Kategorie: Theorie

Am 10.10. auf die Straße gegen TTIP, CETA und TISA

Ein Bündnis zahlreicher Organisationen – von Greenpeace bis zur Gewerkschaft der Polizei (GdP) – ruft dazu auf, gemeinsam am 10.10. in Berlin konkret gegen das Freihandelsabkommen TTIP und eine verfehlte Handelspolitik im Allgemeinen zu demonstrieren.


Es werden bis zu hunderttausend DemonstrantInnen erwartet. Die Demo ist bunt, vielfältig und ist sich im Widerstand gegen das geplante Freihandelsabkommen ,,TTIP“ einig. Darüber hinaus aber ist der Konsens minimal. Teile der Grünen rufen auf, Teile der autonomen Szene ebenfalls.Das Spektrum des Widerstandes gegen TTIP ist groß und das ist auch gut so. Doch eines ist auch klar: Die derzeit in Verhandlung stehenden Freihandelsabkommen wie TTIP und CETA sind nur die Speerspitze einer sich im Interesse des Kapitals definierenden Politik des Freihandels und Ausdruck des Wesens der EU. Sofern TTIP nicht verhindert wird, werden die Interessen der Großkonzerne nicht nur weiter gestärkt, sondern sogar offiziell auf die Ebene eines Staates gestellt. Die bürgerliche Demokratie wird damit faktisch beerdigt

Fangen wir ganz von vorne an. Worum geht es bei TTIP? Die Abkürzung TTIP steht für ,,Transatlantic Trade and Investment Partnership“, was übersetzt so viel bedeutet wie ,,Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft“. Selbiges Abkommen ist Gegenstand einer Verhandlung zwischen der EU und den USA. Bei den offiziell spärlich preisgegebenen Informationen wird meist behauptet, dass dieses Abkommen ausschließlich dem Abbau sogenannter tarifärer Handelshindernisse diene und dem wirtschaftlichen Wachstum beider Seiten förderlich wäre. Tarifäre Handelshindernisse sind beispielsweise Zölle und Exportsubventionen. Von den sogenannten nichttarifären Handelshindernissen ist dort nicht die Rede. Nichttarifäre Handelshindernisse sind Dinge, wie Importquoten, Sozial- und Umweltstandards. In an die Öffentlichkeit gelangten Verhandlungspapieren wird deutlich, dass diese nichttarifären Hindernisse der Hauptbestandteil der Verhandlungen sind. Zumal Hindernisse wie Zölle kaum noch zwischen den Vertragspartnern USA und EU existieren. Es geht aber noch viel weiter. Zukünftig müssen wir uns nicht nur vor ,,Chlorhühnern“ oder gentechnisch veränderten Lebensmitteln fürchten. Nein, das Großkapital soll sogar offiziell mehr Macht als die Regierung erhalten, es droht eine weitere Privatisierungswelle und die Rechte der Werktätigen zählen so gut wie gar nicht mehr. ,Freibrief zur Deregulierung, Angriff auf Arbeitsplätze und Ende der Demokratie“, heißt es treffend in einer Publikation der Rosa Luxemburg-Stiftung.

Ein Blick auf einzelne Aspekte des Freihandelsabkommens zeigt: Hinter TTIP steckt mehr als ein einziger politische Fehler. Der Kapitalismus ist der Fehler, der auch kleine Fehler wie TTIP produziert.

Intransparenz und Demokratiefeindlichkeit

Die Verhandlungen zu TTIP sind absolut intransparent. Das ist ein Problem. Wie erwartet, entsprechen Ankündigungen der Europäischen Kommission über TTIP nicht der Wahrheit. Da die meisten offiziellen Verhandlungsdokumente ,,streng vertraulich“ sind und wir der EU-Kommission nicht trauen können, müssen wir auf die sogenannten ,,Leaks“ hoffen. Dabei handelt es sich um eine ,,Unbefugte Weitergabe von Informationen“. Sie bringen das wahre Gesicht der Verhandlungen jenseits den Illusionen großen wirtschaftlichen Wachstums ans Licht. Nicht nur die Öffentlichkeit wird nicht informiert. Auch gewählte Abgeordnete der EU-Ländern haben nur einen begrenzten Zugang zu offiziellen Dokumenten. Es kommt noch schlimmer. Eigentlich müssten ja alle nationalen Parlamente der EU-Länder diesen völkerrechtlichen Vertrag noch ratifizieren, bevor es zur Geltung kommt. Doch das ist nicht der Fall. Der EU-Rat kann eigens das Abkommen in Kraft setzen. Aufgrund der Ewigkeitsklausel des Vertrages haben nationale Parlamente eben nicht mehr die Möglichkeit, diesen Vertrag abzulehnen. Dass das ganze Gerede bürgerlicher PolitikerInnen von Demokratie und Rechtsstaat nur eine Farce ist, wird hier deutlich.

Auf der einen Seite fällt TTIP mit einer absolut intransparenten und die Öffentlichkeit ignorierenden Art und Weise der Verhandlung auf. Schlimm genug. Doch auch das Abkommen selbst hat negative Auswirkungen auf vergleichsweise demokratische Standards im Gesetzgebungsprozess.

