dieser vertritt 110 Beschäftigte in 17 Salons in Hamburg und Schleswig-Holstein. Die sechs Friseurinnen wollen die drohende Kündigung abwenden. Im Juni verhandelte dazu das Arbeitsgericht. André Kretschmar: Die Lage ist die: Klier möchte alle Betriebsräte kündigen und wirft ihnen Arbeitszeitbetrug vor. Nach dem Betriebsverfassungsgesetz benötigt der Arbeitgeber für Kündigungen jedoch die Zustimmung des Betriebsrats. Der Betriebsrat hat das natürlich verweigert. Diese fehlende Zustimmung will Klier sich jetzt durch einen Beschluss des Arbeitsgerichts ersetzen lassen. Das Arbeitsgericht prüft nun, ob es dem Kündigungsbegehren zustimmt. Diese Entscheidung wurde vom Gericht erstmal vertagt. Es ist also noch keine Entscheidung gefallen. Aber vielleicht nochmal zurück zu dem, was vorher passiert ist. Klier wirft den Kolleginnen den Arbeitszeitbetrug nur während ihrer Tätigkeit als Betriebsrat vor. Der Betriebsrat hat einmal pro Woche eine Sitzung hier im Besenbinderhof, dem Hamburger Gewerkschaftshaus. Dafür haben sich die Friseurinnen jeweils acht bis neun Stunden als Arbeitszeit aufgeschrieben. Klier hat nun angefangen, Bahnfahrkarten und Parktickets auszuwerten und dabei festgestellt, dass die Kolleginnen nicht die ganze Zeit vor Ort waren, sondern nur sechs oder sieben Stunden. Dagegen argumentiert der Betriebsrat, dass Vor- und Nachbereitungszeit auch in die Arbeitsstunden fallen. Außerdem würden auch zwischen den Sitzungen Arbeiten für den Betriebsrat anfallen. Zudem würden sie das schon seit sieben Jahren so machen und das Unternehmen hat sich daran nicht gestört. Arbeitszeitbetrug ist ja ein Vorwurf, der oft benutzt wird, um lästige Angestellte loszuwerden, die ihre Arbeitsrechte verteidigen. Könnte es sein, dass Klier die Kolleginnen loswerden will, weil sie einen Gesamtbetriebsrat gründen wollen? Dieser Verdacht liegt auf jeden Fall nah. Mit Hilfe der hartnäckigen Hamburger Kolleginnen wurden ja auch bereits in Hannover und Berlin weitere Betriebsräte gegründet. Dagegen wehrt sich Klier mit über 20 Gerichtsverfahren. In der Vergangenheit wurden von Seiten des Unternehmens immer wieder Unterlagen zurückgehalten und Wahlen aus kleinlichen Gründen angefochten. Man könnte vermuten, dass dahinter System steckt. Könntest du noch einmal kurz auf die Funktion eines Betriebsrat eingehen? Ein Betriebsrat ist die Interessenvertretung aller Arbeitnehmer*innen im Betrieb und wird in der Regel alle vier Jahre von den Arbeitnehmer*innen des Betriebes gewählt. Das Gremium trifft Entscheidungen nach dem Mehrheitsprinzip. Der Betriebsrat vertritt die Kolleg*innen gegenüber den Arbeitgebern in vielen Bereichen und hat weiterreichende Rechte und Möglichkeiten als einzelne Beschäftigte. Er trägt also Sorge dafür, dass die Arbeitnehmer ihre Interessen und Rechte besser im Betrieb und Unternehmen durchsetzen können. Die Demokratisierung des Unternehmens und die Beteiligung der Beschäftigten werden gestärkt. So kann er z.B. Betriebsvereinbarungen mit dem Arbeitgeber abschließen, die dann kollektiv für alle Beschäftigten gelten und die natürlich auch besser als der individuelle Arbeitsvertrag sind. Er muss z.B. Einstellungen und Versetzungen zustimmen, muss vor Kündigungen angehört werden. Er kann Regelungen zur Dauer und Lage der Arbeitszeit und Dienstplangestaltung mit dem Arbeitgeber treffen und vieles mehr. Der Gesamtbetriebsrat ist übergeordnet, besteht aus Delegierten von allen Betriebsräten und vertritt die Interessen aller Angestellten im gesamten Unternehmen. Ein Gesamtbetriebsrat würde einige Vorgänge in Zukunft erleichtern, also beispielsweise die Einleitung von Betriebsratswahlen in anderen Regionen und die Vertretung der Interessen der Beschäftigten auf Unternehmensebene. Ist die Friseurbranche allgemein schwer zu organisieren? In der Friseurbranche ist Klier das einzige Unternehmen mit einem Betriebsrat. Große Ketten wie Klier machen nur etwa 10-15% der Salons aus. Der Rest besteht aus Kleinstunternehmen mit sehr wenigen Beschäftigten. Allein das ist schon eine Hürde, da man ja nicht mit drei Beschäftigten einen Betriebsrat wählen kann. Wir haben auch leider in Hamburg seit 2005 keinen Tarifvertrag für das Friseurgewerbe mehr. Bundesweit gibt es aber einige Branchentarifverträge für das Friseurgewerbe. Wie sind die Arbeitsbedingungen im Friseurgewerbe? Wenn wir uns die negativen Seiten anschauen berichten die Kolleginnen von 12 Stunden-Schichten, Pausen die nicht eingehalten werden können und stundenlangem Stehen im Laden. Die Bezahlung ist oft ebenfalls nicht gut. Häufig wird das Argument gebracht: „Ihr kriegt Trinkgeld“, das müsse dazu gerechnet werden, dann wäre die Bezahlung nicht so schlecht. Das ist aber heute nicht mehr so wie früher. Die Auszubildenden müssen ihre Arbeitsmittel bei einer Ausbildungsvergütung von 480 Euro teilweise selbst bezahlen. Dabei kann so eine professionelle Schere gerne schon mal ein paar hundert Euro kosten. Und wie geht es jetzt konkret weiter? Das Gericht wird sich jetzt beraten und uns am 7. Juli telefonisch mitteilen, ob das Verfahren weitergeht oder eine Entscheidung gefallen ist. Danach überlegen wir, wie es weitergeht und welche Solidaritätsaktionen wir planen. Die Gerichtstermine der anderen fünf Kolleginnen folgen jetzt im Juli und August. Vor dem Gericht wird es sicherlich noch eine Weile dauern, bis eine abschließende Entscheidung feststeht. Denn zu erwarten ist, dass nach einer Entscheidung des Arbeitsgerichts auch in den nächst höheren Instanzen verhandelt werden muss. Unsere Unterstützung habt ihr auf jeden Fall und wir sind bei der nächsten Aktion dabei. Vielen Dank für das Interview. Gerne. |