Kategorie: Theorie

Perspektiven des Weltkapitalismus [Teil 6]

Lenin definierte einst Politik als konzentrierte Ökonomie. Aus marxistischer Sicht liegt die Bedeutung der Ökonomie vor allem darin, welchen Effekt sie auf den Klassenkampf hat. Auf dem 2. Weltkongress der Kommunistischen Internationale wies Trotzki darauf hin, dass jede Maßnahme der Bürgerlichen zur Bekämpfung der Krise den Klassenkampf intensivieren wird. Die Beweise für diese These sind allgegenwärtig.


 

In welcher Phase der Weltrevolution befinden wir uns?

 

1921 schrieb Trotzki: “So lange der Kapitalismus nicht von der proletarische Revolution zerschmettert sein wird, wird er in Zyklen fortleben: auf und ab. Die Krisen und Prosperitätsperioden waren dem Kapitalismus schon seit seiner Geburt eigen; sie werden ihn bis ans Grab geleiten. Damit wir aber das Alter des Kapitalismus und seinen Allgemeinzustand bestimmen können, ob er sich entwickelt, ob er die Reife erreicht hat, ob es mit ihm bergab geht, müssen wir den Charakter der Zyklen analysieren, genauso wie man den Zustand des menschlichen Organismus danach beurteilen kann, wie er atmet: gleichmäßig oder stoßweise, tief oder oberflächlich.” (Die ersten fünf Jahre der Kommunistischen Internationale, Bd.1, Bericht über die Weltwirtschaftskrise und die neuen Aufgaben der Kommunistischen Internationale)

 

Marx erklärte vor langer Zeit schon, dass kein ökonomisches System verschwindet, bevor es nicht sein volles Potential ausgeschöpft hat. Heute zeigt das kapitalistische System klare Anzeichen der Erschöpfung. Doch der Kapitalismus hat schon seit langem aufgehört als globales System eine fortschrittliche Rolle zu spielen. Er hat seine historisch progressive Rolle erfüllt und ist mittlerweile an seine Grenzen gestoßen. Der Kapitalismus ist nicht mehr imstande das kolossale Potential der Produktivkräfte weiterzuentwickeln. Die gegenwärtige Krise ist der beste Beweis dafür. Die beiden wichtigsten Hindernisse auf dem Weg zu menschlichem Fortschritt sind einerseits das Privateigentum und andererseits der Nationalstaat. Es gab eine Vielzahl von Faktoren, die den Nachkriegsaufschwung verursachten. Doch der wichtigste Grund ist in der gewaltigen Expansion des Welthandels zu sehen. Diese Entwicklung ermöglichte es dem Kapitalismus – teilweise und für eine gewisse Zeit – die Grenzen, die ihm durch das Privateigentum und den Nationalstaat gesetzt sind, zu überkommen. Diese Tendenz wurde in den letzten drei Jahrzehnten enorm ausgedehnt. Doch nun scheint auch dies an seine Grenzen zu stoßen.

 

Die gegenwärtige Krise unterscheidet sich vollständig von dem, was wir in der Vergangenheit gesehen haben. Diese Krise erinnert in vielem an die Situation, über die Trotzki 1938 schrieb. Was wir heute sehen, ist keine normale zyklische Krise des Kapitalismus. Es handelt sich um etwas viel tiefgehenderes und ernsthafteres: eine organische Krise des kapitalistischen Systems, aus der es keinen Ausweg gibt, außer durch weitere Krisen und tiefe Einschnitte beim Lebensstandard. Diese Situation ist völlig neu, und daraus erklärt sich auch, warum die bürgerlichen Ökonomen so ratlos sind. Sie haben ihre Orientierung verloren und taumeln wie ein blinder Mann in einem dunklen Raum herum. Die Bürgerlichen sind ernsthaft besorgt. Eine neue Rezession wäre „ein Desaster“, so Roger Altman, einst ein hoher Beamter im Finanzministerium in der Clinton-Administration. „Wir könnten kurz davor stehen, die Erfahrung von 1937, als Amerika nach drei Jahren der Erholung von der Grossen Depression in eine Rezession zurückfiel“, schrieb er in der „Financial Times“. Die bürgerlichen Strategen verstehen, dass eine neue globale Rezession ernsthafte soziale und politische Konsequenzen zeitigen würde. Ihre Prognosen werden immer düsterer. Derselbe UBS-Bericht, den wir bereits weiter oben zitiert haben, warnte vor der Gefahr ziviler Unruhen als eine Folge der Wirtschaftskrise in Europa: „Wenn wir die Folgen der Arbeitslosigkeit berücksichtigen, ist es völlig unmöglich, sich ein Szenario des Auseinanderbrechens (des Euro, Anm. d.Ü.) ohne ernste soziale Konsequenzen vorzustellen. ... In der Vergangenheit ging das Aufbrechen von Währungsunionen tendenziell mit zwei Resultaten einher. Entweder es kam zu autoritären Regierungsformen, um die soziale Unordnung einzudämmen oder zu unterdrücken (ein Szenario, das tendenziell einen Wechsel von einer demokratischen zu einer autoritären oder Militärregierung erforderlich machte), oder alternativ dazu, die soziale Unordnung entfaltete sich in der Gesellschaft, führte zu Bruchlinien, die das Land spalteten und zu einem Bürgerkrieg führten. Das sind keine unvermeidlichen Schlussfolgerungen, weisen aber daraufhin, dass das Aufbrechen von Währungsunionen nicht wie eine gewöhnliche Frage der Wechselkurspolitik behandelt werden kann. Es ist sicherlich wert anzumerken, dass mehrere Länder der Euro-Zone auf eine Geschichte interner Spaltung zurückblicken – Belgien, Italien und Spanien gehören zu jenen, wo das ganz offensichtlich ist. Es ist weiters richtig, dass der Zusammenbruch von Währungsunionen in der Geschichte fast immer mit extremem Widerstand gegen die Staatsgewalt oder Bürgerkrieg einherging.“ (UBS Global Economic Perspectives 6, September 2011)

