Kategorie: Theorie |
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Marxismus und Pazifismus |
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"Imagine there’s no heaven / It’s easy if you try / No hell below us / Above us only sky / Imagine all the people / Living for today…" - "Imagine" von John Lennon, das zur Zeit in den USA auf dem Index steht, beschreibt sehr treffend, warum Kriege entstehen, wie wir später noch sehen werden. Seine Bed-Ins und Sleep-Ins sind zwar keine effektive Antikriegsstrategie, aber dafür kann man ja bei Rosa Luxemburg, Lenin und Trotzki nachschlagen. |
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Diese haben sich vor dem Hintergrund des 1. und 2. Weltkriegs in zahlreichen Artikeln, Broschüren und Manifesten (z.B. Luxemburg: Brennende Zeitfragen, Trotzki: Was ist ein Friedensprogramm?, Manifest der Vierten Internationale, Lenin: Sozialismus und Krieg) mit der Kriegsfrage auseinandergesetzt. Inzwischen schien es, dass mit Ende des 2. Weltkriegs die Zeit der Kriege vorbei sei, zumindest für Mitteleuropa. Spätestens jetzt ist diese süße Illusion zu Ende: Krieg ist kapitalistischer Normalzustand. Zunächst zur Frage, warum Kriege überhaupt entstehen. Dabei ist es besser, sich nicht an die Lügenpropaganda in den bürgerlichen Zeitungen und CNN zu halten, wo behauptet wird, Kriege entstehen aus der Unverträglichkeit von Völkern, Ethnien, Religionen und Kulturen. Wichtiger ist die Frage von einem anderen Standpunktes aus zu stellen: Welche Klasse führt den Krieg und welche Auswirkungen hat das auf die ArbeiterInnen? Was im Zeitalter des Imperialismus hinter den meisten Kriegen steht, ist schnell erklärt: Das kapitalistische System ist ständig auf der Suche nach neuen Rohstoffquellen und Absatzmärkten, und dabei steht jeder Staat in Konkurrenz mit den anderen. Jeder Staat kämpft um die Durchsetzung der Profitinteressen seines eigenen nationalen Bürgertums und kommt sich dabei ständig in die Quere. Nicht immer sind wirtschaftliche Interessen ausschlaggebend dafür, einen Krieg anzufangen, sondern auch die Absicherung und Ausweitung von politischem Einfluß. Es reicht schon, sich dem Weltpolizisten USA nicht unterzuordnen wie der Irak, Jugoslawien oder Afghanistan, um im Namen der "Freiheit" bombardiert zu werden. Um in diesem Länderwettlauf nicht unterzugehen, schließt man sich in strategischen Bündnissen zusammen. Inzwischen hat sich fast die ganze Welt hinter den USA und ihrer Allianz gegen den Terror gestellt – eine zerbrechliche Allianz, die nicht von Dauer sein kann, zu widersprüchlich sind die Interessen der einzelnen Staaten. Solange konkurrierende Nationalstaaten weiter bestehen, wird es auf Dauer keinen Frieden geben.
Dazu John Lennon:
Imagine there’s no countries / It isn’t hard to do / Nothing to kill or die for / And no religion too / Imagine all the people / Living life in peace
Begeisterte KriegsunterstützerInnen finden sich vor allem in der europäischen Sozialdemokratie, allen voran Tony Blair und Gerhard Schröder. Diese Rolle ist nicht neu - ihre wichtigste Aufgabe: Die ArbeiterInnen ruhig zu halten, damit sie nicht aufmucken gegen die Kriegspläne. Denn Kriege werden immer auf dem Rücken der Arbeiterklasse ausgetragen: Auf dem der eigenen ArbeiterInnen, die den Krieg durch Sparpakete finanzieren, der ImmigrantInnen, die zur Zielscheibe der rassistischen Hetze werden, der Menschen in Afghanistan, deren Leiden gleich einem Naturereignis "humanitäre Katastrophe" genannt wird. Im Namen der Nation sollen alle im Kampf gegen den äußeren Feind mobilisiert werden und gegensätzliche Interessen vergessen werden. Nur keine Kritik an der Regierung und bloß keine Streiks, die Heimatfront muss ruhig bleiben. Zur Haltung der Sozialdemokratie schreibt Lenin in "Sozialismus und Krieg" 1915: "Was ist Sozialchauvinismus? Sozialchauvinismus ist das Eintreten für die Idee der ‚Vaterlandsverteidigung’ in diesem Kriege. Aus dieser Idee ergibt sich weiter der Verzicht auf den Klassenkampf während des Krieges, die Bewilligung der Kriegskredite usw. In Wirklichkeit treiben die Sozialchauvinisten eine antiproletarische, eine bürgerliche Politik, denn was sie verfechten, ist in Wirklichkeit nicht die ‚Verteidigung des Vaterlandes’ im Sinne des Kampfes gegen eine