Der wohl am meisten in diesem Kontext gefallene Begriff ist der des Schiedsgerichtes. Offiziell wird vom ,,Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren“, kurz ISDS, gesprochen. Worum es dort geht, sind sich eigentlich alle einig. Das Großkapital soll rechtlich auf eine Ebene wie die eines Nationalstaates gestellt werden.

In Kanada sind die Auswirkungen allemal deutlich geworden. Mit dem NAFTA-Abkommen (ähnliche Praxis des ,,Investorenschutzes“ wie bei TTIP) zwischen Kanada, den USA und Mexico wurde der kanadische Staat auf 250 Millionen Euro verklagt, weil die Provinz Québec ein Fracking-Moratorium (Entzug des Förderrechts) erließ. Das ist ein Beispiel für ein Verfahren, indem demokratische Entscheidungen eigenständiger Staaten angefochten und im Nachhinein Entschädigungszahlungen gefordert werden. Es ist selbsterklärend, warum wir dies so nicht akzeptieren.

Es geht aber noch weiter. Diese Forderungen nach Gewinnerstattung werden nicht bei einem offiziellen, der Judikative eines Staates entsprechenden Gericht, sondern vor ,,Hinterzimmergerichten“ eingereicht und verhandelt. Jegliche ,,rechtsstaaltliche“ Prinzipien werden ausgehebelt und eine Entscheidung im Interesse des transnationalen Kapitals ist sicher.

Nicht nur, dass Konzerne aufgrund demokratischer Entscheidungen Staaten verklagen können. Nein, es geht noch weiter. Konzernen wird mit der regulatorischen Zusammenarbeit die Möglichkeit eingeräumt, das Entstehen neuer Gesetze und Verordnungen, gleichermaßen auch sogar bestehende Rechtsvorschriften zu beeinflussen. Jene Gesetzesvorhaben, die den Unternehmen nicht gefallen, ergo ihre Gewinne schmälern, sollen im ,,Dialog“ abgemildert oder verhindert werden.

,,Liberalisierung der Dienstleistungsmärkte“

Bereits zu Anfang der Verhandlungen erklärte die EU-Kommission, man werde an einer Freigabe öffentlicher Dienste wie Gesundheit, Bildung und Wasserversorgung arbeiten. Somit droht uns eine neue Privatisierungswelle. Dadurch wird die öffentliche Daseinsvorsorge der absoluten Profitlogik unterworfen und Stück für Stück ausgehöhlt. Abgesehen davon, dass das Großkapital auf Kosten der BürgerInnen davon enorm profitiert und seine Profite eindeutig erhöht, verlieren wir auch bereits getätigte Investitionen. Die vom Staat erbrachten Investitionen in die öffentliche Daseinsvorsorge werden damit nichtig. Sie werden der Bevölkerung geklaut und den Großkonzernen zu eigen. Privatisierung ist Raub!

Neben einer uns drohenden Privatisierungswelle wird auch die Rekommunalisierung unmöglich. TTIP sorgt dafür, dass bereits privatisierte Dienste, Betriebe und Einrichtungen nicht wieder in das öffentliche Eigentum überführt werden können. Ein weiterer pikanter Aspekt ist die Negativliste. Unklar ist bisher, ob sie Stand des Freihandelsabkommen sein wird. Möglich aber ist es.
Dies würde bedeuten, dass Dienstleistungsbereiche, die nicht ausdrücklich als Ausnahmen aufgeführt sind, automatisch liberalisiert werden. Es bleibt abzuwarten, wie groß der Angriff auf das Öffentliche sein wird. Dass einer droht, ist augenscheinlich zu erwarten.

Angriff auf Umwelt-, Lebensmittel- und Sozialstandards

Unter dem Motto der ,,Harmonisierung der Produktionsstandards“ wird der Deregulierung der Lebensmittelsicherheit, der bestehenden Umweltstandards und bestehenden Sozialstandards Tür und Tor geöffnet.

Zentraler Bestandteil der Kritik an TTIP ist meist auch das durch TTIP aufgehobene ,,Vorsorgeprinzip“ hinsichtlich der Lebensmittelsicherheitsstandards. Das in der EU geltende Prinzip sorgt dafür, dass nicht die öffentliche Seite die Gefährdung eines Produktes belegen, sondern die Unternehmen nachweisen müssen, dass ihr Produkt unbedenklich auf den freien Markt geworfen werden kann. Bei Aufhebung dieses Prinzips sind wie derzeit in den USA zahlreiche Rückschritte im Bereich der Lebensmittelsicherheit zu erwarten.

Zum einen ist dies Bestandteil der Auseinandersetzungen um TTIP. Zum anderen werden durch die ,,Regulierungskonvergenz“ die europäischen Standards den amerikanischen angeglichen. Das fördert beispielsweise gentechnisch veränderte Lebensmittel, einen stärkeren Einsatz von Mensch und Natur gefährdenden Pestiziden und die allbekannten ,,Chlorhühnchen“.