 

Die Schlussfolgerungen könnten kaum pessimistischer sein: „Die Frage ist nicht wie sich eine liberale Demokratie entwickelt, sondern ob eine liberale Demokratie den sozialen Unruhen, die mit dem Aufbrechen einer Währungsunion einhergehen, standhalten kann. Uns fehlt es an Beweisen, um die Vorstellung, dass sie das schaffen kann, auch unterstützen zu können.“ Diese Zeilen zeigen, wie besorgt die Kapitalstrategen sind. Sie sehen derzeit keine Möglichkeit ein dauerhaftes soziales und politisches Gleichgewicht herzustellen. Sie verstehen außerdem, dass die normalen Instrumente bürgerlicher Demokratie durch „extremen Widerstand gegen die Staatsgewalt“ bis an die Grenzen einem Test unterzogen werden.

 

Das ist so weit auch korrekt. Aber es ist unwahrscheinlich, dass die Bürgerlichen das Risiko eingehen, in Griechenland oder irgendeinem anderen entwickelten kapitalistischen Land direkt auf einen Bürgerkrieg zuzusteuern. Nur wenn alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft wurden, wird die Bourgeoisie die Option eines Militärputschs in Erwägung ziehen, weil damit auch große Gefahren verbunden sind.

 

Der Klassenkampf

 

In der jüngsten Vergangenheit sahen wir vor allem in Südeuropa bereits große Klassenkampfbewegungen. Natürlich beginnt es nicht in den stärkeren Ländern in Nordeuropa. Aber auch sie werden an die Reihe kommen, wie wir bereits in Großbritannien und Frankreich sehen können. Schon im Herbst 2009 gab es eine große Protestwelle gegen die Kürzungspolitik in Frankreich mit 3,5 Millionen ArbeiterInnen auf den Strassen. Diese Proteste fanden nicht nur in den Großstädten statt, sondern auch in hunderten Kleinstädten, wo oft bis zu einem Viertel der Bevölkerung auf der Strasse war. Erdölraffinerien wurden blockiert, und es kam zu großen Bewegungen in den Schulen und Unis. Außerdem unterstützten 65 – 70 Prozent der Bevölkerung die Bewegung. Das war eine Vorwegnahme von dem, was noch kommen wird. Danach haben wir den größten Generalstreik in Portugal seit der Revolution von 1975 gesehen. In Italien gab es Massendemos und einen Generalstreik. In Griechenland gab es in einem Jahr nicht weniger als 13 Generalstreiks. In Großbritannien sahen wir die größte Gewerkschaftsdemo in der Geschichte des Landes, daraufhin die größten Streiks seit 1926. Der Gouverneur der Bank of England, Mervyn King, hat gemeint, dass Großbritannien vor dem größten Rückgang des Lebensstandards seit den 1920ern steht. Die Pensionen werden bis zu 40 Prozent gekürzt, während die Profite weiter steigen. Die Barclays Bank verzeichnete Rekordprofite, zahlte aber nur 2 Prozent Steuern. Die Einkommen der Direktoren der Top-FTSE 100-Unternehmen stiegen 2011 um 49 Prozent. Das befeuert den Zorn in der Bevölkerung, der auch in den Jugendrandalen in London und vielen anderen Städten zum Ausdruck kam. In Spanien gab es gewaltige Jugendproteste, die direkt von den Protesten auf dem Tahrir Square in Ägypten inspiriert waren. Wie in Ägypten führte auch in Spanien die hohe Jugendarbeitslosigkeit zu dieser explosiven Bewegung der Indignados. In weiterer Folge inspirierten die Proteste in Spanien ähnliche Besetzungen von Plätzen in Griechenland. In Athen setzte die Polizei im Namen der sozialdemokratischen Regierung Tränengas ein, um die revolutionäre Jugend auseinanderzutreiben. Selbst in den Niederlanden demonstrierten 15000 Studierende in De Haag. Ereignisse, Ereignisse und noch mal Ereignisse sind der Schlüssel in dieser Situation. Und große Ereignisse sind zweifelsohne in Vorbereitung, welche die Gesellschaft bis in ihre Tiefen erschüttern und dramatische Wendungen im Bewusstsein herbeiführen werden. Wir haben das bereits in Tunesien, Ägypten, Spanien und Griechenland gesehen. Selbst in Osteuropa sahen wir große Bewegungen in Albanien und Rumänien. In Bulgarien streikte sogar die Polizei. In Russland sahen wir die massiven Stimmenzuwächse der KP, welche sogar zum Anziehungspunkt für eine Schicht der Jugend wird. Das ist ein klares Anzeichen, dass sich auch dort die Lage ändert. Das sind extrem bedeutsame Entwicklungen, die einen Wendepunkt für Europa darstellen. Andere werden früher oder später folgen, je nach den konkreten Bedingungen in den einzelnen Ländern. Was für Europa zutrifft, zeigt sich weltweit, wie etwa in der Arabischen Revolution und der Protestbewegung in den USA.