Fremdherrschaft, sondern das ‚Recht’ dieser oder jener Großmächte, Kolonien auszuplündern und fremde Völker zu unterdrücken." Wer kann Krieg wirklich stoppen, wie und mit welchen Ziel? Pazifismus ist nicht die Antwort. "Stoppt den Krieg" ist die Losung, die die ganze Beschränktheit dieser Haltung zeigt: Wer soll denn Kriege beenden? Die UNO? Die nur ein bequemes Instrument imperialistischer Staaten ist, sich einen gutherzigen Anstrich zu geben? Die die Kriege in Korea (1949), im Irak (1991) legitimierte und den Einsatz in Somalia 1992 geleitet hat? Unter welchen Bedingungen soll Friede ausbrechen? Mit der militärischen Besetzung ganzer Länder unter UN-Flagge wie am Balkan, wo dann gleich die D-Mark hinterhersegelt? Und wenn der Krieg aufhört, was dann? Die Widersprüche zwischen den einzelnen Staaten, ihr Streben nach ökonomischer Macht und politischem Einfluss werden bestehen bleiben. "Friedensfreundliche Stimmung in den Massen ist häufig der Ausdruck dafür, dass Protest und Empörung aufkommen und dass der reaktionäre Charakter des Krieges erkannt wird... Die Sozialdemokraten werden sich an jeder Bewegung und an jeder Demonstration, die auf diesem Boden erwächst, aufs leidenschaftlichste beteiligen, aber sie werden das Volk nicht betrügen, indem sie den Gedanken zulassen, dass ohne revolutionäre Bewegung ein Frieden ohne Annexionen, ohne Unterjochung von Nationen, ohne Raub, ohne den Keim neuer Kriege zwischen den jetzigen Regierungen und herrschenden Klassen möglich sei." (Lenin, Sozialismus und Krieg)
Imagine no possessions / I wonder if you can / No need for greed or hunger / A brotherhood of man / Imagine all the people / Sharing all the world
Was kann dem Krieg entgegengestellt werden? Hier kommt ein Begriff ins Spiel, der bedeutet, nicht nur in der Analyse einen Klassenstandpunkt einzunehmen, sondern auch in der Taktik im Kampf gegen den Krieg. Dieser Begriff beschreibt eine Haltung namens Defätismus. In der Stuttgarter Resolution der 2. Internationale von 1907, die von Lenin und Luxemburg wesentlich geprägt wurde, wird diese folgendermaßen formuliert: Der kommende Krieg wird zu einem Krieg der Räuber, und die Niederlage der eigenen Bourgeoisie wäre in diesem Konflikt das kleinere Übel. Die sozialen Spannungen, die wirtschaftliche und soziale Krise sollten zum Bürgerkrieg ausgeweitet werden, um die sozialistische Revolution zu verwirklichen. Im "Manifest der 4. Internationalen" von 1940 führt Trotzki diese Taktik weiter aus: "Der "Defätismus" im imperialistischen Krieg In den Fällen, wo es sich um den Kampf kapitalistischer Länder handelt, lehnt das Proletariat jedes dieser Länder entschieden ab, namens des militärischen Siegs der Bourgeoisie seine eigenen geschichtlichen Interessen zu opfern, die letzten Endes mit den Interessen der Nation und der Menschheit zusammenfallen. Lenins Formel‚ die Niederlage ist das kleinere Übel’ bedeutet nicht, dass die Niederlage des eigenen Landes das kleinere Übel sei im Vergleich mit der Niederlage des gegnerischen Landes, sondern dass die durch die Entwicklung der revolutionären Bewegung verursachte militärische Niederlage für das Proletariat und das gesamte Volk unvergleichlich vorteilhafter ist als der durch den ‚Burgfrieden’ gesicherte militärische Sieg. Karl Liebknecht hat die unübertroffene Formel der proletarischen Politik im Kriege gegeben: ‚Der Hauptfeind jedes Volkes steht im eigenen Lande!’" Defätismus bedeutet aber nicht die völlige Gleichsetzung aller Kriege – antikoloniale Befreiungskriege sind anders zu bewerten als imperialistische Eroberungskriege. In Lenins "Die drohende Katastrophe" vom September 1916 ist eine Frage zentral, und zwar, welche Klasse den Krieg führt. Ziel der ArbeiterInnen sollte es eben sein, den Charakter des Krieges zu ändern und sich gegen die eigenen Regierungen zu erheben, dem Beispiel der Pariser Kommune von 1871 folgend. Die russischen Armee sollte im 1. Weltkrieg nach der Revolution einen revolutionären Verteidigungskrieg führen. "Der Krieg ist die Fortsetzung der Politik einer Klasse, den Charakter des Krieges ändern heißt an die Stelle der Klasse, die an der Macht ist, eine andere setzen." Das ist nicht unser Krieg!
You may say I’m a dreamer / But I’m not the only one / I hope someday you’ll join us…
Karin Jaschke |