Eine derartige Deregulierung ist auf Seiten der Umweltstandards zu erwarten. Hier stehen zentrale Umweltvorschriften auf dem Spiel. Fracking würde leichter durchgesetzt werden können. Besonders gefährlich ist auch die Absicht vor allem von US-Produzenten die kleinen Fortschritte in Europa hinsichtlich der erneuerbaren Energie rückgängig zu machen und den Erdölexport zu vereinfachen.

Ein weiterer zentraler Bestandteil der Deregulierungsabsicht sind die Sozialstandards. Durch die geplante Harmonisierung oder besser gesagt der Angleichung beständiger Standards werden eben nicht selbige erhöht, sondern gesenkt. Die von der UNO-Sonderorganisation ILO (Internationale Arbeitsorganisation) definierten Kernprinzipien wurden von den USA nicht ratifiziert. Sechs der acht Standards wurden bis heute so nicht akzeptiert. Das zeigt deutlich, dass die Unterschiede zwischen den USA und europäischen Ländern hinsichtlich der ArbeiterInnenrechte und gewerkschaftlichen Mitbestimmungsmöglichkeiten sehr groß sind. Da sich niedrigere Standards durchsetzen, wird dies eine massive Verschlechterung für die arbeitenden Bevölkerung bedeuten. Und mit ISDS können Staaten dann ja auch noch für bestehende Regelungen verklagt werden. Der Kreis schließt sich und es wird deutlich, hier werden die Interessen des Kapitals gegen die der Arbeiter*innen durchgesetzt.

TTIP ist mehr als nur schlecht

Ohne Frage müssen wir dringendst TTIP und andere Freihandelsabkommen ablehnen. Aber TTIP ist kein Einzelfall, sondern das Ergebnis des Sinn und Zwecks der Europäischen Union. Auf der Grundlage der EU-Verträge ist das Erreichen dieses Freihandelsabkommens genau das, wofür die EU geschaffen worden ist. In der Debatte um die EU gibt es viele Vorstellungen und Illusionen, aber was ist sie wirklich? Die EU dient vorrangig der Durchsetzung der Interessen der Kapitalistenklasse. Dies erlebten wir jüngst deutlich in Griechenland, wo die Syriza-Führung falsche Hoffnungen in Verhandlungen mit der Troika gesetzt hatte. Es ist absolut illusorisch zu glauben, die EU wäre Hort des Friedens, der Demokratie oder sozialer Gerechtigkeit. Die EWG als Vorläufer der EU war von Anfang mit den Ziel der Schaffung eines imperialen Bündnisses kapitalistischer Staaten gegründet worden. Die EU ist nicht reformierbar. Die Verträge der europäischen Union gehören aufgelöst. Wir müssen also nicht nur TTIP ablehnen, sondern auch die undemokratische, neoliberale und militaristische Europäische Union. Wir dagegen streiten für die Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa als Teil einer sozialistischen Weltföderation!

Wie weiter?

Selbst einige sozialdemokratische und bürgerliche PolitikerInnen erkennen, dass TTIP ein Generalangriff auf bürgerlich-demokratische Prinzipien darstellt. Ihnen wird bewusst, dass ihre ohnehin sehr geringe Macht im Kapitalismus weiter eingeschränkt werden würde. Doch das wird der Durchsetzung dieses Abkommens kein großes Hindernis sein, zumal die Abstimmungsergebnisse im europäischen Parlament ohnehin deutlich machen, dass sich die politische Erkenntnis wenig im eigenen Handeln widerspiegelt. So tat die SPD Fraktion im Europäischen Parlament, als wäre sie zumindest den Schiedsgerichten kritisch gegenüber eingestellt. Im Fachausschuss aber stimmte sie lediglich für eine Reform anstatt für den Verzicht auf ISDS-Schiedsgerichte.

Einzig und allein können Massenproteste diesen Generalangriff noch abwehren. Illusionär wäre es jedoch, zu glauben, damit hätte sich das Thema erledigt. Auch wenn wir einen Angriff auf noch gültige verbliebene Standards abwehren konnten, ist der nächste bereits in Planung.

Das Problem heißt Kapitalismus. Es muss unser Ziel sein, solidarisch und gemeinschaftlich für eine andere, sozialistische Gesellschaft zu streiten. Wenn die Arbeiterklasse die bürgerliche-kapitalistische Gesellschaftsordnung überwindet und in einer sozialistischen Demokratie maßgeblich an der Gestaltung der Gesellschaft beteiligt ist, lassen sich solche Rundumangriffe im Interesse der Kapitalistenklasse auch verhindern. Die Losung muss also heißen: Lasst uns gemeinsam gegen TTIP und andere Freihandelsabkommen kämpfen und diesen Kampf als Bestandteil eines Kampfes für eine bessere, sozialistische Gesellschaftsordnung verstehen. Stellen wir die Eigentumsfrage! Für einen Sozialismus des 21.Jahrhunderts!

 

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