 

Bewusstsein

 

Über Jahre jammerten die sogenannten Linken über das „niedrige Bewusstsein“ der Massen. Sie sind unfähig die Dinge dialektisch zu betrachten. Sie sind wie hypnotisiert durch den Status quo und können die Dinge nicht in ihrer Entwicklung und Veränderung sehen. Sie sind unfähig die wirkliche Bewegung der Arbeiterklasse zu verstehen und werden von neuen Ereignissen immer wieder überrascht. Sie sind dazu verurteilt die Geschichte zu studieren, indem sie die Ereignisse im Nachhinein beobachten. Diese Herangehensweise hat nichts mit Marxismus zu tun. Es handelt sich vielmehr um eine Mischung aus Empirismus und Idealismus. Ihr Ausgangspunkt ist eine Art ideale Norm von Bewusstsein, und sie verurteilen die Realität, weil sie nicht mit dieser Idealnorm übereinstimmt. Aus ihrer Sicht wird die Arbeiterklasse nie über das nötige Bewusstsein verfügen. Nichtsdestotrotz wurden in der Geschichte Revolutionen nicht von den gebildeten Prinzipienreitern gemacht sondern genau von den „politisch ungebildeten Massen“.

 

Entgegen den Vorurteilen dieser idealistischen Strömungen ist das menschliche Bewusstsein weder revolutionär noch fortschrittlich sondern grundlegend konservativ. Die Menschen mögen keine Veränderungen. Sie bevorzugen stabile Verhältnisse, weil diese bequemer sind. Sie werden so lange es geht an der herrschenden Ordnung, ihrer Moral und ihren Vorurteilen, an den herkömmlichen Parteien und politischen Führern festhalten, bis große Ereignisse sie dazu zu zwingen neue Wege zu beschreiten. Das Bewusstsein ändert sich erst unter dem Eindruck handfester Erfahrungen, die die Massen machen. Das ist kein gradueller Prozess, sondern Ergebnis gewaltsamer und konvulsiver Erschütterungen. Revolutionäres Bewusstsein entwickelt sich nicht stetig in einem kontinuierlichen Prozess, von rechts nach links über die Zeit hinweg. Eine Revolution ist genau jener kritische Punkt, wo in einem großen Sprung vorwärts Quantität in Qualität umschlägt.

 

Wie entwickelte sich revolutionäres Massenbewusstsein in Russland? Als 1904 der Streik in den Putilov-Werken ausbrach, standen die Bolschewiki und Menschewiki nicht an der Spitze der Bewegung. In der ersten Etappe der Revolution von 1905 führte ein Priester, Vater Gapon – der noch dazu ein Polizeispitzel war – mit all seinem rückständigen Denken und seinen Vorurteilen die Bewegung, und zwar genau deshalb, weil er das Bewusstsein der Massen in diesem Stadium verkörperte und reflektierte. In den ersten Stufen der Revolution von 1905 waren die Revolutionäre von den Massen völlig isoliert. Als die Bolschewiki mit ihren Flugblättern ankamen und den Sturz der Monarchie und die Einberufung einer Verfassungsgebenden Versammlung forderten, zerrissen die Arbeiter die Flugblätter und nicht selten verprügelten sie die Bolschewiki. Doch am Abend des 9. Jänners, unmittelbar nach dem Massaker vom Blutigen Sonntag, wandten sich dieselben Arbeiter an die Bolschewiki und wollten von diesen Waffen haben.

 

Jede andere Strömung unterschätzt wie ernstzunehmend die gegenwärtige Situation ist, die in der jüngsten Geschichte seinesgleichen sucht. Es stimmt, dass das Bewusstsein der ArbeiterInnen der objektiven Realität hinterherhinkt. Sie haben bisher nicht realisiert, dass diese Krise einen völligen Bruch mit ihren bisherigen Erfahrungen darstellt. Die meisten Menschen glauben, dass mit ein paar Reformen eine Rückkehr zur Normalität möglich sein wird. Doch wie The Economist völlig richtig schrieb: „Ja, früher oder später werden wir zur Normalität zurückkehren. Aber es wird eine völlig neue Normalität sein.“

 

Eine Rückkehr zur „guten alten Zeit“, als die herrschende Klasse in den entwickelten kapitalistischen Ländern Zugeständnisse und Reformen gewähren konnte, um den Klassenfrieden zu erkaufen, ist undenkbar. Jetzt sind alle Errungenschaften der europäischen und der US-Arbeiterklasse unter Beschuss. Vom Standpunkt der Bourgeoisie aus sind es genau diese Errungenschaften, die heute der kapitalistischen Klasse im Weg stehen, auf dem Weg zur Lösung der Krise.

 

Das Bewusstsein der herrschenden Klasse hat sich bereits dramatisch verändert. Vor 20 Jahren, nach dem Fall der UdSSR, waren die Bürgerlichen voller Selbstbewusstsein. Das ist jetzt vorbei. Ihr einstiges Selbstvertrauen ist verschwunden, und sie blicken mit Sorge in die Zukunft. Während des Booms entwickelten die Kapitalisten eine Art Größenwahn, vor allem nach dem Zusammenbruch des „Kommunismus“. Sie glaubten wirklich, ihr System würde ewig halten. Die angebliche Überlegenheit der Marktwirtschaft würde alle Probleme lösen, wenn sich nur der Staat zurückzieht und den Markt seine Wunder vollbringen lässt.

 

Mittlerweile steht alles auf dem Kopf. Gegenwärtig sind die Kapitalisten völlig abhängig von den Staaten, die ihr Überleben sichern. Sie erwarten, dass ihre Verluste von den Staaten übernommen werden – d.h. von den Steuergeldern der Arbeiterklasse und der Mittelschichten, auf deren Schultern die ganze Last der Krise abgeladen wird. Aber das wird tiefgreifende Effekte auf die sozialen Beziehungen, die politischen Verhältnisse und den Klassenkampf haben. Und dieser Prozess hat bereits begonnen. In der Vergangenheit erkauften sich die Bürgerlichen den sozialen Frieden, indem sie Zugeständnisse gewährten und einen Teil des Mehrwerts, den die ArbeiterInnen schufen, an diese zurückgaben. Sie hatten genügend Spielraum für derartige Manöver auf der Grundlage enormer Profite, die sie in Boomzeiten ansammelten. Doch das ist vorbei. Die einzigen, die noch an die Marktwirtschaft glauben, sind die Führer der Arbeiterbewegung, die in Zeiten der Krise das wichtigste Bollwerk des kapitalistischen Systems darstellen. Das wird bedeuten, dass die Organisationen der Arbeiterklasse von einer Krise nach der anderen erschüttert werden. Früher oder später werden die alten rechtsreformistischen Führer ausgespuckt und durch andere Führungen ersetzt werden, die mehr auf den Druck von unten reagieren.

 

Die Grenzen der Spontaneität

 

Die Millionen Menschen, die auf den Strassen und Plätzen Spaniens und Griechenlands gegen Sparpakete protestierten, haben kein Vertrauen in die Politiker und Gewerkschaftsführer. Und wer kann es ihnen verübeln? Sowohl in Griechenland wie auch in Spanien waren die Regierungen, die diese Sparpolitik umsetzen, angebliche „Sozialisten“. Die Massen haben diesen Regierungen anfangs ihr Vertrauen geschenkt und fühlten sich dann verraten. Sie kamen zu dem Schluss, dass sie ihre Interessen nur verteidigen können, wenn sie ihre Geschicke nicht den Politikern überlassen, sondern selbst aktiv werden. Damit legen sie einen guten revolutionären Instinkt an den Tag. Jene, die über diese Bewegung lästern, weil sie „nur spontan“ sei, haben nichts von der Essenz einer Revolution verstanden. Diese besteht nämlich gerade in der direkten Einmischung der Massen in die Politik. Diese Spontaneität stellt eine enorme Stärke dar – doch gleichzeitig kann sie auch zur fatalen Schwäche einer Bewegung werden. Natürlich wird sich eine Massenbewegung zwangsläufig in ihren ersten Anfängen durch konfuse Ideen auszeichnen. Die Massen können diese Unzulänglichkeiten nur durch ihre direkten Erfahrungen im Kampf überwinden. Doch es ist absolut notwendig für die Massen die anfängliche Verwirrung und Naivität zu überwinden, zu wachsen und zu reifen und die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen.

 

Jene „anarchistischen“ Führer – ja, die Anarchisten haben auch Führer bzw. Leute, die eine Führungsrolle anstreben – die glauben, dass Verwirrung, organisatorische Strukturlosigkeit und das Fehlen einer klaren ideologischen Ausrichtung positiv und notwendig seien, spielen eine schädliche Rolle. Es ist, als wolle man ein Kind davon abhalten sich zu entwickeln, sodass es nie sprechen, gehen und selbständig denken lernt. Oft schon in der Geschichte der Kriegsführung wurde eine große Armee von mutigen aber schlecht ausgebildeten Soldaten von einer kleineren aber disziplinierten, gut ausgebildeten, professionellen Truppe, die von fähigen und erfahrenen Offizieren geführt wurde, besiegt. Öffentliche Plätze zu besetzen ist ein Mittel zur Mobilisierung der Massen zur Aktion. Doch für sich genommen ist das nicht genug. Die herrschende Klasse mag nicht imstande sein auf den ersten Schlag die Protestcamps mit Gewalt aufzulösen, aber sie kann es sich leisten zu warten, bis die Bewegung beginnt schwächer zu werden, um dann mit Entschlossenheit diesem „Ungemach“ ein Ende zu setzen. Es ist selbstredend, dass die MarxistInnen in jeder Schlacht, in der es um die Verbesserung der Lebensbedingungen der Arbeiterklasse geht, immer an vorderster Front stehen werden. Wir werden für jede noch so kleine Verbesserung kämpfen, weil der Kampf für den Sozialismus undenkbar ist ohne den tagtäglichen Kampf für den Fortschritt im Kapitalismus. Nur durch eine Reihe von Teilkämpfen von defensivem und offensivem Charakter können die Massen ihre wahre Stärke entdecken und das nötige Selbstvertrauen erlangen, das es braucht, um den Kampf bis zum Ende zu führen. Es gibt gewisse Umstände, unter denen Streiks und Massendemos die herrschende Klasse zu Zugeständnissen zwingen können. Aber in der jetzigen Situation sind wir davon weit entfernt. Um unter diesen Bedingungen erfolgreich sein zu können, muss die Bewegung auf eine höhere Ebene gehoben werden. Das ist aber nur möglich indem soziale Bewegungen enge Verbindungen mit der Arbeiterbewegung in den Fabriken und Gewerkschaften herstellen. Die Losung des Generalstreiks steht unter diesen Umständen auf der Tagesordnung. Doch selbst ein Generalstreik für sich allein genommen kann die Probleme der Gesellschaft nicht lösen. Der Generalstreik muss ein unbefristeter sein, der direkt die Machtfrage stellt.

 

Verwirrte und schwankende Führungen werden nur Niederlagen und Demoralisierungen produzieren. Der Kampf der ArbeiterInnen und der Jugend wäre unendlich einfacher, wenn er von mutigen und weitsichtigen Leuten geführt würde. Doch solche Führungen fallen nicht vom Himmel. Im Laufe des Kampfes werden die Massen alle Strömungen und Führungen einem Test unterziehen. Sie werden so auch bald schon die Unzulänglichkeiten jener Zufallsprodukte, die zu Beginn der revolutionären Bewegung ähnlich dem Schaum auf dem Wellenberg auftauchen und genauso schnell wieder verschwinden, erkennen.

 

Durch ihre Erfahrungen werden immer mehr AktivistInnen die Notwendigkeit eines konsistenten revolutionären Programms sehen. Dieses Programm kann nur der Marxismus bieten. Ideen, die über Jahrzehnte nur von kleinen Gruppen vertreten wurden, werden dann begierig von Hunderten und dann Tausenden aufgenommen werden. Was es braucht, ist einerseits die geduldige Vorbereitungsarbeit marxistischer Kader und andererseits die konkrete Erfahrung der Massen selbst.

 

Taktik und Strategie

 

Taktik und Strategie sind zwei unterschiedliche Paar Schuh und können sich unter gewissen Umständen widersprechen. Unsere langfristige Strategie ist ganz klar und wir behalten diese auch bei. Wenn sich die Massen zu bewegen beginnen, dann werden sie sich in erster Linie an die bestehenden Massenorganisationen der Arbeiterklasse wenden. Doch um eine marxistische Strömung aufzubauen, ist es nicht ausreichend allgemeine Aussagen, so korrekt sie auch sein mögen, einfach nur zu wiederholen. Wir müssen immer von den konkreten Umständen der Bewegung ausgehen. Und diese Bedingungen sind nicht immer dieselben sondern ändern sich ständig. Taktik muss per definitionem flexibel sein, und wir müssen imstande sein sie binnen 24 Stunden zu ändern. Im Krieg kann eine Strategie bedeuten, einen ganz bestimmten Punkt erobern zu müssen. Aber wenn diese Position zu gut abgesichert ist und unsere Kräfte nicht stark genug sind, müssen wir unsere Taktik überdenken. Anstatt eines Frontalangriffs auf diese eine Stellung mag es Sinn machen die eigenen Kräfte zu konzentrieren, um ein zweitrangigeres aber erreichbares Ziel einzunehmen. Wenn wir dieses Ziel abgesichert haben, werden wir in einer stärkeren Position sein, um zum Hauptangriffspunkt zurückzukehren.

 

Die neue Situation spiegelt sich derzeit in den Massenorganisationen noch nicht wider, mit Ausnahme der Gewerkschaften, die näher an der Klasse sind als die Parteien. Daraus ergeben sich einige Punkte. Wenn die Stimmung in der Gesellschaft keinen Ausdruck in den Massenorganisationen findet, dann wird sie andere Ausdrucksformen finden.

Bewegungen wie die Indignados in Spanien entstehen, weil die meisten ArbeiterInnen und Jugendlichen sich von niemandem vertreten fühlen. Diese Leute sind keine AnarchistInnen. Sie zeichnen sich nur durch eine gewisse politische Konfusion aus und haben kein klares Programm. Aber von wo sollen sie auch klare Ideen haben? Diese spontanen Bewegungen sind die Folge von Jahrzehnten bürokratischer und reformistischer Degeneration der traditionellen Parteien und Gewerkschaften. Zum Teil handelt es sich dabei um eine sehr gesunde Reaktion, wie Lenin schon in „Staat und Revolution“ in Bezug auf die AnarchistInnen schrieb.

 

Aufgrund ihres üblichen Impressionismus gehen die Sekten völlig begeistert in diesen neuen Bewegungen auf. Doch wir dürfen unser Urteilsvermögen nicht von kurzlebigen Phänomenen trüben lassen. Wir müssen auch die Grenzen dieser Bewegungen rechtzeitig verstehen, die sich in der Praxis sehr schnell zeigen werden. Die neuen Bewegungen sind entfremdet von den Massenorganisationen und haben das Gefühl von diesen nicht vertreten zu werden. Auf der anderen Seite haben diese neuen Bewegungen selbst den Ernst der neuen Situation nicht erkannt. Sie versuchen Druck auf die bürgerlichen Regierungen auszuüben, damit diese ihre Politik ändern, verstehen aber nicht, dass die objektive Situation das nicht erlaubt. Das wird diese Bewegungen letztendlich in eine Sackgasse führen.

 

Ab einem gewissen Zeitpunkt werden diese neuen Bewegungen an Kraft verlieren und die Massenorganisationen als die einzige relevante politische Ausdrucksform der ArbeiterInnen übrig lassen. Der Druck der Massen auf diese Organisationen wird steigen und sie von oben bis unten erschüttern. Dies wird zu Krisen und Abspaltungen führen, was ab einem gewissen Punkt zur Herausbildung eines linken Massenflügels führen wird. Wir müssen diese Perspektive immer fest im Kopf haben, wenn wir nicht zu einer isolierten Sekte degenerieren wollen. Das Schicksal der Sekten muss uns eine Warnung sein. Sie sind in der Krise, weil alle ihre Versuche, „revolutionäre“ Parteien außerhalb der traditionellen Massenorganisationen des Proletariats aufzubauen, völlig gescheitert sind. Ihr Versagen, die Bewegungsgesetze der Arbeiterklasse zu verstehen, verdammt sie zu politischer Ohnmacht. Sie werden zur Seite geschoben werden, sobald sich die Klasse zu bewegen beginnt.

 

Die Massenbewegung kann nur durch die traditionellen Organisationen der Arbeiterklasse ihren Ausdruck finden. Natürlich wird dieser Prozess nicht über Nacht und geradlinig vor sich gehen. Es wird viele Zickzack-Bewegungen und widersprüchliche Entwicklungen geben, und deshalb muss auch unsere Taktik flexibel sein. Doch letztendlich werden die zentralen Entwicklungen über die Massenorganisationen gehen.

 

Ein neuer Weltkrieg?

 

Die Bourgeoisie befindet sich heute in der schwersten Krise ihrer Geschichte. Aber wir müssen vorsichtig sein, wenn wir diesen Prozess erklären. Lenin legte schon dar, dass es keine Endkrise des Kapitalismus gibt. Die Geschichte zeigt, dass die Kapitalisten immer einen Ausweg aus der Krise finden werden, auch wenn diese noch so tief ist. Außer sie werden bewusst von der Arbeiterklasse gestürzt. Doch die reine Feststellung, dass die Kapitalisten einen Ausweg aus der gegenwärtigen Krise finden werden, sagt noch nicht viel aus. Was wir uns fragen müssen: wie lange wird das dauern und was werden die Kosten dieser Politik sein?

 

1939 wurde die Krise durch einen Weltkrieg gelöst. Ist das auch heute möglich? Der polnische Finanzminister Jacek Rostowski sagte vor dem Europaparlament in Straßburg: „Wenn die Eurozone auseinander bricht, wird die EU nicht überleben können.“ Er warnte sogar davor, dass es zu einem Krieg kommen könnte, wenn die Krise die EU weiter unterminiert. Aber die Perspektive ist nicht die eines neues Weltkriegs wie 1914 oder 1939, sondern eine Intensivierung des Klassenkampfs. Die Analogie zu 1939 ist oberflächlich und irreführend. Die Situation ist nicht mit damals zu vergleichen. Der Krieg in Europa war damals nur auf der Grundlage entscheidender Niederlagen der Arbeiterklasse in Italien, Deutschland, Österreich und Spanien möglich, wie Trotzki damals erklärte. Das Kräfteverhältnis zwischen den Klassen ist heute ein völlig anderes. Die Arbeiterorganisationen sind weitgehend intakt, und die Bürgerlichen können nicht unmittelbar zu den Mitteln der Reaktion in Form einer Militär- oder Polizeidiktatur greifen.

 

Ganz abgesehen vom Kräfteverhältnis zwischen den Klassen, das einen Weltkrieg ausschließt, gibt es einen anderen Grund warum die europäische Bourgeoisie nicht so schnell in Richtung Faschismus oder Bonapartismus gehen kann. Sie hat sich in der Vergangenheit die Finger verbrannt, als sie die Macht an diese Bande faschistischer Abenteurer und Diktatoren ausgehändigt hat. Im Fall von Deutschland führte das zu einer verheerenden Niederlage im Zweiten Weltkrieg und den Verlust großer Teile des einstigen Staatsgebietes. Aus der jüngeren Vergangenheit haben wir den Fall der Machtübernahme durch die griechische Junta im Jahr 1967. Das führte zum revolutionären Aufstand von 1973. Die Bürgerlichen werden es sich gut überlegen, ob sie noch mal auf diese Karte setzen sollen. Nur wenn die ArbeiterInnen entscheidend geschlagen wurden, würde die Perspektive einer Diktatur real werden. Zusätzlich zum Kräfteverhältnis zwischen den Klassen im eigenen Land muss man auch das Kräfteverhältnis zwischen den Großmächten berücksichtigen. Um sich mit der Kriegsfrage auseinanderzusetzen, muss man die Frage konkret stellen: Wer soll gegen wen kämpfen? Das ist eine sehr konkrete Frage! Es gibt Spannungen zwischen Europa und den USA, die in Zukunft zu Handelskriegen führen können. Doch die Überlegenheit der USA bedeutet, dass es weltweit keine Macht gibt, die deshalb gegen die USA Krieg führen kann. Alle europäischen Länder zusammen können gegen die USA nicht Krieg führen.

 

Trotz seiner industriellen Stärke wäre Deutschland heute nicht imstande in Russland einzumarschieren, wie es 1941 der Fall war. Im Gegenteil, Deutschland ist in zunehmendem Masse den Interessen Russlands in Europa untergeordnet. Wir sehen eine ähnliche Verschiebung der Kräfteverhältnisse in Asien, wo das einstmals rückständige China zu einer beachtlichen Industrie- und Militärmacht aufgestiegen ist. Könnte Japan heute China überfallen wie in den 1930ern? Sie sollen es nur versuchen! Das ist nicht dasselbe China wie in den 1930ern. Aus demselben Grund können die USA gar nicht auf den Gedanken kommen China auf die Position einer Kolonie zu reduzieren, wie dies in der Vergangenheit geplant war.

 

Wir sehen wachsende Spannungen zwischen verschiedenen Ländern. China steigert immer mehr seine Militärausgaben. Peking kauft einen Flugzeugträger und entwickelt Langstreckenraketen. Als Gegenreaktion halten die USA gemeinsame Truppenübungen mit Vietnam ab und verlagern mehr Truppenteile in die Region. Auch Vietnam rüstet auf und hat von Russland U-Boote und Jets gekauft. Auf der koreanischen Halbinsel nehmen die Spannungen im Zuge der Krise des nordkoreanischen Regimes, das jederzeit implodieren könnte, zu. China ist besorgt, dass das Regime an seiner Grenze zusammenbrechen könnte. Unter bestimmten Umständen könnten diese Bruchlinien aufbrechen und zu militärischen Konflikten führen. Doch ein Weltkrieg zwischen den Großmächten ist ausgeschlossen.

 

Auf der anderen Seite wird die Krise dazu führen, dass wir andauernd kleinere Kriege erleben werden – wie die Kriege im Irak und in Afghanistan. Das wird zu einer Zunahme der sozialen Unzufriedenheit und einem Aufschwung des Klassenkampfes in Europa und den USA führen. Die Macht des US-Imperialismus ist gewaltig aber nicht grenzenlos. Wir sahen die Grenzen der militärischen Macht der USA sowohl im Irak wie auch in Afghanistan. Sie haben den Irak erst angegriffen als dessen Armee nach Jahren der Blockade schon schwer angeschlagen war. Selbst dann wurden die USA noch durch einen Guerillakrieg besiegt. Die größte Macht der Erde muss nach dem Rückzug aus dem Irak auch aus Afghanistan seine Truppen abziehen, was eine chaotische Situation zurücklassen wird.

 

Die Bedrohung durch die Reaktion?

 

Wir haben wiederholt dargelegt, dass alle Versuche der Bürgerlichen, das ökonomische Gleichgewicht wieder herzustellen, das soziale und politische Gleichgewicht zerstören werden. Griechenland ist der beste Beweis dafür. Dort ist die soziale und politische Stabilität bereits zerstört. Und wenn die Menschen erkennen müssen, dass alle Opfer umsonst waren, wird die Austeritätspolitik nicht mehr toleriert werden. Das Ergebnis wird eine turbulente Periode der Revolution sein – und der Konterrevolution – die über Jahre andauern kann.

 

Die Arbeiterklasse wird viele harte Schläge erleiden, die das Bewusstsein der ArbeiterInnen und der Jugendlichen schwer erschüttern wird. Die schrecklichen Ereignisse in Norwegen seien als Warnung für die Zukunft verstanden. Das einstmals friedliche, wohlhabende, demokratische Norwegen, das gegenüber der Krise unverwundbar schien, wurde durch die Ermordung von JungsozialistInnen durch einen Faschisten erschüttert. Die Wahrheit ist, dass die Klassenbeziehungen in den skandinavischen Ländern nach dem Zweiten Weltkrieg sehr abgemildert wurden. Mangels großer Klassenauseinandersetzungen wurden die scharfen Klingen des Klassenkampfes abgestumpft. Diese sanfte Entwicklung hatte auch einen zersetzenden Effekt auf die Arbeiterbewegung, indem sich klassenfremde Ideologien ausbreiteten: kleinbürgerlicher Feminismus, Pazifismus und andere kleinbürgerliche Ideen haben die Bewegung durchsetzt und dadurch geschwächt. Und das gilt nicht nur für Skandinavien. Über Jahrzehnte erschienen die skandinavischen Länder als Modell für einen friedlichen Reformweg. Das glaubten sie auch in Norwegen, bis dieses bequeme Schema durch das schreckliche Massaker gegen die Jugendorganisation der Arbeiterpartei durcheinander gebracht wurde. Anders als öffentlich dargestellt, war das nicht die Tat eines Verrückten. Sie war Ausdruck für die Widersprüche, die sich in der kapitalistischen Gesellschaft aufgetürmt haben und die den inneren Zusammenhalt und die Stabilität selbst der am meisten entwickelten kapitalistischen Staaten, einschließlich der USA, zu zerstören drohen.

 

In den 1970ern zeigte die Gladio-Verschwörung wie fragil das Pflänzchen der bürgerlichen Demokratie ist. Die Bourgeoisie kann von Demokratie auf Diktatur so schnell umschalten, so schnell wie eine Person, die in einem Zug von einem Wagon zum nächsten geht. Dafür braucht es jedoch ein paar Voraussetzungen. Genauso wie die Revolution bestimmten Gesetzmäßigkeiten unterliegt, so gibt es auch Gesetze, nach denen sich Konterrevolutionen vollziehen. Die Kapitalisten können nicht jederzeit eine Diktatur errichten, nur weil sie das für besser halten, genauso wie wir nicht einfach eine sozialistische Revolution durchführen können, nur weil wir uns das wünschen. Die CIA warnte laut der deutschen Tageszeitung BILD in einem Bericht vor kurzem, dass die Austeritätspolitik und die düstere Wirtschaftslage eskalieren könnten und in Griechenland sogar zu einem Militärputsch führen könnten. Diesem Bericht zufolge könnten die andauernden Straßenproteste im krisengeschüttelten Griechenland zu einer Rebellion ausufern, wobei die Regierung die Kontrolle über das Land verlieren könnte. Die Zeitung schreibt, dass der CIA-Bericht von der Möglichkeit eines Militärputschs schreibt, wenn die Situation sich verschärft und außer Kontrolle gerät. Es ist möglich, dass ein Teil der herrschenden Klasse in Griechenland mit dieser Idee spielt, um einen Ausweg aus dieser Situation zu finden, so wie sie es 1967 schon einmal versucht hat. Aber die griechischen ArbeiterInnen erinnern sich auch noch an 1967 und die Verbrechen der Junta. Jeder Schritt in diese Richtung würde einen Bürgerkrieg provozieren. Das hat auch jüngst der US-Politikwissenschaftler Barry Eichengreen (University of California, Berkley) in einem Artikel mit dem bezeichnenden Titel: „Europa am Rande eines politischen Zusammenbruchs“ schrieb: „In Griechenland selbst ist die politische und soziale Stabilität bereits sehr prekär. Ein schlecht gezieltes Gummigeschoss könnte schon ausreichen, um die nächsten Straßenproteste in einen offen Bürgerkrieg umschlagen zu lassen.“

 

Mit dieser Meinung ist Eichengreen nicht allein. Paul Mason, der Chef der Wirtschaftsredaktion von „Newsnight“ auf BBC2 schreibt: „In den Regierungssitzen Europas, allen voran in Berlin, sind das Fragen, die nicht erwähnt werden dürfen. Es gibt eine unvorstellbare Kluft zwischen politischer Erwartung und dem, was tatsächlich bevorsteht. Es erinnert mich – so wie vieles im Jahr 2011 mich erinnert – an 1848. Metternich lästerte noch ein paar Stunden vor seinem Sturz von seinem Fenster aus über den nichtsnützigen Mob, Guizot erleidet aus Schock einen Atemnotstand als er seinen Rücktritt erklärt, Thiers, Premierminister für einen Tag, wird von den Massen gejagt...“ Die seriöseren bürgerlichen Strategen sind ernsthaft alarmiert angesichts der Entwicklungen in Griechenland. Das Problem aus ihrer Sicht ist nicht so sehr, dass dies zu einem Bürgerkrieg führen könnte, sondern die Frage, ob die griechische Bourgeoisie solch einen Krieg gewinnen könnte. Die Arbeiterklasse wurde noch nicht entscheidend geschlagen. Sie verfügt unter der Masse der griechischen Bevölkerung über eine große Unterstützung – nicht nur unter den ArbeiterInnen und Bauern, nicht nur unter den Studierenden und Intellektuellen sondern auch unter den kleinen Gewerbetreibenden und Taxifahrern und selbst unter vielen pensionierten Armeeoffizieren, die angesichts des plötzlichen Einbruchs ihres Lebensstandards allesamt zu revolutionären Schlussfolgerungen kommen.

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